Freie Träger

Hohe Energiepreise bringen Kitas in Geldnot

Carl-Friedrich Höck22. September 2022
Kleinkind mit Holzeisenbahn
Spielendes Kleinkind: Die hohen Energiepreise könnten mittelfristig bewirken, dass vor allem kleinere Kita-Träger den Betrieb einstellen müssen.
Droht in Deutschland ein Kita-Sterben? Freie Träger beklagen, dass sie die rasant gestiegenen Kosten für Energie, Material und Lebensmittel nicht ausgleichen können. Ohne sie lässt sich der Rechtsanspruch auf eine Kita-Betreuung jedoch kaum umsetzen.

Neun Kitas betreibt das gemeinnützige Unternehmen „Kids in Berlin“ (KiB). Die Inflation und hohe Strom- und Gaspreise stellen die Einrichtungen vor große Probleme, berichtet Geschäftsführerin Antje Schwartz. In diesem Jahr hätten sich die Energiekosten verdoppelt, aber auch nur, weil der Träger einen Vertrag mit einer Genossenschaft hat, über welchen die Preiserhöhungen gedeckelt sind. Andere Träger müssten das Dreifache der bisherigen Preise oder sogar noch mehr zahlen, weiß Schwartz aus Gesprächen. Und das ist nur ein Teil des Problems. „Alles ist teurer geworden“, beklagt Schwartz, ob Betriebskosten, Lebensmittel, EDV-Geräte oder Papier.

"Kita kann Einnahmen nicht steigern"

Laut Schwartz waren die Zuweisungen des Landes Berlin an den Träger schon in der Vergangenheit nicht kostendeckend. Diese Schere sei nun massiv weiter aufgegangen. An die Eltern weitergeben könnten die Kitas die gestiegenen Kosten auch nicht. Zwar könne man für Zusatzleistungen wie das Frühstück oder ein Sprachangebot Extra-Beiträge erheben, doch auch diese seien streng gedeckelt und die Obergrenzen seit vielen Jahren nicht angehoben worden. „Ein Kitabetrieb kann seine Einnahmen nicht steigern“, stellt Schwartz klar.

Auch auf der Ausgabenseite seien die Handlungsspielräume eng. Zum Händewaschen werde im Besucher*innen-Bereich nur noch kaltes Wasser genutzt, man könne beim Lüften oder den Bastelmaterialien etwas sparen, aber wirklich viel bringe das nicht ein, sagt die Geschäftsführerin. Und das Personal sei in Zeiten des Fachkräftemangels ohnehin schon knapp.

Deshalb schlägt Schwartz Alarm: „Wahrscheinlich rechnen sich kleine Kitas gar nicht mehr in Zukunft.“ Die großen Betriebe mit 300 oder 400 Kindern würden aber nicht jedem Kind gerecht.

Vor allem kleinere Träger könnten verschwinden

Die beschriebenen Probleme gibt es nicht nur in Berlin. Der Deutsche Kitaverband teilt auf Nachfrage mit: Zwar seien bisher noch keine Fälle bekannt, dass Träger den Betrieb einstellen mussten. Valide Daten habe man dazu aber erst im Oktober, wenn die verbandsinterne Jahresumfrage ausgewertet werde. „Die wahren Auswirkungen werden wahrscheinlich mit zeitlichem Verzug auftreten“, schreibt der Verband. Denn die meisten Träger hätten Rücklagen bilden können, was ihnen nun zumindest kurzfristig helfe. „Es ist zugleich davon auszugehen, dass sich die Ergebnisse der Tarifverhandlungen sowie die Energie- und Sachkostensteigerungen mittelfristig deutlich herausfordernd auf das Finanzierungssystem der Kitas auswirken werden.“ Vor allem kleinere Träger und als Einzel-Kitas arbeitende Einrichtungen sieht der Verband gefährdet. Der Kita-Verband vertritt die freien unabhängigen Träger in Deutschland.

Problematisch ist diese Entwicklung auch für die Städte und Gemeinden und letztlich den Bund. Denn ab dem vollendeten ersten Lebensjahr gilt für jedes Kind ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Umsetzen müssen das die Kommunen. Dabei setzen sie nicht nur auf ihre Eigenbetriebe, sondern auch auf freie Träger. In Berlin zum Beispiel stellen diese etwa 80 Prozent der Kitaplätze.

Sie bekommen für ihre Ausgaben zwar eine Sachkostenpauschale, doch diese wird nur einmal jährlich angehoben. Der Berliner Landesverband des Deutschen Kitaverbandes hat deshalb bereits im Mai schnelle Unterstützung angemahnt. „Die Träger stehen jetzt vor dem Aus und brauchen jetzt dringend eine Notfallzulage – nicht erst in 2023“, heißt es in einem Positionspapier. Eine schnelle Einmalzahlung fordert auch Antje Schwartz, um bis zum Jahresende durchzuhalten: „Wir brauchen einfach Geld.“

Kurzfristig kein Inflationsausgleich

Die Finanzierungssysteme unterscheiden sich zwar von Bundesland zu Bundesland, die Probleme sind jedoch ähnlich. In manchen Ländern entscheidet sich mit den Haushaltsberatungen auf Landes- oder kommunaler Ebene, in welcher Höhe Kosten übernommen werden. Diese werden jedoch nur alle ein bis zwei Jahre verhandelt. In Berlin und NRW gibt es einen Automatismus, der die Sachkostenpauschale an den Verbraucherpreisindex koppelt. Doch auch dieser greift nicht sofort, wenn die Preise steigen, sondern erst zum neuen Kita-Jahr, das im August beginnt – somit gibt es auch hier einen Zeitverzug von mehr als einem Jahr. Der nordrhein-westfälische Landesverband des Deutschen Kitaverbandes kommentiert: „Bei marginalen Anpassungen kann das von Trägern zwischenfinanziert werden. Bei mit Krisen verbundenen Kostensprüngen versagt jedoch das System.“

Auf Bundesebene werden bisher keine zusätzlichen Maßnahmen geplant, um die Kitas zu unterstützen. Das Bundesfamilienministerium erklärt zwar auf DEMO-Anfrage, man habe die Landschaft der sozialen Einrichtungen im Blick. Zugleich verweist das Ministerium aber darauf, dass die Länder und Kommnen für die Kindertagesstätten zuständig seien. Trotzdem hat der Bund in der Vergangenheit immer wieder in die Kita-Landschaft investiert. Zuletzt etwa mit dem Gute-Kita-Gesetz, mit der Bund für die Jahre 2019 bis 2022 insgesamt 5,5 Milliarden Euro bereitgestellt hat. Das Geld sollte den Ländern dabei helfen die Kita-Qualität zu verbessern oder auch Eltern bei den Gebühren zu entlasten.

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