Interview mit SPD-Politikerin Faber-Steinfeld

Erfurter Moscheebau: „Das Gespräch ist das Allerwichtigste”

Carl-Friedrich Höck21. November 2018
Ein geplanter Moschee-Neubau in Erfurt hat nicht nur Anwohner in Aufregung versetzt. Rechtsextreme nutzten das Projekt für eine Anti-Islam-Kampagne. In der vergangenen Woche wurde der Grundstein gelegt. Die DEMO sprach darüber mit der SPD-Politikerin Verona Faber-Steinfeld.

DEMO: Um den Neubau einer Moschee in Erfurt-Marbach ist monatelang gestritten worden. Sind Sie froh, dass nun der Grundstein gelegt wurde?

Faber-Steinfeld: Ja. Seit die Baugenehmigung erteilt wurde, ist es um das Projekt etwas ruhiger geworden. Der Baubeginn schafft Tatsachen. Bürger und Ahmadyya-Gemeinde müssen nun das tun, was ohnehin wichtig ist: miteinander kommunizieren.

Kamen die Proteste gegen den Moscheebau aus Marbach, oder haben ihn Leute von außerhalb in das Stadtviertel getragen?

Faber-Steinfeld: Sowohl als auch. Es gab von Anfang an eine größere Gruppe von Leuten in Marbach, die nicht wollten, dass eine Moschee in ihrer Nähe entsteht. Die Ängste, die diese Leute hatten, wurden durch äußere Anreize noch intensiviert. Dann gab es Aktionen wie das Aufspießen von Schweineköpfen auf dem Gelände oder eine Demonstration, wo sich Moschee-Gegner mit Niqabs verkleidet haben. Das kam wohl eher von außerhalb. Von draußen wurde eine Schärfe in die Debatte getragen, die mir persönlich Angst gemacht hat.

Es ist der erste Neubau eines muslimischen Gotteshauses in Thüringen. Bauherr ist die Ahmadiyya-Gemeinde – eine kleine Sondergemeinschaft im Islam, die Gewaltfreiheit predigt und gleichzeitig stark missionarisch ausgerichtet ist. Warum baut nun ausgerechnet eine so kleine Gemeinde mit gerade einmal 30 Mitgliedern in Erfurt die erste Moschee?

Faber-Steinfeld: Mein Eindruck ist, dass es eine gut organisierte und strukturierte Gemeinde ist. Was sicher auch daran liegt, dass diese Glaubensrichtung innerhalb der islamischen Welt oft verfolgt wurde. Die Frage müsste lauten: Warum bauen die anderen Gemeinden keine Moscheen? Vielleicht liegt es am Geld – die Ahmadyya-Gemeinde baut ihre Moschee ja selbst und nicht, wie manche denken, die Stadt Erfurt. Wir haben aber auch eine bestehende Moschee in Erfurt, da gehen mehr als 200 Menschen hin zum Freitagsgebet.

Die AfD wollen den Bau mit einem Bürgerentscheid verhindern. Die Stadt lehnte das ab: Der Antrag widerspreche dem Bauplanungsrecht. Können Sie das genauer erklären?

Faber-Steinfeld: Es gibt für diese Gegend einen Flächennutzungsplan. Die Ahmadyya-Gemeinde hat sich bewusst entschieden, nicht in einem Wohngebiet zu bauen, sondern in einem Gewerbegebiet. Dort sieht das Baurecht vor, dass religiöse Bauten errichtet werden können. Und aufgrund dieses Baurechtes wurde die Genehmigung erteilt.

Natürlich gab es vor der Baugenehmigung auch eine Diskussion, in der sich die Bürger einbringen konnten. Man hat geprüft, was das Gesetz vorgibt. Über Parkplätze wurde diskutiert, über die Höhe des Minarettes oder Lärmschutz. Es gab auch Widersprüche von Leuten, die gar nicht dazu berechtigt waren. All das wurde geprüft, und am Ende wurde die Baugenehmigung erteilt.

Die AfD und Rechtsextreme haben die Neubau-Debatte für eine Anti-Islam-Kampagne genutzt – auf der Straße und in den Sozialen Medien. Wie können sozialdemokratische Kommunalpolitiker mit solchen Kampagnen umgehen?

Faber-Steinfeld: Das Gespräch ist mit das Allerwichtigste. Man muss sich anhören, was die Menschen bewegt, dagegen zu sein. Da kam etwa das Argument: Die können doch in eine andere Moschee gehen. Aber das geht eben nicht, denn es gibt unterschiedliche Gruppierungen im Islam. Und ein Katholik geht ja auch nicht in eine evangelische Kirche.

Außerdem haben sich ganz viele Gerüchte gebildet. Deshalb muss man immer wieder Wissen teilen und zuhören. Mit den neuen Sozialen Medien ist das etwas anstrengend. Sie bieten viele neue, positive Möglichkeiten. Aber sie wurden auch von den Moschee-Gegnern geschickt genutzt, um Teilinformationen zu streuen. Es müssen gar nicht immer Falschinformationen sein: Wenn ich die Hälfte von etwas weglasse, ergänzt der Leser den Rest.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Faber-Steinfeld: Ich bin von einem Marbacher Bürger angesprochen worden: Er habe gehört, dass es ein Minarett geben würde und die Umgebung mit islamischen Rufen beschallt wird. Die Wahrheit ist: Es wird nur ein Zierminarett geben und keine Gebetsrufe, die nach draußen dringen. Eine andere Sorge war, dass es zum Freitagsgebet ein Verkehrschaos geben könnte. Das ist aber sehr unwahrscheinlich, schließlich hat die Gemeinde in Erfurt gerade einmal 30 Mitglieder und die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist sehr gut.
 
Der Mensch weiß wenig, das kann man ihm nicht vorwerfen. Wer in Marbach wohnt, kennt nicht unbedingt die Unterschiede zwischen den muslimischen Religionsgemeinschaften. Für uns gibt es nur den Begriff „Islam“. Dazu haben wir Bilder im Kopf: Von Dschihad, von Attentaten. Und wir sehen Menschen, die aufgrund ihrer Kleidung klar als Muslime erkennbar sind. Das ganze vermischt sich in unserem Kopf zu einer großen Angst: Rückt mit der Moschee eine Gefahr in unsere Nähe, die wir nicht beurteilen können? Mit wem man es zu tun hat und ob man sich vertrauen kann, weiß man oft erst, wenn man sich kennengelernt hat.

Glauben Sie, dass von dem Moscheebau in Erfurt ein Signal ausgeht? Er macht die Tatsache, dass es auch in Erfurt Muslime gibt, im öffentlichen Raum ein Stück sichtbarer. Kann das ein Anreiz sein, dass Muslime und Nicht-Muslime miteinander ins Gespräch kommen?

Faber-Steinfeld: Ich würde mir das wünschen, glaube es aber nicht. In Erfurt hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert. Es ist nicht lange her, da hat man in der Stadt kaum einen Menschen gesehen, der sichtbar Wurzeln im Ausland hat. Aufgrund des Flüchtlingszuzuges hat sich das schlagartig geändert. Nun sieht man Geflüchtete, die sich tagsüber im Stadtzentrum am Anger treffen, weil sie nicht arbeiten dürfen oder können. Diese Entwicklung ging schnell, das war man nicht gewohnt, und das macht vielen Menschen Angst.

Verona Faber-Steinfeld gehört der SPD-Stadtratsfraktion in Erfurt an und ist Mitglied im Fraktionsvorstand.

weiterführender Artikel