Urteil des Bundesgerichtshofs

Crailsheim verliert Streit um sein Stadtblatt

Karin Billanitsch11. Januar 2019
Screenshot der Titelseite des Stadtblattes Crailsheim. Der Bundesgerichtshof der der Berichterstattung kommunaler Amtsblätter Grenzen gesetzt.
Eine Kommune darf ein kommunales Amtsblatt nicht kostenlos im gesamten Stadtgebiet verteilen lassen, wenn dieses presseähnlich aufgemacht ist und redaktionelle Beiträge enthält, die das Gebot der "Staatsferne der Presse" verletzen. Der Bundesgerichtshof hat der Klägerin „Südwestpresse“ gegen die Stadt Crailsheim Recht gegeben.

Jetzt steht es schwarz auf weiß im Urteilstenor: Das kostenlos verteilte Crailsheimer Amtsblatt, darf keine presseähnliche Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben in der Kommune machen, die das Gebot der "Staatsferne der Presse" (Art. 5, Abs. 1, Satz 2 Grundgesetz) verletzt. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Über die Verhandlung im September hatte demo-online berichtet. Geklagt hatte ein privates Verlagsunternehmen, in dem die Zeitung „Südwestpresse“ (SWP) erscheint. Ausgerechnet am 50.ten Jahrestag der Zeitung verkündeten die obersten Zivilrichter das Urteil. Am 20. Dezember 1968, war das „Crailsheimer Stadtblatt“ zum ersten Mal herausgekommen. „Mit dem Erscheinen dieses Wochenblattes konnte der Gemeinderat erstmals eine Möglichkeit eröffnen, sämtliche Familien unserer Stadt kostenlos über unser örtliches Geschehen zu informieren“, schrieb der damalige Bürgermeister Hellmut Zundel in seinem Vorwort.

Rechtsstreit bereits 1968

Es ist auch nicht der erste Rechtsstreit um das Stadtblatt: Wie in der aktuellen Ausgabe der Zeitung steht, ging die Lokalzeitung „Hohenloher Tagblatt“ im Jahr 1968 gehen die „von der Verwaltung getragene Konkurrenz“ vor. Damals allerdings ohne Erfolg: Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied im Jahr 1971 mit Bezug auf die Gemeindeordnung, dass „es legitime Aufgabe der Gemeinde ist, das allgemeine Interesse an der Gemeindeverwaltung zu fördern“ und dies auch „durch die Verbreitung periodischer Druckwerke geschehen“ könne. „Das Urteil bestätigte damals auch die Rechtsauffassung des baden-württembergischen Innenministeriums und des Städteverbandes“, heißt es weiter.

Das Amtsblatt hat einen amtlichen, einen redaktionellen und einen Anzeigenteil. Vertrieben wurde die Wochenzeitung zunächst kostenpflichtig im Abonnement sowie im Einzelhandel. Erst seit dem Jahr 2016 wird das Blatt kostenlos verteilt. Redaktionell wurde es indes stark zurückgefahren.  Zum bisherigen Prozessverlauf heiß es in einer Pressemitteilung des BGH, das Landgericht habe der Beklagten untersagt, „das Stadtblatt in seiner konkreten Gestaltung wöchentlich gratis an alle Haushalte der Gebietskörperschaft der Beklagten zu verteilen oder verteilen zu lassen.“ Das Berufungsgericht habe die Berufung im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, „im Hinblick auf das Gebot der Staatsferne der Presse dürfe in einem kommunalen Amtsblatt im Grundsatz ausschließlich über das eigene (hoheitliche) Verwaltungshandeln der betreffenden Gemeinde berichtet werden. Die Stadt Crailsheim hatte sich ihrerseits auf ihr kommunale Selbstverwaltung (Art. 28, Abs. 2, Satz 1 GG) berufen.

Grenze der kommunalen Pressearbeit

Die BGH-Richter folgten der Argumente der Vorinstanzen. Die Gemeinden haben zwar Äußerungs- und Informationsrechte; die Selbstverwaltungsgarantie erlaubt den Kommunen allerdings nicht „jegliche pressemäßige Äußerung mit Bezug zur örtlichen Gemeinschaft“ heißt es in der Pressemitteilung weiter. Die Richter stellen klar: „Kommunale Pressearbeit findet ihre Grenze in der institutionellen Garantie des Art. 5, Abs. 1, Satz 2 Grundgesetz.“

Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen sind deren Art und Inhalt sowie eine wertende Gesamtbetrachtung maßgeblich, stellten die Richter weiter fest. Demnach müssen staatliche Publikationen eindeutig – auch hinsichtlich Illustration und Layout – als solche erkennbar sein und sich auf Sachinformationen beschränken. Inhaltlich auf jeden Fall zulässig sind die Veröffentlichung amtlicher Mitteilungen sowie die Unterrichtung über Vorhaben der Kommunalverwaltung und des Gemeinderats. Unzulässig aber ist eine pressemäßige Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde; dieser Bereich ist originäre Aufgabe der lokalen Presse und nicht des Staates. Letztlich ist es eine Abwägung: Je stärker die kommunale Publikation den Bereich der ohne weiteres zulässigen Berichterstattung überschreitet und – auch optisch – als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wirkt, desto eher ist das Gebot der Staatsferne der Presse verletzt.

Inhalte bereits angepasst

Inhaltlich ist das Stadtblatt, wie es jetzt online zu sehen ist, bereits verändert worden, bestätigt die verantwortliche Susanne Kröper-Vogt, Ressortleiterin für Soziales und Kultur im Rathaus. Und wie geht es jetzt weiter? „Wir sind der Meinung, so wie das Stadtblatt jetzt ist, ist es rechtmäßig“, betont Kröper-Vogt. Die Texte beträfen jetzt nur noch Inhalte der Kommunalverwaltung selbst. Mit einer Ausnahme: Meldungen der Vereine und Kirchen sind noch enthalten. Das könne sich aber auch noch ändern. „Uns liegen die Urteilsgründe noch nicht vor. Wenn wir sie geprüft haben, könnte sich auch noch etwas ändern.“ Eventuell geht der Rechtsstreit in diesem Jahr in eine neue Runde: Wenn die Urteilsgründe des Bundesgerichtshofes nichts über Vereins- und Kirchenmeldungen besagen, dann wird darüber vor dem Oberlandesgericht verhandelt werden, kündigt Kröper-Vogt an.

Städtetag: „Kein Interesse an Wettbewerb“

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags kündigte an, das Urteil zu prüfen, wenn es im Wortlaut vorliegt, um mögliche Auswirkungen auf Städte genauer beurteilen zu können. Grundsätzlich gelte für den Städtetag: Amtsblätter mit redaktionellen Teilen seien eines von mehreren Mitteln, um den Informationsauftrag der Kommunen zu erfüllen. „Uns ist bewusst, dass kommunale Berichte dabei auch Grenzen beachten müssen. Jede Stadt muss allerdings selbst entscheiden können, ob sie in Amtsblättern auch mit redaktionell aufbereiteten Texten und Fotos informiert oder sich auf die Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen beschränkt.“ Er stellte aber auch klar: „Städte haben kein Interesse daran, durch eigene publizistische Tätigkeit in einen Wettbewerb mit Tageszeitungen zu treten.“

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