Kommunen auf Facebook

Warum Fanpages auf Facebook abgeschaltet werden könnten

Ulf Buschmann12. April 2023
Facebook im Facebook der Datenschützer.
Fanpages von Facebook verstoßen gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Zu diesem Ergebnis sind die Autoren eines Kurzgutachtens im Auftrag einer Fachkonferenz gekommen. Dies kann dazu führen, dass Kommunen auf ihre Facebook-Präsenz verzichten müssen.

Wie komme ich an eine Bescheinigung? Wo kann ich was erledigen? Wer Fragen in Sachen Dienstleistung seiner Kommune hat, sucht seine Antworten häufig über Social Media. Dies haben Wissenschaftler*innen längst nachgewiesen. Nicht umsonst betreiben viele Kommunen eigene sogenannte Fanpages auf Facebook. Diese bieten entweder kurz und knackig alle notwendigen Informationen oder führen die Wissbegierigen zur Internetseite der Kommune.

Doch mit dieser Online-Bequemlichkeit könnte es über kurz oder lang vorbei sein. Denn spätestens seit dem 18. März 2022 ist klar, dass Facebook beziehungsweise sein Mutterkonzern Meta gegen die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen. So steht es in einem 40 Seiten umfassenden Kurzgutachten der Datenschutzkonferenz (DSK): „Für die bei Besuch einer Fanpage ausgelöste Speicherung von in den Endeinrichtungen der Endnutzer:innen und den Zugriff auf Informationen, die bereits in der Endeinrichtungen gespeichert sind, sowie für die Verarbeitungen personenbezogener Daten, die von Seitenbetreibern verantwortet werden, sind keine wirksamen Rechtsgrundlagen gegeben. Darüber hinaus werden die Informationspflichten aus Art. 13 DSGVO nicht erfüllt. Heißt: Menschen werden nicht darüber informiert, welche Daten von ihnen erhoben werden.“

„Task Force Facebook-Fanpages“

Schon kurz nach der Veröffentlichung des Gutachtens ist die „Task Force Facebook-Fanpages“ der Datenschutzkonferenz aktiv geworden. Die Task Force, auf Deutsch so etwas wie eine schnelle Eingreifgruppe, beschloss am 23. März 2022, das die DSK-Mitglieder „darauf hinwirken, dass von Landes- bzw. Bundesbehörden betriebene Facebook-Fanpages deaktiviert werden, sofern die Verantwortlichen die datenschutzrechtliche Konformität nicht nachweisen können“.

Seitdem sind die Datenschutzberauftragten mit ihren Landesministerien sowie allen nachgeordneten Stellen „im Gespräch“. Dies ist die meistbenutzte Antwort auf eine Umfrage der DEMOKRATISCHEN GEMEINDE. Das Ziel: Die Landesbehörden müssen nachweisen, dass ihre jeweiligen Fanpages der Datenschutzgrundverordnung entsprechen. Auch die Kommunen unterliegen dieser Pflicht. Denn: Die Autoren des DSK-Kurzgutachtens nehmen ausdrücklich alle öffentlichen Stellen in die Pflicht.

Aufforderung in Sachsen

Die Daumenschrauben ausgerechnet bei den Kommunen anzusetzen, ist nicht das Ziel der Landesdatenschutzbeauftragten. Ihre Strategie ist vielmehr, diese entsprechend zu informieren und zu beraten. Das alles verlief in den vergangenen Monaten eher weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit ab – bis bekannt wurde, dass Sachsens Datenschutz- und Transparenzbeauftragte Dr. Juliane Hundert die Regierung des Freistaats aufforderte, bis 31. März eine Stellungnahme zu ihren Facebook-Seiten abzugeben und mitzuteilen, bis wann diese gedenkt, die Seiten abzuschalten. Ähnliches befürchten nun auch die Kommunen im südöstlichsten Bundesland.

Dabei seien die Kommunen gar nicht angesprochen worden, erklärt Hundert-Sprecher Björn-Hendrik Lehmann: „Die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte hat (…) die kommunalen Spitzenverbände auf die aktuelle Rechtsprechung und das Gutachten der Datenschutzkonferenz hingewiesen und deutlich gemacht, dass ein datenschutzgerechtes Betreiben einer Facebook-Fanpage aktuell nicht möglich ist.“ Allerdings laufe gegen eine Kommune „ein Aufsichtsverfahren wegen der Nutzung einer Facebook-Fanpage“. Welche Kommune es betrifft, will Lehmann mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht sagen.

Mängel auch auf anderen Plattformen

Probleme mit dem Datenschutz sehen die Beauftragten der Länder nicht nur bei Facebook. Auch andere beliebte Kanäle wie das ebenfalls zu Meta gehörende Instagram und das vor allem bei jungen Leuten beliebte TikTok würden gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen. „Da Instagram ebenfalls vom Meta Platforms betrieben und dort vergleichbare Datenverarbeitungen vorgenommen werden, gelten weitgehend die gleichen Aussagen wie in Bezug auf die Nutzung von Facebook“, sagt Dr. Christoph Lahmann stellvertretender Leiter der niedersächsischen Landesdatenschutzbehörde.

„Gegen TikTok wird aktuell ein Verfahren bei der zuständigen irischen Aufsichtsbehörde wegen verschiedener Rechtsverstöße geführt“, ergänzt eine Sprecherin von Sachsen-Anhalts Datenschutzbeauftragten Albert Cohaus. Nicht nur seine Behörde, sondern auch alle anderen raten den Kommunen vor diesem Hintergrund, von TikTok die Finger zu lassen. Gleiches gilt für Twitter und das zum Google-Mutterkonzern gehörende Youtube.

Beispiel Baden-Württemberg: Die Ministerien, Behörden und nachgeordneten Stellen sind inzwischen beim Dienst Mastodon sowie der Youtube-Alternative PeerTube vertreten. Das Prinzip von Mastodon: Es gibt nicht einen großen Server mit Datenbestand, sondern jeder Nutzer kann eine eigene sogenannte Instanz betreiben. Hierzu hat sich Baden-Württemberg entschieden.

Klage der Bundesregierung

Die Landesdatenschutzbeauftragten vermuten, dass sich bei diesem Thema über kurz oder lang noch einiges bewegen wird. Auslöser dafür sind jedoch nicht die Kommunen, sondern die Bundesregierung. So berichtet das IT-Portal Golem, dass das zuständige Bundespresseamt gegen den Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber beziehungsweise einen von seiner Behörde ergangenen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht klagen wird. Kelber hatte das Bundespresseamt seit 2021 mehrfach aufgefordert, die Facebook-Seite der Bundesregierung abzuschalten – bislang erfolglos.

Berlin argumentiert, dass Meta beziehungsweise Meta als Anbieter für den Datenschutz zuständig sei. Damit widerspricht das Bundespresseamt indes einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs und dem DSK-Kurzgutachten. Zudem sei die Facebook-Seite ein wichtiger Kanal, um die Bürger*innen zu erreichen. Dieser Sichtweise schließt sich übrigens das Land Sachsen-Anhalt an. Und auch vielen Kommunen dürfte das Bundespressamt aus dem Herzen sprechen. „Sollte der Bescheid vom Bundesbeauftragten Bestand haben und das Gericht entsprechend urteilen, kann es schnell Wirkung entfalten – dies sollten Behörden im Blick haben“, glaubt Cagdas Karakurt, Sprecher des baden-württembergischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.

weiterführender Artikel

Kommentar hinzufügen