Ifo-Umfrage

Corona-Krise: Schulkinder lernen nur halb so viel

Karin BillanitschCarl-Friedrich Höck05. August 2020
Die Zeit, in der sich Kinder täglich mit der Schule beschäftigt haben, hat sich während der Corona-Zeit halbiert, wie eine neue ifo-Umfrage aussagt.
Eine neue Umfrage des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik zeigt, wie wenig die Schüler*innen in der Coronazeit im Homeschooling gelernt haben.

Am Esstisch büffeln oder im Kinderzimmer, womöglich neben den Geschwistern – dass Homeschooling effektiv nicht mit dem realen Schulbetrieb mithalten kann, darauf haben schon viele Bildungsexpert*innen hingewiesen. Nach einer Studie haben Schüler*innen in der Corona-Krise ihre Lernzeit halbiert. Das sagen zumindest die bundesweit mehr als 1.000 Eltern, die die Wissenschaftler*innen des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik befragt haben. Das Ergebnis: Die durchschnittliche Zeit, in der sich die Kinder mit Arbeitsblättern beschäftigt, Videounterricht gehabt oder Hausaufgaben gemacht haben, sank von 7,4 auf 3,6 Stunden.

Größeres Engagement der Eltern

Bei manchen war es sogar noch weniger: 38 Prozent verbrachten nicht einmal zwei Stunden täglich mit der Schule, 14 Prozent sogar nur eine Stunde. Nur 13 Prozent der Eltern gab an, es sei so viel wie vor der Krise gelernt worden. Die Schulausfälle könnten also nur eingeschränkt durch das Homeschooling kompensiert werden.

Dabei haben die Eltern – oftmals doppelt und dreifach belastet mit dem eigenen Homeoffice und der Betreuung von Geschwistern – mehr Engagement gezeigt: Vor den Schulschließungen verbrachten sie im Durchschnitt eine halbe Stunde pro Tag gemeinsam mit ihrem Kind beim Lernen für die Schule. Während Corona verdoppelte sich dieser Wert auf gut eine Stunde.

Kontakt zu Lehrer*innen wichtig

Homeschooling kann allerdings erfolgreich sein, wie man aus der Lernforschung weiß: „Feedback der Lehrer ist dabei sehr wichtig“, betont die Wissenschaftlerin Katharina Werner, die die Studie mit begleitet hat. Denn Lehrer*innen könnten besonders gut erklären. „Unsere Studie zeigt, da hat bei uns etwas gefehlt. Das können die Eltern, egal ob Akademiker oder Nichtakademiker, niemals so gut kompensieren“, so Werner.

Gerade was den regelmäßigen Kontakt zwischen Lehrer*innen und Kindern angeht, offenbarte die Umfrage große Lücken: 96 Prozent der Kinder erhielten wöchentlich Aufgabenblätter zur Bearbeitung – aber nur 64 Prozent erhielten zumindest einmal pro Woche eine Rückmeldung zu den Aufgaben. Fast 50 Prozent der Eltern gaben an, dass ihr Kind nie ein persönliches Gespräch mit einer Lehrkraft hatte. Besonders davon betroffen waren Nicht-Akademiker-Kinder und leistungsschwächere Schüler*innen. 

Große psychische Belastung

„Es macht einen Riesenunterschied, ob die Kinder zu Hause alleingelassen werden und Aufgabenblätter machen oder ob es zum Beispiel mehrmals täglich Online-Unterricht gibt, wo die Lehrkräfte auch Inhalte vermitteln und die Kinder danach in die Eigenarbeit gehen“, sagt Professor Ludger Wößmann, der das Ifo-Zentrum für Bildungsökonomik leitet. Laut der Umfrage berichteten 45 Prozent der Eltern, dass ihr Kind nie Online-Unterricht mit der Klasse hatte. „Dass wir im digitalen Unterricht im internationalen Vergleich so weit zurück sind, ist uns jetzt auf die Füße gefallen“, glaubt Wößmann.

Dass diese Situation für viele Eltern und Kinder (38 Prozent) eine große psychische Belastung dargestellt hat, dürfte keine Überraschung sein. Und fast 30 Prozent gaben an, sie hätten sich mehr mit ihren Kindern gestritten als vor Corona.

Mehr Berieselung, weniger sinnvoller Zeitvertreib

Gleichzeitig ist die Zeit, in der sich die Kinder mit Fernsehen, Computerspielen und dem Handy beschäftigt haben, von 4,0 auf 5,2 Stunden gestiegen, hieß es. Zeitvertreib, der aus pädagogischer Sicht sinnvoll ist, wie Lesen, Musizieren oder Sport, nahm dagegen in der Corona-Zeit nur geringfügig zu.

„Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, dass wir unter Beachtung der Schutzmaßnahmen wieder zum normalen Schulunterricht zurückkehren. Wo Schließungen unvermeidlich sind, sollten die Schulen direkt auf Online-Unterricht umstellen“, sagt Ludger Wößmann. „Ziel muss es sein, dass wir nach den Sommerferien besser vorbereitet starten“, fordert der Professor.

Investitionsrückstand an deutschen Schulen

Die Corona-Krise bereitet auch den Kommunen Probleme, die die Schulgebäude unterhalten müssen. Das zeigen neue Zahlen der Förderbank KfW. Danach ist der Investitionsrückstand bei den Schulen auf 44,2 Milliarden Euro gewachsen. Und das, obwohl die Kommunen zuletzt 9,8 Milliarden Euro in die Schulen investiert hätten – doppelt so viel wie noch 2015.

Trotzdem reichen die Anstrengungen offenbar nicht aus, um den Rückstand aufzuholen. Die Gründe für den steigenden Investitionsbedarf sind laut KfW „neben einer regional ungleichen Entwicklung der Schülerzahlen vor allem zusätzliche Ausbaubedarfe durch gesetzliche Auflagen und steigende Standards.“ Neue Schulbauprojekte in Angriff zu nehmen falle den Kommunen auch deshalb schwer, weil die Verwaltungen und die Bauwirtschaft ausgelastet sind. Zudem fallen an alten Gebäuden Reparaturen an, was ebenfalls Kapazitäten binde.

Weil den Kommunen aufgrund der Corona-Krise Einnahmen weggebrochen sind, hätten diese nun noch weniger Spielraum für Investitionen, vermuten die Expert*innen der KfW. „Die Corona-Krise könnte eine traurige Zäsur in der positiven Entwicklung der kommunalen Investitionen im Schulsektor darstellen und für die Schulinfrastruktur zu einer langanhaltenden Belastungsprobe werden“, sagt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Für den notwendigen Schub bei der Digitalisierung der Schulen seien fehlende Finanzmittel ein Risiko.

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