Treffen in Berlin

Flüchtlingsgipfel: Faeser will Austausch mit Kommunen intensivieren

Carl-Friedrich Höck11. Oktober 2022
Nancy Faeser (m.) nach dem Flüchtlingsgipfel im Gespräch mit Joachim Herrmann (r.) und Burkhard Jung (l.)
Die Zahl der nach Deutschland Geflüchteten steigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht von einer „angespannten Situation“. Bei einem Treffen in Berlin sagte sie den Ländern und Kommunen zu, sich enger auszutauschen und weitere Bundesimmobilien bereitzustellen.

Auf einem Flüchtlingsgipfel in Berlin hat sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Vertreter*innen der Länder und von kommunalen Spitzenverbänden ausgetauscht. „Wir haben eine angespannte Situation“, sagte Faeser im Anschluss. Aus der Ukraine seien seit Jahresbeginn mehr als eine Million Menschen in Deutschland registriert worden. Dies seien „zu einem großen Teil Frauen und Kinder, die vor Putins Raketen geflohen sind.“ Diese Menschen müssten gut versorgt werden, man benötige Unterkünfte, Kita-Plätzen und Schulen. Die Ministerin sprach von einem „großen humanitären Kraftakt“, der immer schwieriger zu bewältigen sei, je länger der Krieg andauere. Es brauche einen engen Schulterschluss von Bund, Länder und Kommunen.

Plattform zum Austausch geplant

Deshalb will Faeser künftig intensiver mit den anderen Ebenen kommunizieren. Die Länder und Kommunen will sie nun monatlich „über alle uns vorliegenden Erkenntnisse informieren.“ Bei dem Treffen am Dienstag sei auch eine gemeinsame digitale Plattform verabredet worden, teilte Faeser mit. Dort sollen sich die Fachleute von Bund, Ländern und Kommunen austauschen können, beispielsweise zu Wohnungsangeboten oder verfügbaren Bundesimmobilien.

Bisher hat der Bund rund 300 eigene Immobilien für die Versorgung von Geflüchteten zur Verfügung gestellt. Diese sind bisher zu 68 Prozent belegt. Laut Faeser sollen nun 56 weitere Immobilien dazukommen. Damit könnten 4.000 weitere Unterkunftsplätze geschaffen werden.

Mehr Grenzkontrollen

Die Bundesinnenministerin berichtete, dass auch über die Balkanroute und das Mittelmeer wieder deutlich mehr Menschen nach Deutschland kämen. „Das macht mir Sorge“, sagte sie. Die Zahl der  Asylanträge sei in den vergangenen Monaten wieder gestiegen und auch die Zahl der unerlaubten Einreisen. Nicht nur in Deutschland, sondern an den EU-Außengrenzen insgesamt steige der Druck an. „Deshalb müssen wir auch klar für eine Begrenzung sorgen“, erklärte Faeser an. Sie habe die Länder und Kommunen über die weiteren Schritte informiert: Die Kontrollen an der Grenze zu Österreich würden für ein halbes Jahr verlängert. An der Grenze zu Tschechien sei die Schleierfahndung durch die Bundespolizei verstärkt worden. Beide Länder hätten ihrerseits Grenzkontrollen zur Slowakei aufgenommen. Auf einem Treffen der EU-Innenminister*innen an diesem Freitag will die SPD-Politikerin die Situation in Serbien und einen verstärkten Frontex-Einsatz besprechen. „Die Visa-Praxis in Serbien ist inakzeptabel, auch diese trägt zu den Bewegungen auf der Balkanroute bei“, sagte Faeser. Hintergrund ist, dass Menschen aus Indien und Tunesien in Serbien ohne Visum einreisen dürfen – viele reisen von dort aus in andere Länder weiter. Die Regelungen in Serbien müssten an die EU angepasst werden, forderte Faeser.

Der Vorsitzende der Innenminister*innen-Konferenz, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), sagte nach dem Gipfel, das Gespräch sei „dringend notwendig“ gewesen. Noch offen sei, wie der Bund die Kommunen bei der Aufnahme von Geflüchteten finanziell unterstütze. Eine Vereinbarung dazu soll erst im November getroffen werden: auf einem Bund-Länder-Treffen, an dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz teilnimmt.

Städtetags-Vize Jung nach Treffen optimistisch

Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, bedankte sich nach dem Treffen für das angekündigte Austausch-Format. „Das war ein sehr guter Anfang“, resümierte er. Bund, Länder und Kommunen müssten die Dinge ganz praktisch lösen: Von den Unterbringungsfragen über Kitas, Schulen, sozialer Betreuung bis hin zu psychischer Unterstützung. Nach dem Treffen zeigte er sich überzeugt, dass der Bund seine finanzielle Unterstützung bei den Asylkosten verstetigen werde. Nötig sei zudem ein Inflationsausgleich. Zweitens brauche man mehr Geld im System zur Integration von geflüchteten Menschen.

Die Kommunen seien sehr gerne bereit, Menschen zu unterstützen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und Schutz brauchen, betonte Jung. Die Lage sei jedoch ernst, viele Kommunen seien an ihrer Belastungsgrenze angekommen. Es würden auch wieder Turnhallen mit Geflüchteten belegt, in Leipzig seien Zelte errichtet und in Dresden Messehallen angemietet worden. Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge steige stark an.

Jung bedankte sich ausdrücklich für die angebotenen zusätzlichen Immobilien des Bundes. Das werde die Kommunen vor Ort entlasten. Jung warnte: „Wir müssen vermeiden, dass wir wieder Turnhallen anmieten. Wir müssen vermeiden, dass wir die Kinder und Jugendlichen behindern nach dem, was sie sowieso schon durch die Corona-Zeit erlebt haben.“

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