Filmtipp

Goldrausch im wilden Osten

DEMO Redaktion03. April 2020
Die Windkraft-Pläne bringen Unruhe ins Dorf.
Im ZDF läuft Unterleuten, eine sehenswerte Verfilmung des gleichnamigen Gesellschaftsromans von Juli Zeh. Unterhaltsam schildert er einen Konflikt in einer fiktiven Brandenburgischen Dorfgemeinschaft.

Vor den Toren Berlins, eingerahmt von endlosen Getreidefeldern und dunklen Wäldern, liegt die Gemeinde Unterleuten: Frauen schütteln Kopfkissen im Fenster auf, Kinder spielen im Wald, Männer fahren auf klapprigen Fahrrädern über das Straßenpflaster. Szenen, die wirken, wie aus der Zeit gefallen. In der brandenburgischen Provinz leben sie zusammen, die alteingesessenen Dörfler, die zugereisten Städter, Wendegewinner und -verlierer. 

Fiktives Dorf in der brandenburgischen Provinz

Regisseur Matti Geschonnek hat „Unterleuten”, den gleichnamigen Gesellschaftsroman von Juli Zeh aus dem Jahr 2016, für das ZDF verfilmt. Er entführt die Zuschauer*innen in ein fiktives Dorf, in dem mitten in der Idylle so gar nichts idyllisch ist. Die Gemeinschaft ist so bröckelig wie der Putz an den verfallenden Häusern. Die ehemalige LPG, heutzutage umfimiert in Ökologica GmbH, ist in Geldnöten. Die jungen Leute sind weg, nach Berlin oder Freiburg, und die Konflikte im Dorf wurzeln tief im märkischen Sand. Aus der alten DDR-Zeit sind viele Rechnungen offen. 

Die Dinge geraten in Bewegung, als ein Windrad-Investor rund ums Dorf zwei Eignungsgebiete für seine Energieturbinen entdeckt, die Einnahmen und Fortschritt versprechen. Das Dorf ist zerissen, unter den Bewohner*innen entbrennt ein Kampf zwischen Befürworter*innen und Gegner*innen. 

Buntes Personaltableau

Dass die dreiteilige Mini-Serie des ZDF zu den Perlen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zählt, daran hat auch das bunte Personaltableau des Dramas seinen Anteil: Rudolf Gombrowski, der Sohn eines enteigneten preußischen Großbauern, wird mürrisch-bärig gespielt von Thomas Thieme. Als Kron, ehemals feuriger Jungkommunist, dem sein Staat und auch seine LPG abhanden gekommen sind, überzeugt eindrucksvoll Hermann Beyer. Und da ist schließlich auch Arne Seidel, der Bürgermeister, der für das Dorf stets das Gute will und stets das Böse schafft. Jörg Schüttauf überzeugt in der Rolle des stets freundlich-unterwürfigen Dorfoberhaupts, das sich zum Spielball der Interessen machen lässt.  

Dazwischen frisch hinzugezogene Neu-Brandenburger*innen, die alle noch einen Koffer in Berlin haben. Da ist die ebenso beherzte wie intrigante Miriam Stein als Linda Franzen, die auf einem verfallenen Gut einen Pferdehof gründen will. Der eitle Berliner Naturschützer Gerhard Fließ (Ulrich Nöthen) sucht mit seiner jungen Frau (Rosalie Thomass) und dem Baby  auf dem Land nach Ruhe und frischer Luft und bekommt stattdessen den finsteren Autowerkstattbesitzer Schaller (gespielt von Charly Hübner) als Nachbarn. Natur pur? Denkste! 

Bei allem Drama macht es den Zuschauern dennoch Spaß, den Unterleutenern beim Scheitern zuzusehen. Denn für unterhaltsame Momente sorgt Drehbuchautor Magnus Vattrodt, wenn der verhinderte Autor Wolf Hübschke mal wieder am Titel seines Theaterstückes feilt und Naturschützer Fließ seinen Kreuzzug für den Kampfläufer führt.

Stickige Atmosphäre

Im Dorf wohnen Alteingesessene und Zugezogene, Wendegewinner und -verlierer.

Der Film erzeugt eine unheimlich stickige Atmosphäre unter weitem sonnigen Himmel. In der Schlacht um das Windgold kämpfen sie alle für ihre Überzeugungen und ums Überleben, nicht alle schaffen es. Es ist spannend, die Ziele der Bewohner zu verfolgen, nach und nach zu erkennen, was sie antreibt und wie weit sie bereit sind, für ihre Überzeugungen zu gehen. 

Kann man eine Geschichte wie Unterleuten nur in einem Dorf erzählen, wurde Autorin Juli Zeh gefragt? „Im Grunde könnte Unterleuten an jedem Ort spielen, auch in einer Großstadt. Denn die Geschichte stellt ganz grundsätzliche Fragen darüber, wie wir heute leben.” Zeh stellt die Fragen, die viele Menschen beschäftigen: „Zählt für uns die Gemein­schaft noch etwas? Oder sind wir alle konkurrierende Einzel­kämpfer in einem großen Gesellschaftsspiel? Wie stark werden wir von der Vergangenheit dominiert? Sind wir überhaupt frei, un­ser Leben so zu gestalten, wie wir es uns wünschen?”

Dorfleben unter der Lupe

Aber natür­lich biete das Dorf besonders gute Bedingungen für das Erzäh­len, denn das Dorfleben funktioniere ein bisschen wie eine große Wohngemeinschaft. Das spiegelt sich auch in der verkürzten Erzählung des Films, wenn sich die Konflikte wie unter der Lupe stark zuspitzen. 

Am Ende bleibt in Unterleuten nicht alles im Schatten: Die Macht der alten Männer wird gebrochen. Frischer Wind in Gestalt junger Frauen weht durch brandenburgische Provinz. Es gibt Krons Tochter Kathrin (Bettina Lamprecht), die Arne Seidel als Bürgermeisterin beerben wird, und Betty Kessler (Sarina Radomsky), die sich anschickt, die Ökologica aus der Krise zu führen.

Die drei Teile der Mini-Serie – jeweils 90 Minuten lang – sind noch bis zum 2. September in der ZDF Mediathek zu finden.

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