Bürger*innen legen in Mannheim einen Tiny Forest an

Neue Mini-Wälder gegen die Hitze der Großstadt

Uwe Roth14. März 2024
Die Herzblättrige Erle gehört zu den Baumarten, die sich für einen Tiny Forest eignen. Sie gilt als resistent gegen Hitze und Tockenheit.
In Mannheim wächst der erste Tiny Forest in Baden-Württemberg. Der Mini-Wald ist gut fürs Großstadt-Klima und zugleich ein Symbol für funktionierende Bürgerbeteiligung. Die Pfleger*innen des Forsts arbeiten ehrenamtlich.

Mannheim hat etwa 330.000 Einwohner*innen. Und die leben der Statistik nach in der heißesten Großstadt Deutschlands. Die City ist eng bebaut, und dennoch soll hier auf 500 Quadratmetern ein Urwald aus 1.000 „Zukunfts-Bäumen“ entstehen. Das Gelände ist kleiner als ein Tennisplatz und liegt im dicht besiedelten Stadtteil Lindenhof – unweit des Rheinufers und weniger als drei Kilometer von der Stadtverwaltung entfernt. Treibende Kraft hinter dem Tiny-Forest-Projekt ist nicht die Stadt, sondern eine Bürgerinitiative, die Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Lindenhof. Mit 40 Freiwilligen hat sie Anfang März 250 junge Sträucher und 750 junge Bäume gepflanzt. Und sie konnte fünf Unternehmen gewinnen, die sich ebenfalls im Projekt engagieren.

Das „Team Stadtbaum“ der kommunalen Eigenbetriebe half der Bürger-Initiative bei der Wahl der Pflanzen. Denn die Arten sollen weitgehend resistent gegen die Folgen von Hitze und Dürre sein. Ein Zukunftsbaum ist die Herzblättrige Erle (Alnus cordata). Sie ist eigentlich in Italien und Teilen Griechenlands heimisch. Der Baum wächst kräftig und kann eine Höhe von 15 Metern erreichen. Die ebenfalls gepflanzte Schwarznuss (Juglans nigra) stammt aus Nordamerika und wird bis zu 50 Meter hoch. Von den Früchten ernähren sich Vögel und Insekten. Die Amerikanische Gleditschie (Gleditsia triacanthos) ist wiederum ein Strauch, schön anzusehen sowie besonders hitze- und trockenbeständig. Etwa zehn Arten und Sorten sind im Tiny-Wald vertreten.

Bürgermeister Eisenhauer (SPD): gesellschaftliches Vorzeigeprojekt

Die Zusammensetzung der Pflanzen sei ein Experiment, heißt es von der Stadt: „Nun muss beobachtet werden, welche Baum- und Straucharten sich langfristig für einen Tiny Forest gut eignen.“ Das Team Stadtbaum geht davon aus, dass es „je nach Standort, Bodenbeschaffenheit und Ausrichtung innerhalb der Stadt große Unterschiede geben wird“. Planungsbürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD) ist am Projekt beteiligt und erläutert seine Bedeutung für die Stadt: „Ein Tiny Forest fördert die innerstädtische Artenvielfalt und leistet einen Beitrag zum Klimaschutz.“ Für den ersten Tiny Forest in Mannheim sei es wichtig gewesen, „einen prominenten und gut wahrnehmbaren Standort im Stadtbild zu wählen“. In einer dicht bebauten Stadt wie Mannheim seien jedoch freie Flächen ohne Funktion oder unumstrittene Nutzung schwer zu finden – sie seien eigentlich nicht vorhanden.

Die Technik hilft, damit der kleine Wald trotz der nicht optimalen Bedingungen überleben kann. Klima-Sensoren der Smart City überwachen die mikro-klimatischen Effekte eines Miniwaldes auf Temperatur, Feuchtigkeit sowie Windgeschwindigkeit. Eisenhauer zeigt sich mit dem bisherigen Ergebnis sehr zufrieden: „Zusammen mit dem Netzwerk, Sponsoren und Helfern der BIG ist ein gesellschaftliches Vorzeigeprojekt entstanden.“

200 Quadratmeter Brachfläche genügen für einen Tiny Forest

Dabei ist die Idee nicht neu, Baum-Ansammlungen anstatt einzelner Bäume in eine von Hitze und Trockenheit geplagte Stadt zu setzen. Das Konzept des Tiny Forests stammt aus dem Land, von dem das Wort Bonsai ausgeht: Landschaft in der Schale. Der japanische Botaniker Akira Miyawaki setzte sich in den 1970er Jahren für den Schutz von Wald-Ökosystemen ein. Seitdem entstehen überall auf der Welt solche Mini-Wälder.

Der Forstwissenschaftler Stefan Scharfe von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (Brandenburg) gilt als Wiederentdecker des Konzepts für Deutschland. In der Uckermark haben er und seine Helfer*innen auf einem Privatgrundstück mit 800 Quadratmetern über 3.000 Sträucher und Bäume gepflanzt. Der Wissenschaftler berichtet begeistert über sein Projekt: Nur 200 Quadratmeter Brachfläche seien nötig, um eine städtische Wildnis wachsen zu lassen mit vielen verschiedenen heimischen Baum- und Straucharten. In kürzester Zeit entstehe ein resilientes Ökosystem.

In Mannheim könnte es bald einen zweiten Mini-Wald geben. Die Idee dazu fand im Beteiligungshaushalt so viel Zuspruch, dass dafür 20.000 Euro eingeplant sind. Im Herbst sollen die Pflanzen gesetzt werden.

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