Klimaanpassungsgesetz

Bundesregierung will Kommunen verpflichten, Klima-Konzepte aufzustellen

Carl-Friedrich Höck14. Juli 2023
Blick auf den Tiergarten in Berlin: Bäume und Grünflächen speichern Wasser und helfen im Sommer gegen die Hitze.
Hitze, Dürre, Starkregen, Hochwasser: Solche Ereignisse werden häufiger. Deshalb hat das Bundeskabinett ein Klimaanpassungsgesetz beschlossen. Es sieht auch für Länder und Kommunen eine Pflicht vor, Anpassungskonzepte an den Klimawandel zu erstellen.

Fast alle deutschen Kommunen rechnen damit, dass sie in Zukunft stärker von extremen Wetterereignissen betroffen sein werden. Doch die meisten Landkreise und kreisfreien Städte haben noch kein Konzept, wie sie damit umgehen wollen. Das zeigt eine Recherche von NDR, BR, WDR und Correctiv, deren Ergebnisse am Donnerstag veröffentlicht wurden.

Knapp 330 Verwaltungen haben für die Recherche an einer Umfrage teilgenommen. Nur jede vierte hat bereits ein fertiges Klimaanpassungskonzept in der Schublade. Weitere 22 Prozent der befragten Städte und Kreise arbeiten aktuell an einem Dokument, in dem sie Klimarisiken und Anpassungsstrategien festhalten. Knapp die Hälfte der befragten Kommunen hat also noch nicht damit begonnen, ein Konzept zu erstellen.

Ampel will strategischen Rahmen schaffen

Nach dem Willen der Bundesregierung soll sich das ändern. Am Donnerstag hat das Kabinett ein Klimaanpassungsgesetz auf den Weg gebracht. „Es schafft erstmals einen verbindlichen Rahmen für Bund, Länder und Kommunen“, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen). „Mit lokalen Risikoanalysen und Anpassungsplänen bereiten wir uns auf die Klimaveränderungen vor und ermöglichen einen besseren Schutz der Bevölkerung zum Beispiel durch Strategien für kühlere Städte und mehr Beschattung.“ Mit Risikovorsorge, die weiter als bisher in die Zukunft blicke, könnten Schäden abgemlildert und die Lebensqualität in der Stadt und auf dem Land erheblich verbessert werden.

Künftig sollen alle föderalen Ebenen eigene Konzepte zur Klimaanpassung erarbeiten. Dazu gehört eine Betroffenheitsanalyse: Welche Phänomene sind für die jeweilige Region zu erwarten? Wird das Wasser knapp, gibt es häufiger starke Regenfälle, ist mit größeren Hitzewellen zu rechnen? Auf dieser Grundlage sollen dann Maßnahmen geplant werden, etwa die Entsiegelung von Böden, mehr Stadtgrün oder ein Hitzeschutzkonzept.

Bund, Länder und Kommunen in der Pflicht

Das Gesetz besteht aus drei Kernelementen: Der Bund verpflichtet sich selbst, eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen zu erstellen. Bis Ende 2024 soll diese vorliegen. Zweitens werden Träger*innen öffentlicher Aufgaben (wie öffentliche Unternehmen) dazu aufgefordert, das Ziel der Klimaanpassung bei ihren Entscheidungen stärker zu berücksichtigen.

Drittens werden mit dem Gesetz auch alle Bundesländer verpflichtet, eigene Anpassungsstrategien vorzulegen und umzusetzen. Die Länder sollen ihrerseits dafür Sorge tragen, dass dies auch auf kommunaler Ebene geschieht – und zwar möglichst flächendeckend. Dabei können die Länder selbst entscheiden, ob sie kleinere Gemeinden mit wenigen Einwohner*innen von der Pflicht ausnehmen. In diesem Fall müssen dann aber die jeweiligen Landkreise ein Klimaanpassungskonzept erstellen.

Kommunen fehlt Geld für Klimaanpassung

„Für eine erfolgreiche Klimaanpassung ist es entscheidend, dass Bund, Länder und Kommunen eng zusammenarbeiten“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Echeverria, Mitglied im Umweltausschuss des Bundestags. „Aus meiner Sicht dürfen die Kommunen nicht auf den Kosten für sinnvolle Maßnahmen sitzen bleiben, deshalb sollten Bund und Länder insbesondere finanzschwache Kommunen stärker unterstützen und fördern.“

Damit spricht Echeverria ein Problem an, das viele Städte und Kreise umtreibt, wie die Recherche von NDR, BR, WDR und Correctiv zeigt. Etwa die Hälfte der befragten Kommunen gab in der Umfrage an, dass ihnen voraussichtlich das Geld fehlt, um in den kommenden Jahren die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen zu finanzieren. Ein weiteres Drittel geht davon aus, dass die Mittel nur für einen Teil der Maßnahmen reichen werden.

Zu ähnlichen Ergebnissen war bereits im Mai das KfW-Kommunalpanel gekommen. Dafür werden die Kämmereien regelmäßig nach ihren Einschätzungen befragt. Die Kommunen schieben demnach einen gewaltigen Investitionsstau von 166 Milliarden Euro vor sich her. Für zusätzliche Investitionen in den Klimaschutz und Klimaanpassung fehlen da oft die finanziellen Spielräume. Im vergangenen Jahr haben die Kommunen hierfür zwar 3,9 Milliarden ausgegeben. Expert*innen schätzen jedoch, dass mindestens das Doppelte notwendig wäre.

Erste Förderprogramme gibt es schon

Der Entwurf für das Klimaanpassungsgesetz geht darauf kaum ein. Für die Länder ergäben sich aus den neuen Pflichten jährliche Kosten von 830.000 Euro bis 1,67 Millionen Euro pro Jahr, heißt es lediglich.

Das Bundesumweltministerium teilt mit: Wie eine langfristige und verlässliche Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen aussehen könne, werde noch zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Umweltminister*innenkonferenz diskutiert. Bei der Erstellung von Klimaanpassungsplänen würden Länder und Kommunen weiterhin durch eigene Förderprogramme und durch das „Zentrum Klimaanpassung“ (ZKA) unterstützt. Gefördert werde unter anderem der Einsatz von Klimaanpassungsmanager*innen in den Kommunen.

Angesichts der dramatischen Folgewirkungen des menschengemachten Klimawandels sei es unerlässlich, auch Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen, kommentiert die klimaschutzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Nina Scheer. Dem trage der Entwurf für ein Klimaanpassungsgesetz Rechnung. Die Anpassung ersetze jedoch keinen Klimaschutz, betont Scheer. „Klimaanpassung greift dann und dort, wo Klimaschutz zu spät kommt und kommen wird.” Der effektivste Schutz bleibe es, den Klimawandel zu vermeiden und den Umstieg auf Erneuerbare Energien zu beschleunigen.

Mehr Informationen zum Gesetzentwurf:
bmuv.de

weiterführender Artikel