Interview mit Schmalkaldens Bürgermeister

„Fairtrade setzt dem Egoismus etwas entgegen”

Carl-Friedrich Höck06. Februar 2017
Thomas Kaminski
Thomas Kaminski (parteilos, von der SPD unterstützt) ist Bürgermeister von Schmalkalden.
Seit November 2016 ist das thüringische Schmalkalden „Fairtrade Town” – wie hunderte andere Kommunen auch. Im DEMO-Interview erklärt Bürgermeister Thomas Kaminski, warum sich die Stadt der Kampagne angeschlossen hat und wie es jetzt weitergeht.

DEMO: Herr Bürgermeister, ist das Thema Fairtrade-Town in Schmalkalden Chefsache?

Thomas Kaminski: Ja! Das war es aber nicht von Anfang an. Wir haben ein Stadtratsmitglied, das sich auch im BUND und im Eine-Welt-Bereich engagiert. Derjenige hat im vergangenen Sommer einen Antrag eingebracht, dass Schmalkalden Fairtrade-Town werden soll. Ich habe mich mit dem Thema daraufhin intensiver beschäftigt. In der Diskussion mit den Amtsleitern wurde dann schnell deutlich, wie viele gute Gedanken damit verbunden sind. Also haben wir uns vorgenommen: Wir wollen nicht nur irgendein Zertifikat anstreben, sondern wir wollen das Thema sehr ernst nehmen und in der Verwaltung verankern.

Was hat denn die Stadt so von dem Thema überzeugt?

Eines vorneweg: Nachhaltigkeit ist für uns als Stadt schon länger ein Thema. Wir arbeiten zum Beispiel daran, den Papierverbrauch zu reduzieren und verwenden möglichst Recycling-Papier. Und wir kaufen gerade neue Schutzkleidung für die Feuerwehr – da achten wir darauf, dass alle Nachhaltigkeitszertifikate vorliegen. Meiner Meinung nach gehört fairer Handel zu nachhaltigem Wirtschaften dazu.

Wir leben in einer Welt, die zunehmend von Egoismus geprägt ist, wie auch die Wahl von Donald Trump zeigt. Das Gefälle von Reichtum und Armut wird immer größer. Fairtrade setzt dem etwas entgegen. Es geht um „leben und leben lassen“.

Wie weit sind Sie auf dem Weg zur Fairtrade-Stadt?

Noch relativ am Anfang. Was wir jetzt schon umsetzen, sind die Miminal-Anforderungen der Kampagne. Etwa, dass an meine Gäste fair gehandelter Kaffee ausgeschenkt wird oder fair gehandelter Konfekt. Und es gibt bei uns Einzelhändler, die fair gehandelte Produkte anbieten, auch das ist eine Bedingung. Wenn wir Geschenkkörbe oder Präsente überreichen – zum 90. Geburtstag oder zur Auszeichnung von Ehrenamtlichen – bestücken wir das jetzt auch mit fair gehandelten Produkten. Die Ehrenamtlichen sind ja auch Multiplikatoren. Wir hoffen, dass sie den Gedanken weitertragen. Darüber hinaus unterstützen wir als Stadt den Eine-Welt-Verein und stellen zum Beispiel kostenfrei Räume und Technik für Veranstaltungen zur Verfügung.

Schmalkalden
Altstadt von Schmalkalden mit Rathaus und Stadtkirche St. Georg am Altmarkt. © Mtrienke, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org

Und was ist noch geplant?

Wenn unsere Mitarbeiter und Stadträte das Thema ernst nehmen, wird es wie ein Schneeballsystem: Wir haben eine Diskussion begonnen über Nachhaltigkeit und Fairtrade und stellen fest, die Themen werden immer umfassender. Das bedeutet für uns aber nicht zwingend mehr Arbeit, etwa bei einem Beschaffungsprozess. Wir werden einfach in Zukunft mehr auf Aspekte wie Nachhaltigkeit und Fairtrade achten. Ein Beispiel: Vor acht Jahren haben wir begonnen, die Innenstadt neu zu pflastern. 30 Prozent davon waren chinesisches Pflaster, aus Kostengründen. Das würden wir heute vielleicht nicht mehr so machen. Aber natürlich ist das ein Prozess: Wirtschaftliche Aspekte und fairen Handel müssen wir unter einen Hut bekommen.

Ein weiteres Thema finde ich unglaublich spannend: Wie kann Entwicklungshilfe auf eine kommunale Ebene heruntergebrochen werden? Diesen Gedanken wollen wir zusammen mit dem genannten Stadtratsmitglied ausbauen. Wir wollen Wissenstransfer gewährleisten, vielleicht auch direkte Wirtschafts- und Handelsbeziehungen aufbauen. Eine passende Partnerstadt suchen wir noch. Die könnte nach den Vorgaben des Entwicklungsministeriums des Bundes in der Ukraine liegen, im Nahen Osten oder Afrika.

Der Ratsbeschluss zur Teilnahme an der Fairtrade-Kampagne war einstimmig. Gab es im Vorfeld gar keine Kritik?

Kritische Stimmen gab es nicht, das kann ich ganz klar sagen. Das liegt wohl auch daran, dass der Eine-Welt-Laden in Schmalkalden seit 20 Jahren existiert und eine besondere Rolle spielt. Allerdings habe ich mitbekommen, dass zwei oder drei Stadträte nach dem Beschluss mit einem Augenzwinkern gesagt haben: Wir machen das mal, aber was bringt so eine Aktion in Schmalkalden, das rettet die Welt auch nicht. Aber wenn jeder so denkt ist die Welt tatsächlich nicht zu retten. Irgendeiner muss anfangen, und wir sind ja auch nicht die ersten. Je mehr Städte es werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Ganze funktioniert.

Welchen Rat geben Sie anderen Städten und Gemeinden mit auf den Weg, die überlegen, ob sie sich der Kampagne anschließen?

Es braucht Personen und Multiplikatoren, die sagen; Wir finden es wichtig, dass wir einen globalen, fairen Handel unterstützen. Das kann nicht nur der Bürgermeister sein. Man muss davon überzeugt sein, und zwar zutiefst. Und es braucht Leute, die sich hierfür engagieren und auch mal hartnäckig sind.

Das zweite ist: Wenn es diese Menschen in der Kommune gibt, muss man versuchen, den Stadtrat und die eigene Verwaltung von dem Gedanken zu infizieren und sie zu begeistern. Fairtrade-Town ist kein Projekt, dass man alleine umsetzen kann. Sonst verpufft das und man reibt sich auf. Fairtrade ist ein Gedanke, den eigentlich jeder Mensch für eine gute Sache halten muss. Ich glaube fest daran, dass der Mensch im Grunde seines Herzens ein gutes Wesen ist. Und hier hat man die Chance, tatsächlich Gutes zu tun. Fairer Welthandel führt auch dazu, dass weniger Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen – und das vergangene Jahr hat gezeigt, dass uns das nicht nur in der Theorie, sondern auch direkt betrifft.