Altersfreundliche Kommunen

Dritte Orte für Senior*innen

Karin Billanitsch03. November 2023
Gemeinsam mit anderen ein Hobby ausüben, etwa einen Handarbeitskurs – das kann Einsamkeit im Alter lindern.
Gutes Altwerden braucht Begegnungsstätten. Eine neue Studie über altersfreundliche Kommunen hat die Körber-Stiftung gemeinsam mit dem Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung vorgestellt.

Aus Wien stammt der treffende Ausspruch über die legendären Kaffeehäuser der Stadt: nicht daheim sein und doch zu Hause. Es sind Orte der Begegnung, die weder in den eigenen vier Wänden sind, noch auf der Arbeit. Solche Räume dürften den Autor*innen der Studie „Dritte Orte. Begegnungsorte für die altersfreundliche Stadt” vorgeschwebt haben. Sie ist am Donnerstag von der Körber-Stiftung gemeinsam mit dem Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung veröffentlicht worden.

Schon in den 80er Jahren hat der Soziologe Ray Oldenburg für Orte des gesellschaftlichen Miteinanders den Begriff des „Dritten Ortes“ geprägt. Vom Stadtteilzentrum bis zum Schwimmbad: Dritte Orte sind offene und kommunikative Orte, die für alle zugänglich sind. Sie sind wichtig, damit ältere Menschen nicht vereinsamen. „Kommunen müssen sich in Anbetracht der demografischen Entwicklungen aktiv dafür einsetzen, altersfreundlich zu werden“, sagt die Direktorin des Berlin-Instituts Catherina Hinz.

Dabei gewinnen offene und für alle zugängliche Orte an Bedeutung. Dritte Orte seien ein zentrales Element, damit ältere Menschen am gesellschaftichen Leben teilhaben können, betont Hinz. Denn am Ende eines langen Arbeitslebens fallen die Kontakte am Arbeitsort weg, und gleichzeitig wird bei manchen Senior*innen das Zuhause einsamer. Und nicht jede und jeder kann sich es sich leisten, regelmäßig ins Kaffeehaus, in ein Konzert oder ins Theater zu gehen.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Kommunen können die Teilhabe Älterer gezielt fördern, aber wie? Allgemein stellen die Autor*innen fest, dass die Orte der Begegnung, „kommunikativ, zwanglos und leicht erreichbar“ sein müssen. Das kann das Dorfhaus sein, der Sportverein, der Supermarkt mit Kaffeeecke, die örtliche Bibliothek, der Senior*innentreff. „Solche Begegnungsorte müssen gar nicht immer neu erfunden werden. Bestehende Orte sollten aber kreativ genutzt werden“, heißt es in der Studie.

Die Veröffentlichung stellt außerdem viele Beispiele vor. So können öffentliche Bibliotheken speziell für Ältere literarische Spaziergänge organisieren, Vorlesenachmittage oder Lesecafés anbieten, wie zum Beispiel in den Hamburger Bücherhallen. Das Hamburger Programm „Silver und Smart“ bildet Menschen ab 60 im Umgang mit digitalen Medien aus. Die Autor*innen haben viele Beispiele aus der Praxis zusammengetragen: In Helsinkis Stadtbibliothek findet man im Erdgeschoss keine Bücher, sondern ein Restaurant, ein Kino, Räume zum Musizieren, ein Nähstudio oder eine Werkstatt. Die Broschüre kann hier heruntergeladen werden

Soziokulturelle Zentren

Dort, wo es kaum klassische Kultureinrichtungen gibt, auf dem Land zum Beispiel, können alternative soziokulturelle Zentren das Miteinander fördern. Auch die Körber-Stiftung selbst kooperiert in Hamburg-Bergedorf mit dem Bezirksamt und hat auf 6.000 qm Fläche einen Treffpunkt für alle eröffnet.

Die Leiterin des Bezirksamts Cornelia Schmidt-Hoffmann wird in der Studie zitiert: „Von unserer Seite war es der Wunsch, alle unsere operativen Angebote zu Alter und Demografie an einem neuen, attraktiven Ort zu bündeln.“ Das sei Neuland für die öffentliche Hand gewesen. Normalerweise würden die Gebäude des Bezirks einem Träger zur Verfügung gestellt, der dort in eigener Regie arbeitet. Das Körber-Haus werde mit der Stiftung zusammen betrieben, was funktionierende Abstimmungsprozesse erfordere. 

Blick in nahe Zukunft

Als Fazit werfen die Studienautoren einen Blick in die nahe Zukunft: „Wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer nach und nach in Rente gehen, dürfte die Nachfrage nach dritten Orten, die (auch) Menschen jenseits des Erwerbsalters anziehen, in absehbarer Zeit steigen. Dritte Orte müssen ihr Angebot anpassen und vielfältiger gestalten.“

Die Forscher erwarten, dass die Generation, die nach 1968 aufgewachsen ist, andere Ansprüche haben wird als früher. „Die Vermutung liegt nahe, dass sie sich von herkömmlichen Angeboten für Senior*innen nicht angesprochen fühlen. Sie dürften sich eher für Orte interessieren, die zum aktiven Mitwirken einladen, Freiraum für Austausch, Kreativität, Lernen und neue Ideen bieten“, so die Expert*innen.

Und: „Ein „bisschen Anarchie“ dürfe auch sein. Dritte Orte müssten nicht komplett durchstrukturiert sein, damit sie ein Erfolg werden. Hingehen, sich überraschen lassen, wem man begegnet, oder einfach nur zuschauen. Die Wiener wissen das schon lange.

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