Wärmewende

Großkraftwerk Mannheim unterwegs in eine grüne Zukunft

Harald Sawatzki25. Januar 2024
Die Flusswärmepumpe in Mannheim ist aktuell eine der größten ihrer Art in Europa: Blick auf die Anlage mit dem Entspannungsbehälter in der Mitte.
Wie Stadtwerke die Wärmewende vorantreiben, zeigt das Beispiel Mannheim. Das Fernwärmenetz der Stadt zählt zu den größten in Europa. Eine Großwärmepumpe ging 2023 in Betrieb.

Am nördlichen Ausläufer der Oberrheinischen Tiefebene liegt Mannheim, die Kapitale der Metropolregion Rhein-Neckar. Die Tiefebene entlang des Rheines zwischen Basel im Süden und Mainz/Frankfurt im Norden zählt zu den wärmsten Regionen Deutschlands. Sie zeichnet sich durch milde Winter und verhältnismäßig warme Sommer aus. Die jährliche Mitteltemperatur steigt seit Jahren stetig und lag in Mannheim zuletzt bei 11,2 Grad. Zum Vergleich: Die Mitteltemperatur in der gesamten Republik fiel 2023 mit 10,5 Grad deutlich niedriger aus.

Traditionsreiches Kraftwerk wird „grün”

Diese, wenn man so will, unter dem Aspekt einer natürlichen Versorgung mit Warmluft günstige geographischen Lage enthob Mannheims Verantwortliche nicht, Konzepte einer effektiven Versorgung privater Haushalte und jeder Menge Industriebetriebe mit Wärme und Strom zu entwickeln. Das tun sie seit langem mit Erfolg. Am Rheinufer sorgt seit 100 Jahren ein Großkraftwerk (GKM) für Wärme und Elektrizität: 1923 gingen die ersten zwei Kessel in Betrieb. Zwei Jahre zuvor hatte ein Konsortium, dem die Stadt Mannheim, die Pfalzwerke, die Badische Landeselektrizitätsversorgung und die Neckar AG angehörten, das Unternehmen auf die Beine gestellt. Aus bescheidenen Anfängen erwuchs eines der größten Kohlekraftwerke Deutschlands, das nach und nach bis in die beginnenden 40er Jahre dieses Jahrhunderts allerdings auf einen umweltfreundlichen, „grünen“ Betrieb umgestellt wird. Derzeit liefern die vier noch betriebenen Blöcke eine Gesamtleistung von 2146 Megawatt.

Die künftige Bedeutung der Fernwärme erkannten Mannheims Spezialisten bei den damaligen Stadtwerken bereits in den 50er Jahren. 1959 sorgten sie erstmals über ein 7,5 Kilometer langes Verteilernetz bei 24 Abnehmern für wohlige Wärme. Zwei Jahre später lagen Fernwärmerohre bereits auf einer Länge von 40 Kilometern. Die „Ölkrise“ brachte der Weiterentwicklung einen gewaltigen Schub. Während 1987 in Mannheim und in der näheren Umgebung bereits ein Drittel der Stadt über diese Art „Raumwärmeversorgung“ erreicht wurde, lag der Bundesschnitt bei einem bescheidenen Zehntel. Inzwischen erreicht ein ungefähr 600 Kilometer langes Fernwärmenetz deutlich über 60 Prozent oder ungefähr 120.000 Haushalte und dazu Industriebetriebe. Diese neuesten Zahlen veröffentliche kürzlich Andrea Perthen in ihrem Blog zum Thema „Anfänge der Fernwärme in Mannheim“.

Auch die Bahn wird versorgt

Das GKM erzeugt als Steinkohlekraftwerk Strom für etwa 2,5 Millionen Menschen im Rhein-Neckar-Raum. Es arbeitet nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung. Ein bedeutender Kunde ist die Deutsche Bahn, deren Züge vom Mannheimer Werk mit jeder Menge Einphasenstrom versorgt werden.

Wenn es um die Wärmewende geht, ist die Strom- und Fernwärmegewinnung aus dem GKM die eine Seite der Medaille. Die andere, „grüne“ Seite ist das seit geraumer Zeit alles beherrschende Thema „Wärmepumpe“. Noch zu Zeiten des vorherigen Oberbürgermeisters Peter Kurz (SPD) stieg der Energieversorger MVV, der zu den Anteilseignern des GKM gehört, in das Projekt Großwärmepumpe ein. Planung und Bauzeit endeten im Herbst 2023, als Deutschlands größte Wärmepumpe – Leistung 20 Megawatt – in Betrieb genommen werden konnte. Hergestellt hatte Siemens Energy die Pumpe im schwedischen Werk des Unternehmens.

Wärme aus dem Rhein

Das haushohe Konstrukt entzieht dem Rhein pro Sekunde etwa einen Kubikmeter Wasser, das in der Regel zwischen fünf und manchmal (übers ganze Jahr gesehen) sogar bis zu 25 Grad „warm“ werden kann. Einen Teil der Wärme entzieht die Pumpe dem Wasser, gibt abgekühlte Flüssigkeit wieder an den Strom ab. Mit der gewonnenen Wärme wird das Fernwärmenetz gefüttert. Allein über dieses System können bis zu 3.500 Haushalte versorgt werden. An der Finanzierung des Pilotprojektes – Kostenpunkt: 15 Millionen Euro – beteiligte sich auch der Bund.

Der Gedanke bei diesem Engagement: Nach und nach soll der Einsatz der Steinkohle verringert, der GKM-Betrieb grün und grüner werden. In diesem Sinn hatte sich zuletzt bei einer Diskussionsrunde der SPD Mannheim auch ein GKM-Vorstandsmitglied geäußert. Die Zukunft des Steinkohlekraftwerkes sieht er nach einem allmählichen Umbau in gleich mehreren Varianten: Sowohl der Einsatz von Geothermie als auch die Verwendung von Flusswärme oder Biomasse sei denkbar.

Große Veränderungen und Opfer unter den Beschäftigten forderte der über viele Jahre vollzogene Umbau zu einer umweltfreundlicheren Energie-Produktion der GKM-Blöcke: Während in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts etwa 1.000 Beschäftigte in den Lohn- und Gehaltslisten standen, sind es mittlerweile nur noch etwa die Hälfte. In diesem Zusammenhang hatte der SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weihrauch vor geraumer Zeit an den „Dreiklang: Klimaschutz, wirtschaftliche Prosperität und verlässliche Perspektiven für die Arbeitnehmerschaft“ erinnert. Hier die Balance zu finden, dürfte alle Verantwortlichen vor erhebliche Herausforderungen stellen.

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