Bundestagsabgeordnete Wallstein plädiert für klare Kante

Wie Kommunen rechtsextreme Veranstaltungen verhindern können

Uwe Roth29. Januar 2024
Schild auf einer Demonstration gegen rechts
Wo Freizeit-Angebote rar sind, versuchen Nazis die Lücke mit scheinbar harmlosen Events zu füllen. Die SPD-Abgeordnete Maja Wallstein rät: Kommunen sollten gründlich prüfen, wem sie Veranstaltungen erlauben.

Maja Wallstein vertritt den Wahlkreis 64. Zu diesem gehören nicht nur ihre 100.000 Einwohner-Geburtsstadt Cottbus (Brandenburg), sondern auch der Landkreis Spree-Neiße. Dort geht es eher ländlich zu. „Der Zusammenhalt im ländlichen Raum ist groß. Doch er hat den gravierenden Nachteil, dass es wenig Möglichkeiten zum Zeitvertreib gibt. In diese Lücken stoßen dann Nazis“, hat sie beobachtet. Die 37-Jährige ist im Bundestag Sprecherin der Arbeitsgruppe Strategien gegen Rechtsextremismus. In ihrem Wahlkreis unternimmt sie einiges, um kommunale Behörden vor den braunen Machern hinter dem „Fest für die ganze Familie“ zu warnen.

Die Veranstalter verstecken sich hinter unauffälligen Vereinsnamen. Sie werben mit Hüpfburgen, einem Bungee-Trampolin, Grillwurst und Blasmusik. Alles unspektakulär so weit. Doch wer die Plakate näher betrachtet, entdeckt Männer in Wehrmachtsuniformen und als besondere Attraktion Fahrten in einem Oldtimer-Panzer. Ein solches „Militär- und Oldtimer-Treffen“ fand im Juli 2023 zum Beispiel in Drewitz statt – dokumentiert von Spiegel TV. Wallstein kennt Aktivitäten der rechtsextremen Szenen aus ihrem Wahlkreis und hat eine Strategie entwickelt, wie Kommunen diese verhindern können.

Auflagen für Veranstaltungen streng kontrollieren

Rechtsextreme Gruppen lehnen das deutsche Rechtssystem zwar ab. Aber sie pochen auf ihr daraus abgeleitetes Recht, solche Veranstaltungen organisieren zu dürfen. Nun müssen die kommunalen Behörden auf ihr Recht pochen, peinlich genau zu kontrollieren, ob die Veranstalter gesetzliche Auflagen tatsächlich einhalten:

  • Gibt es ein Sicherheitskonzept für den Verkehr der Fahrzeuge?
  • Haben die historischen Kriegsfahrzeuge eine Betriebserlaubnis für den öffentlichen Straßenverkehr?
  • Werden Auflagen zur Nutzung öffentlicher Zuwege eingehalten (insbesondere im Hinblick auf schwere Technik)
  • Werden die Grenzwerte für Lärm eingehalten?
  • Ist gewährleistet, dass kein Motoröl in den Boden und ins Grundwasser versickern kann?
  • Erfüllen die Händler die gewerblichen Voraussetzungen?
  • Fallen GEMA-Gebühren an?
  • Sind die sanitären Einrichtungen ausreichend?
  • Besteht ein Entsorgungskonzept?
  • Ist die medizinische Versorgung in Notfällen gesichert?
  • Werden die Vorschriften zum Jugendschutz eingehalten und kontrolliert (Verkauf von Alkohol etc.)?
  • Sind Feuerwehr und Sanitäter vor Ort?

Bürgermeister*innen sollen Handlungsspielräume nutzen

Die Bundestagsabgeordnete betont, dass die Leitung der Versammlungsbehörde politisch neutral bleiben müsse. Daher sollte nicht der oder die Bürgermeister*in die Leitung dieser Behörde unter sich haben. Eine politisch neutrale Versammlungsbehörde könne eine Demonstration/Veranstaltung mit strengen Auflagen belegen, ohne sich angreifbar zu machen. Der/die Bürgermeister*in habe dann die Möglichkeit, unabhängig politisch Stellung zu beziehen. Kommunalpolitiker*innen sollten bei demokratie-freundlichen Demonstrationen als Vorbild in der ersten Reihe stehen, lautet ein weiterer Ratschlag. „Neutrale Behörde heißt nicht, dass kein Bekenntnis gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit möglich ist“, so Maja Wallstein und betont weiter: „Wichtig ist, dass alle Demokrat*innen im Bündnis gegen den Rechtsextremismus aktiv sind und sich vertreten fühlen.“ Um weiterhin möglichst viele Menschen an die Demokratie zu binden, dürften konservative Werte und Traditionen den rechtsextremen Kräften nicht überlassen werden.

Die Bevölkerung bekommt mit scheinbar harmlosen Veranstaltungen Freizeitspaß. Gleichzeitig wird sie politisch auf braunes Gelände gelockt. Diese Doppelstrategie beobachtet Wallstein auch bei der AfD in der Kommunalpolitik. In der Stadt Forst (Lausitz) stimmen die Linken mit der AfD für den Neubau eines Jugendclubs. In Magdeburg setzt sich ein Stadtrat der AfD für Kita-Schwimmkurse ein. Die übrigen Parteien stimmen fast geschlossen zu. Gleichzeitig setzt die AfD ihren fremdenfeindlichen Kurs in den kommunalen Gremien fort. So werden ungeniert Anträge gestellt, den kommunalen Integrationsbeauftragten in „Beauftragter für Ausländer-Rückführung“ umzubenennen.

Wallstein rät, das Doppelspiel nicht mitzumachen: „Rechtsextreme Umtriebe sind für Kommunen schlechte Werbung“, sagt sie. „Man ist den Rechtsextremen nicht schutzlos ausgeliefert, wenn man sich gut vorbereitet und klare Kante zeigt.“

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