Einzelhandel

Freier Sonntag für Selbstbediener?

Carl-Friedrich Höck31. Oktober 2023
So ein Warenangebot gibt es nicht in jeder Gemeinde. SB-Supermärkte könnten Abhilfe schaffen, wo sich klassische Läden nicht rechnen.
Supermärkte ohne Personal können Versorgungslücken füllen. Doch um die Ladenöffnungszeiten gibt es Streit.

In Bayern heißen sie „digitale Kleinstsupermärkte“. Das sind moderne Tante-Emma-Läden mit einer Verkaufsfläche von bis zu 100 Quadratmetern. Das Besondere: Die Läden kommen weitgehend ­ohne Personal aus. Wer hier einkauft, erfasst die Ware an der Kasse selbst und zahlt zum Beispiel mittels EC- oder Kundenkarte oder lässt den Einkauf komplett über eine Handy-App abbuchen.

Einkaufen rund um die Uhr

Umgesetzt wird das unter anderem vom Unternehmen „Tante M“, das in drei Bundesländern Supermärkte in Selbstbedienung betreibt. Nach eigenen Angaben legt es seinen Schwerpunkt auf Ortschaften zwischen 700 und 4.000 Einwohnern, die bisher nur eine eingeschränkte oder gar keine Nahversorgung mehr haben. „Der besondere Clou: Bei uns können Sie 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr von 5 bis 23 Uhr einkaufen“, verspricht das Unternehmen auf seiner Website.

Das gefällt nicht allen. Kritik ­äußert etwa die „Allianz für den freien Sonntag“, ein Zusammenschluss von kirchlichen und gewerkschaftlichen Organisationen. Der verfassungsrechtlich geschützte Sonntag werde durch eine Vielzahl kleinerer Läden ausgehebelt, heißt es in einem aktuellen Beitrag auf der Website der Initiative. Aus Sicht der „Allianz“ sind die Läden nichts anderes als Verkaufsstellen im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes. Eine Sorge der Kritiker: Die Selbstbedienungsläden könnten andere Geschäfte mit Personal unter Konkurrenzdruck setzen. Betreiber der Selbstbedienungsläden halten dagegen, dass Sonntage die umsatzstärksten Tage seien. Ohne diese Einnahmen rechne sich der Betrieb oft nicht.

Kein einheitliches Recht

Die Ladenöffnungszeiten werden durch Landesgesetze geregelt. Nur in Bayern gibt es keines. Hier gelten noch Vorgaben aus der Zeit vor der Föderalismusreform. Einheitliche rechtliche Regelungen für Selbstbedienungsläden gibt es also nicht. Im baden-württembergischen Landtag wird aktuell diskutiert, ob den Selbstversorger-Läden die Sonntagsöffnung weiterhin erlaubt werden soll.

Auch in Erfurt in Thüringen hat kürzlich ein solches Geschäft eröffnet. Kundinnen und Kunden können hier rund um die Uhr Produkte aus Automaten ziehen. Das Angebot richtet sich an Nachtschwärmer: Zum Sortiment gehören Bier und Kaffee, Kondome und Snacks. „Für den Betrieb eines Automaten-Shops ohne personelle Besetzung finden die Regelungen des Thüringer Laden­öffnungsgesetzes keine Anwendung“, teilt die Stadt Erfurt auf Anfrage mit. Eben deshalb, weil kein Verkaufspersonal eingesetzt werde. Aber gelten Regeln für den Einzelhandel hier überhaupt oder handelt es sich um einen Imbiss, also Gastronomie? Letzteres verneint die Stadtverwaltung: „Eine gastronomische Einrichtung ist dadurch geprägt, dass in dieser Einrichtung der Verzehr von (dort erworbenen) Speisen und/oder Getränken an Ort und Stelle erfolgt.“

Übrigens: In Bayern müssen „digitale Kleinstsupermärkte” ohne Verkaufspersonal an Sonn- und Feiertagen schließen. Dafür dürfen sie an anderen Tagen rund um die Uhr öffnen. „Mit diesem Konzept stärken wir auch die Wettbewerbsfähigkeit des Einzelhandels gegenüber dem Internethandel“, erklärte die damalige Arbeitsministerin Carolina Trautner (CSU) vor zwei Jahren, als die Regelung eingeführt wurde.

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