Erneuerbare Energien

Wie Heidenrod Windkraft im Wald nutzt

Karin Billanitsch31. Januar 2024
Windrad im Wald (Symbolfoto, hier eine Aufnahme aus dem Schwarzwald)
In der hessischen Gemeinde Heidenrod gibt es seit 2014 einen Windpark auf Waldfläche. Windenergieanlagen und Naturschutzbelange können Hand in Hand gehen, wie das Beispiel Heidenrod zeigt.

Umgeben von grün bewaldeten Hügeln, preist die Gemeinde Heidenrod im hessischen Hintertaunus Gästen gern die schöne Landschaft an. Malerisch zwischen Rhein und Lahn gelegen, können Spaziergänger*innen sich Zeit nehmen, um die Gegend zu erkunden. Um, wie es auf Webseite der Gemeinde heißt, mit Alexander von Humboldt „die Natur zu fühlen“. Die Gemeinde wirbt dort auch für ihren „umwelt- und naturverträglichen“ Tourismus.

Energiewende und Klimaschutz zusammen gedacht

Nachhaltigkeit spielt auch bei der Forstwirtschaft der Kommune eine wichtige Rolle. Die Waldgebiete der Kommune, insgesamt über 6.000 Hektar, sind seit 2004 FSC-zertifiziert. Diese Plattform sichert wichtige Umwelt- und Sozialstandards im Wald. Zehn Jahre später, 2024, wurden auf einem Teil dieser Waldflächen zwölf Windräder installiert, die Heidenrod selbst betreibt.

„Wir haben uns schon sehr früh dem Thema Energiewende und Klimaschutz gewidmet“, sagt  SPD-Bürgermeister Volker Diefenbach auf Anfrage der DEMO. Windräder und klimastabiler Wald – jede Maßnahme ist für sich betrachtet wichtig für eine klimagerechte Zukunft. Dass beides auch zusammen geht, dafür hat sich Diefenbach besonders eingesetzt.

Möglichst geringer Eingriff

„Natürlich stellt so eine Anlage einen Eingriff in den Wald dar“, räumt Diefenbach ein. Der Bürgermeister schaut aber vor allem auf die langfristigen positiven Aspekte: „Ich habe damals massiv dafür geworben, weil das Ökosystem Wald durch den Klimawandel als Ganzes in Frage steht.“ Für ihn war klar: Wenn die Gemeinde da keinen Beitrag leisten würde, müsste sie sich auch vorwerfen lassen, dass sie sich „aus einer falsch verstandenen Abwägung heraus dem Thema nicht gewidmet“ habe. Deshalb müssen Eingriffe in den Wald von seiner Warte aus akzeptiert werden.

Bei der Auswahl der Flächen für die Windräder orientierte sich die Gemeinde laut Diefenbach an Kriterien wie einem möglichst geringen Eingriff in die Natur, dem Abstand zu Siedlungen, aber auch der praktischen Umsetzbarkeit sowie der Windhöffigkeit – also das durchschnittliche Windaufkommen an einem bestimmten Standort.

Dabei war von Anfang an klar, dass die Belange nachhaltiger Waldwirtschaft berücksichtigt werden – insbesondere die FSC-Waldzertifizierung: „Der Eingriff wurde auch an Hand forstlicher Belange geplant und minimiert“ bestätigt Diefenbach. Für die sechs Hektar, die für den Windpark gerodet werden mussten, wurde die gleiche Fläche wieder aufgeforstet. Windanlagenflächen wurden zu Gewerbe- und Industrieanlagen. „Auf diesen Flächen findet keine Waldbetreuung oder -bewirtschaftung mehr statt“, betont Diefenbach.

Bürgerbeteiligung wichtig

Nur zwei Jahre vergingen vom Planungsbeginn bis zur Aufstellung. „Heute wäre das wohl nicht mehr möglich“, glaubt der Bürgermeister. Damals habe es keine Auflagen beziehungsweise raumplanerische Anforderungen gegeben. Heute gibt es zusätzlich zum Flächennutzungsplan und zum Regionalplan Teilpläne, die Windvorrangflächen definieren und den Raum verbindlich ordnen.

Besonders wichtig war für Diefenbach, von Anfang an die Bürger*innen mit ins Boot zu holen. In einem Bürgerentscheid gab es mit 88 Prozent eine große Zustimmung zum Projekt. „In dieser Phase haben wir eine echte Mitdiskussion und Mitgestaltung zugelassen“ so der Rathauschef. Kritikern wurden „konsequent die Vorteile“ aufgezeigt.

Ein gutes Argument dürfte dabei gewesen sein, dass die Bürger*innen sich selbst an dem Projekt beteiligen konnten: Eine Bürgergenossenschaften hält zehn Prozent der Anteile am Windpark Heidenrod. Die Gemeinde ist mit 45 Prozent dabei, dem örtlichen Energieversorger gehören weitere 45 Prozent. „Die Bürger profitieren also über eine Bürgergenossenschaft direkt und über weit unterdurchschnittlichen Grundsteuer-Hebesatz indirekt“, führt Diefenbach aus.

Klimaziele für Windenergienutzung an Land

In Deutschland waren nach Erhebungen der Fachagentur Windenergie (FA Wind) Ende 2022 rund 2.370 Windenergieanlagen auf Waldflächen in Betrieb. Die Windenergiebranche wirbt für eine offene Debatte zur Vereinbarkeit von Windenergieausbau und Naturschutz. Es sei dringend erforderlich, die Windenergienutzung an Land erheblich auszubauen, um die Klimaziele zu erreichen, heißt es in einer Broschüre zum Thema.

Ziel der Bundesregierung ist, die Stromerzeugungsleistung der landgestützten Windenergieanlagen bis 2030 zu verdoppeln – auf dann 115 Gigawatt. Dafür sind nach dem Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) bundesweit Flächen im Umfang von 1,4 Prozent bis 2027 und zwei Prozent bis 2023 bereitzustellen.

Von Bundesland zu Bundesland verschieden

Bislang werden nicht in allen Ländern gleichermaßen Flächen für Windenergieanlagen ausgewiesen. Laut einer Studie vom Fraunhofer IEE, der Stiftung Umweltenergierecht und Guidehouse Germany von Juli 2023 waren nur 0,47 Prozent der Fläche in Deutschland für Windenergie an Land ausgewiesen. Der größte Anteil entfällt auf Bayern, dann kommen Niedersachsen und Hessen. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass in allen 16 Bundesländern bei konsequenter Ausweisung ausreichend Flächen verfügbar sind, um das Mindestziel von 2 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie zu erreichen. (fraunhofer.de)

„Um die starken Ziele zu erreichen, braucht es die Unterstützung in den Kommunen“, heißt es. Bürgermeister Volker Diefenbach jedenfalls glaubt, dass dabei „das Thema Windkraft im Wald eine große Zukunft haben muss.“

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