Luftverschmutzung

Diesel-Urteil: Deutsche Umwelthilfe siegt vor Verwaltungsgericht Stuttgart

Karin Billanitsch28. Juli 2017
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hält Fahrverbote für alte Dieselfahrzeuge für zulässig. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Die Stuttgarter Verwaltungsrichter haben entschieden: Der Luftreinhalteplan des Landes Baden-Württemberg ist unzureichend. Diesel-Fahrverbote sind demnach schon jetzt zulässig. Die DUH sieht einen „Sieg auf ganzer Linie“. Städtetagsvizepräsident Ulrich Maly fordert vom Bund die Einführung einer blauen Plakette.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht mit der Klage gegen das Land Baden-Württemberg einen Sieg errungen. Der Klage wurde „in vollem Umfang“ stattgegeben, teilte die DUH mit. Die Organisation hatte die Einführung von umfassenden Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge im gesamten Stadtgebiet gefordert. „Die Deutsche Umwelthilfe hat einen Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart um Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart führen“ heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Die Verhandlung über die Fortschreibung des Luftreinhalteplans in Stuttgart hatte kürzlich stattgefunden. Das Urteil war mit Spannung erwartet worden.

Fahrverbot: Kein Verstoß gegen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Der Vorsitzende Richter Wolfgang Kern führte in der Urteilsbegründung aus, das Verkehrsverbot verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, „weil der Gesundheitsschutz höher zu gewichten ist als das Recht auf Eigentum und die allgemeine Handlungsfreiheit der vom Verbot betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer“.

Alle anderen von der Planungsbehörde in Betracht gezogenen Maßnahmen (Geschwindigkeitsbeschränkungen, Verkehrsverbote nach Kfz-Kennzeichen, City-Maut, Nahverkehrsabgabe und sog. „Nachrüstlösung“) sind von ihrem Wirkungsgrad nicht gleichwertig, stellte der Richter fest. Dies gelte insbesondere auch für die von der Landesregierung und der zuständigen Planbehörde zuletzt als vorzugswürdig erachtete sogenannte „Nachrüstlösung“, heißt es weiter. Denn selbst wenn man eine freiwillige Umrüstquote von 100 % bis 2020 unterstellt, gehen die Gutachter des Beklagten bis 2020 lediglich von einer Reduzierung der überschrittenen Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwerte um maximal 9 Prozent aus.  

„DUH: Überraschend deutliches Urteil“

Damit habe das Gericht „überraschend deutlich“ in seinem Urteil diese Maßnahme als ungenügend bewertet, so die DUH. Sie fühlt sich „dadurch in ihrer grundsätzlichen Kritik an der Zielsetzung des „Nationalen Forums Diesel“ am 2. August 2017 in Berlin bestätigt, das ebenfalls auf freiwillige Maßnahmen der Autokonzerne hofft. Remo Klinger, der die DUH als Rechtsanwalt in diesem und in 15 anderen Verfahren zur Luftreinhaltung vertritt, sagte: „Wir haben auf ganzer Linie gewonnen. Das Gericht hat die Behauptungen des Ministeriums zur Wirksamkeit von Software-Updates nicht einfach hingenommen, sondern hinterfragt und im Ergebnis zu Recht verworfen.

Damit liege die zweite Grundsatzentscheidung vor, die Diesel-Fahrverbote schon jetzt als zulässig und geboten ansieht. Remo wies darüber hinaus darauf hin, für Düsseldorf sei dies ebenso entschieden worden.„ Das Verwaltungsgericht Stuttgart geht inhaltlich noch über die Entscheidung aus Düsseldorf hinausgegangen, indem es die Verkehrsbeschränkungen nicht nur auf einzelnen Straßen, sondern in der gesamten Umweltzone zulässt.“

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim und die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen, hieß es in der Mitteilung. Diese können innerhalb eines Monats nach Zustellung der vollständigen Entscheidungsgründe beantragt werden.

Ulrich Maly: „Schnelle und wirksame Lösungen“

Nach dem Diesel-Urteil in Stuttgart forderte der Vizepräsident des Deutschen Städtetags Ulrich Maly gegenüber dem „Tagesspiegel“ „schnelle und wirksame Lösungen. „Wir wollen als Verantwortliche in den Städten keine Fahrverbote, aber wenn wir von Richtern gezwungen werden, zu handeln, ist ein Instrument wie die Blaue Plakette nötig.“

In einer ersten Reaktion auf das Diesel-Urteil sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt in Berlin: „Das Gericht hat erst einmal festgestellt, dass der Luftreinhalteplan für Stuttgart nachgebessert werden muss.“ Jetzt müsse zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden. Er verwies Medienberichten zufolge darauf, dass beim Diesel-Gipfel von Bundesregierung, Industrie und Ländern weitere Beschlüsse gefällt würde, die das Gericht noch gar nicht berücksichtigen konnte.