Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) in Leipzig

Diesel-Urteil: Fahrverbote sind möglich

Christian Rath27. Februar 2018
Durchfahrt verboten
Durchfahrt verboten: Dieses Schild könnte demnächst insbesondere für Diesel-PKW-Fahrer gelten.
Fahrverbote für Dieselfahrzeuge sind heute schon rechtlich möglich – wenn sie die einzige Möglichkeit sind, die Luftgrenzwerte einzuhalten. Das entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig.

Schon seit Jahren werden in vielen Städten die seit 2010 verbindlichen Grenzwerte für Stickoxide (NOx) überschritten. Die jeweiligen Bundesländer müssen deshalb Luftreinhaltepläne aufstellen, in denen sie beschreiben, wie die Grenzwerte künftig eingehalten werden sollen. Kein einziges Bundesland hat bisher Dieselfahrverbote vorgesehen, obwohl Diesel-Kfz für 60-70 Prozent der NOx-Belastung verantwortlich sind. Die Länder scheuen jedoch den Konflikt mit Dieselfahrern und der Auto-Industrie. Sie behaupteten zudem, dass solche Fahrverbote derzeit rechtlich gar nicht möglich seien.

DUH und BUND klagen

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt derzeit auf Verschärfung der Luftreinhaltepläne für 19 Städte; nur in Hamburg klagt der BUND. Die Rechtsprechung war bisher uneinheitlich. Die Verwaltungsgerichte (VG) in Düsseldorf und Stuttgart hielten Fahrverbote für möglich. Der Verwaltungsgerichtshof München hielt Diesel-Beschränkungen zwar für unerlässlich, derzeit aber nicht umsetzbar, weil das passende Verkehrsschild fehle. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand das Urteil des VG Stuttgart, das ein ganzjähriges flächendeckendes Fahrverbot für alle Diesel-Fahrzeuge unterhalb der Norm „Euro 6” für die einzig erfolgversprechende Maßnahme hielt.

In Leipzig ging es nun nur um die Frage, ob die Länder rechtlich die Möglichkeit haben, Fahrverbote in hochbelasteten Städten anzuordnen. Die Leipziger Richter stellten fest, dass solche Fahrverbote eigentlich nach deutschem Recht nicht vorgesehen sind. Das deutsche Recht müsse hier aber „unangewendet“ bleiben, wenn sonst die aus dem Europarecht stammenden Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Das BVerwG folgte damit der Argumentation von DUH-Anwalt Remo Klinger.

Klare Vorgaben zur Verhältnismäßigkeit

Das BVerwG änderte aber die Urteile aus Stuttgart und Düsseldorf, indem es klare Vorgaben zur Verhältnismäßigkeit machte. Fahrverbote für Diesel-Kfz nach der bis Ende 2015 geltenden Norm „Euro 5” dürfen von den Ländern frühestens im September 2019 eingeführt werden. Nur Fahrverbote für Diesel-Kfz der Normen „Euro 4” und niedriger dürfen schon vorher angeordnet werden. Euro-5-Diesel haben aber wohl noch den größten Anteil an allen Diesel-Kfz. Außerdem verlangt das BVerwG Ausnahmen für Handwerker und „bestimmte Anwohnergruppen”. Gemeint sind mit Letzterem wohl Lieferverkehre zu Händlern und Gaststätten.

Richter: Entschädigung nicht erforderlich

Eine Entschädigungsregelung sei nicht erforderlich, erklärte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher. Ein Fahrverbot sei eine „Inhaltsbestimmung” des Eigentums. Sie wäre nur entschädigungspflichtig, wenn sie unverhältnismäßig wäre. Das wollen die Richter aber durch die vorgesehenen Übergangs- und Ausnahmeregeln vermeiden. Korbmacher geht auch davon aus, dass „kein völliger Zusammenbruch des Diesel-Gebrauchtwarenmarktes” droht. Schließlich sei nur in wenigen Ballungsräumen mit Fahrverboten zu rechnen. Gewisse Wertverluste seien hinzunehmen.

Zwar sind Diesel-Fahrverbote derzeit schlecht kontrollierbar, denn die Bundesregierung verweigert die Einführung der sogenannten „blauen Plakette” für relativ saubere Fahrzeuge. Dadurch würden Fahrverbote aber nicht unzulässig, so Richter Korbmacher. So könne etwa bei parkenden Autos anhand des Kfz-Kennzeichens beim Kraftfahrbundesamt die technischen Daten des Fahrzeugs abgefragt und bei Verstößen Bußgelder verhängt werden.

NRW-Regierung muss nachlegen

Die NRW-Landesregierung, die bisher Begrenzungen des Dieselverkehrs nicht ernsthaft in den Blick genommen hat, muss dies nun nachholen, so Richter Korbmacher und Fahrverbote anordnen, wenn sie die einzige Möglichkeit sind, die Grenzwerte einzuhalten. Dies gilt nicht nur für den Luftreinhalteplan Düsseldorf, sondern auch für die anderen betroffenen NRW-Städte, etwa Köln und Bonn.

DUH-Chef Jürgen Resch geht davon aus, dass in rund 25 deutschen Städten die NOx-Werte so hoch sind, dass nur Fahrverbote helfen können. Dort müssen die Länder nun die entsprechenden Luftreinhaltepläne um Fahrverbots-Regeln ergänzen. Da es sich um ein relativ aufwändiges Verfahren mit Bürgerbeteiligung handelt, wird es in den kommenden Monaten zunächst keine Fahrverbote geben. Das BVerwG nannte bisher auch keine Frist. DUH-Mann Resch nimmt an, dass die Pläne Ende des Jahres verschärft sind. Uwe Lahl (Grüne), Amtsschef im Stuttgarter Verkehrsministerium, hält erste Fahrverbote eher „Anfang 2019” für realistisch.

(mit KBI)

 

Geld für Elektrobusse und ein günstiger ÖPNV

Im Rahmen des Sofortprogrammes „Saubere Luft“ stellt der Bund ab sofort Fördergelder für die Beschaffung von Elektrobussen bereit. Das teilte das Bundesumweltministerium am Montag mit. Die EU-Kommission habe einer Förderrichtlinie des Umweltministeriums zugestimmt. Sie sieht vor, dass der Bund bis zu 80 Prozent der Investitions-Mehrkosten (im Vergleich zu Dieselfahrzeugen) übernehmen kann. Voraussetzung ist, dass der Verkehrsbetrieb mehr als fünf batteriebetriebene Busse anschafft. Förderfähig sind auch die dazugehörende Ladeinfrastruktur und Maßnahmen wie Schulungen oder neue Werkstattausstattungen. Plug-In-Hybridbusse werden wie bisher mit bis zu 40 Prozent der Investitionsmehrkosten gefördert. Das Ministerium stellt für die Förderung vorerst kurzfristig 35 Millionen zur Verfügung. Die Mittel sollen zeitnah aufgestockt werden.

Außerdem gab das Umweltministerium bekannt, dass die Bundesregierung ihre Bedingungen für die fünf „Modellstädte zur Luftreinhaltung“ konkretisiert habe. Überlegungen, dort einen komplett kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auszutesten, sind demnach vom Tisch. Dafür soll der ÖPNV ausgebaut werden. Zudem könnten die Einwohner der Modellstädte, „die nachweislich auf den PKW verzichten und auf das öffentliche Bus- und Bahnangebot oder den Radverkehr umsteigen, Vergünstigungen bei der Nutzung des ÖPNV, beim Carsharing und bei Fahrradverleihsystemen erhalten“, so das Umweltministerium. Die Bundesregierung werde für einen begrenzten Zeitraum besonders günstige ÖPNV-Angebote erproben lassen und unterstützen, sofern diese von Kommunen vorgeschlagen werden.

Die fünf Modellstädte sind Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen. Sie wollen Projekte für saubere Luft unter verschiedenen Bedingungen testen und werden dabei vom Bund unterstützt. Bedingung laut Regierung: „Die Projekte müssen sich möglichst noch 2018 und bis spätestens 2020 realisieren lassen und sich nachweislich positiv auf die Luftqualität auswirken. Alle Projekte werden auf ihre Effizienz hin evaluiert.“

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