Gespräch mit Sascha Schug, Vorsitzender SGK Berlin

„Es braucht so etwas wie einen Mietendeckel für Gewerbe”

Carl-Friedrich Höck19. August 2021
Sascha Schug ist Vorsitzender der SGK Berlin.
Sascha Schug ist seit Mai 2021 neuer Vorsitzender der SGK Berlin. Im DEMO-Interview spricht er über seine Ziele mit der SGK und seine Erwartungen an die nächste Bundes- und Landesregierung.

Sie sind seit 15 Jahren in der Berliner Kommunalpolitik aktiv. Zum Beispiel waren Sie Vorsteher des Bezirksparlaments in Berlin-Mitte und sind dort seit 2019 Fraktionsvorsitzender der SPD. Was hat Sie bewogen, für den SGK-Vorsitz zu kandidieren

Verantwortungsbewusstsein. Das Amt hat in Berlin mehr als 20 Jahre lang Horst Porath ausgeübt. Er hat in den letzten Jahren vermehrt bei den Stellvertretern nachgefragt, wer für die Nachfolge in Frage kommen würde. Nach langem Überlegen habe ich mich bereiterklärt, das zu übernehmen.

Welche Schwerpunkte wollen Sie als SGK-Landesvorsitzender setzen?

Die SGK Berlin spielt nicht die immens politische Rolle, wie es vielleicht in anderen Landesverbänden der Fall ist. Einen großen Schwerpunkt sehe ich bei der Weiterbildung von Bezirksverordneten. Da ist coronabedingt einiges ausgefallen, das wollen wir wieder in die Gänge bekommen. Das wird mein erstes Ziel. Und zweitens möchte ich erreichen, den kommunalpolitisch aktiven Teil der Mitglieder wieder stärker in die SGK-Arbeit hineinzubekommen. Denn die Vorstandsarbeit in den vergangenen Jahren war stark von ehemaligen BVVlern und ehemaligen Bezirksamtsmitgliedern geprägt.

Berlin gilt als Stadt, die sich permanent verändert. Sehen Sie die Berliner Innenbezirke als Seismograf für Themen, die auch in anderen Städten relevant werden, etwa bei der Mietenpolitik?

Für einige Entwicklungen trifft diese These sicherlich zu. Zum Beispiel wurde der Versuch eines Berliner Mietendeckels ursprünglich von Genossen in Berlin-Mitte entwickelt. Man kann also schon sagen, dass die Leute in Mitte versuchen Entwicklungen progressiv aufzugreifen.

Die Gentrifizierung hat in Berlin-Mitte schon sehr früh, in den 1990er Jahren stattgefunden. Also früher als in vielen anderen Städten. Da gab es auch eine Art Ost-West-Umkehr. In Berlin grenzt Alt-Mitte – als ehemaliger Hauptstadtbezirk der DDR – an Wedding und Tiergarten. Das war nach dem Mauerfall lange Zeit eine Soziale-Armuts-Grenze, die sich langsam wieder auflöst. Da traf das eher reiche Ostberlin auf das eher arme Brunnenviertel im alten Westberliner Wedding. Das war schon eine besondere Entwicklung. Auch weil im Ostteil noch alte Gründerzeitbauten standen, deren Abriss man sich in der DDR nicht leisten konnte, und auf einmal ist ihr Wert durch die Decke gegangen. Das hat dazu geführt, dass hier in einem Viertel in kurzer Zeit ein kompletter Bevölkerungsaustausch stattgefunden hat.

Inwiefern spielt Berlin als Stadtstaat eine besondere Rolle, wenn es darum geht, kommunale Themen auf Bundesebene zu platzieren? Sind die Kommunikationswege hier kürzer als anderswo?

Da bin ich mir nicht sicher. Auch hier hat man als Kommunaler vor allem Kontakt zu den eigenen Bundestagsabgeordneten, die sich im jeweiligen Wahlkreis auskennen. Berlin ist ein Sonderfall, weil eine Bezirksverordnetenversammlung viel weniger Rechte hat als das kleinste Kommunalparlament irgendwo auf dem Land. Das prägt auch die Kommunikation. Deshalb denke ich eher nicht, dass kommunale Themen hier stärker an den Bundestag herangetragen werden als in anderen Bundesländern.

Als SGK-Vorsitzender und Bezirkspolitiker: Was wünschen Sie sich von der nächsten Bundesregierung?

Eine andere Bodenpolitik. Und neue Regelungen im Mietrecht, und zwar nicht nur für Wohnungen, sondern auch für das Gewerbe. Wenn wir in den Innenstädten einen guten Strukturmix erhalten wollen – für das Gewerbe, kulturelle Nutzungen und ähnliches – muss auch das Gewerbemietrecht angepasst werden. Es kann nicht dabei bleiben, dass man Gewerbemietern einfach von heute auf morgen kündigen kann. Es braucht so etwas wie einen Mietendeckel, damit unser kleinteiliges Gewerbe, soziale Einrichtungen, Kitas und Ähnliches nicht den Verdrängungsmechanismen zum Opfer fallen. Da wünsche ich mir von der neuen Bundesregierung Instrumente, um gegensteuern zu können.

Und was wünschen Sie sich von der Landesregierung – im besten Fall einer Bürgermeisterin Franziska Giffey?

Es muss gelingen, das Jahr, das viele Kinder und Jugendliche wegen Corona verloren haben, in irgendeiner Weise aufzufangen. Wir brauchen eine verstärkte Förderung von Kindern und Jugendlichen in den Schulen, aber auch in den außerschulischen Einrichtungen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass der Schulunterricht auch dann dauerhaft weitergeführt werden kann, wenn neue Virusvarianten auftreten. Da muss die neue Landesregierung genug Geld bereitstellen und schnell Ideen entwickeln – seien es Luftfilteranlagen oder andere Maßnahmen – damit Schulen nicht wieder geschlossen werden müssen.

In Berlin läuft derzeit eine Debatte um die zukünftige Rolle der Bezirke. Manche Politiker fordern, die Zuständigkeiten zwischen Senat und Bezirken neu zu ordnen, damit sich die Verwaltungen nicht mehr gegenseitig die Verantwortung zuschieben können. Wo sehen Sie denn Handlungsbedarf – und wovon sollte man besser die Finger lassen?

Als SGK Berlin hatten wir kürzlich eine Veranstaltung mit dem Staatssekretär Frank Nägele, der im Senat genau dafür zuständig ist. Das Thema wird jetzt schon angefasst. Es gibt Anpassungen beim Bezirksverwaltungsgesetz. Und wenn nichts mehr schiefgeht, wird das auch vor der Wahl noch durchs Abgeordnetenhaus gehen.

Wir bekommen einen sechsten Stadtrat. Die Ämter-Struktur wird nicht in Gänze vereinheitlicht, aber doch etwas klarer vorgegeben – in Zukunft kann nicht mehr wild durcheinandergewürfelt werden, welcher Stadtrat welche Zuständigkeiten bekommt. Diese Schritte halte ich auch für richtig. Noch besser wäre es gewesen, wenn wir ein politisches Bezirksamt bekommen würden, sodass Fraktionen, die Zählgemeinschaften bilden, die Stadtrats-Positionen in Gänze unter sich aufteilen können. Die Reform führt nämlich dazu, dass wir einem AfD-Mitglied nach der Wahl kein Mini-Amt mehr geben können.

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