Gegen Kinderarmut

Was die Kindergrundsicherung verändern soll

Kai Doering29. August 2023
Sozialminister Hubertus Heil (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) präsentierten am Montag ihre Einigung auf Eckpunkte für die Kindergrundsicherung.
Die Kindergrundsicherung kommt. Am Montag hat sich die Bundesregierung auf die entsprechenden Eckpunkte geeinigt. Künftig soll es nur noch eine Anlaufstelle für alle Kinderleistungen geben.

Die Bundesregierung hat sich auf Eckpunkte für eine Kindergrundsicherung geeinigt. „Die neue Kindergrundsicherung kommt“, gab Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Montag bei einer Pressekonferenz bekannt. „Wir fassen alle relevanten Leistungen für Kinder zu einer Leistung zusammen.“ Mit dem Familienservice der Bundesagentur für Arbeit soll es künftig nur noch eine Anlaufstelle für alle Kinderleistungen geben. Über einen „Kindergrundsicherungs-Check“ soll automatisch ermittelt werden, ob eine Familie Anspruch auf den „Kinderzusatzbetrag“ hat. Zu diesem soll der bisherige Kinderzuschlag weiterentwickelt werden.

Die Kindergrundsicherung: „ein echter Paradigmenwechsel“

Damit geht die Bundesregierung ein Problem an, das bereits seit längerem bekannt ist: Viele Familien nehmen bestehende Leistungen nicht in Anspruch, weil sie nichts von ihnen wissen oder die Beantragung zu kompliziert ist. „Mit der Kindergrundsicherung beenden wir komplizierte Antragsverfahren“, versprach Lisa Paus. Die Leistungen würden „schneller, einfacher und direkter“. Die Kindergrundsicherung sei so „ein echter Paradigmenwechsel weg von der Hol- zu einer Bringschuld“.

Die Kosten für die Zusammenführung der Leistungen sowie für den damit verbundenen Umbau von Verwaltungsstrukturen beziffert die Bundesregierung auf 2,4 Milliarden Euro jährlich. Hinzu kommen rund sieben Milliarden Euro für die Anhebung des Kindergelds und den Kinderzuschlag, die bereits zu Beginn dieses Jahres vorgenommen wurden. Auch ein befristeter Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro pro Kind für Familien, die von Armut betroffen sind, wird schon jetzt ausbezahlt.

„Kindergarantiebetrag“ und „Kinderzusatzbetrag“

„Mit dem Start der Kindergrundsicherung wird es weitere Verbesserungen geben“, kündigte Bundesfamilienministerin Paus am Montag an. Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: Wie bisher das Kindergeld soll künftig ein „Kindergarantiebetrag“ unabhängig vom Einkommen der Eltern ausgezahlt werden. Hinzu kommt ein „Kinderzusatzbetrag“, der nach Alter gestaffelt und vom Einkommen der Eltern abhängig ist. „Wir machen deutlich, dass sich alle Generationen auf den Sozialstaat verlassen können“, betonte Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) bei der Vorstellung der Eckpunkte am Montag.

Um eine Grundlage für die Höhe der künftigen Leistungen zu haben, soll das „soziokulturelle Existenzminimum“ neu berechnet werden, also die Summe, die notwendig ist für Nahrung und Kleidung, aber auch für die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Deutschland. Zurzeit liegt dieses für Erwachsene bei bei10.908 Euro im Jahr, für Kinder bei 6.024 Euro. Mit der Neuberechnung dürften die Zahlen deutlich steigen.

„Das Beste, um Armut zu überwinden, ist Arbeit“, betonte daher Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag. Dies sei auch ein Grund dafür gewesen, keine pauschalen Leistungserhöhungen zu beschließen. „Es darf keinen Anreiz geben, sich nicht um Arbeit zu bemühen“, so Lindner.

Mützenich will „Präzisierungen“ im Gesetzgebungsverfahren

Zustimmung zum Eckpunktepapier gab es aus der SPD. Als „Meilenstein im Kampf gegen Kinderarmut in Deutschland“ bezeichnete es die SPD-Vorsitzende Saskia Esken gegenüber der „Rheinischen Post“. Ebenfalls positiv äußerte sich der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, kündigte aber gleichzeitig „Präzisierungen“ im Gesetzgebungsverfahren an. „Wir warten auf einen belastbaren Gesetzentwurf“, sagte Mützenich vor einer Klausurtagung seiner Fraktion in Wiesbaden.

Dieser soll voraussichtlich in der kommenden Woche von der Bundesregierung auf den Weg gebracht werden. Wann der Gesetzentwurf im Bundestag beraten wird, ist noch offen. Allzu viel Zeit bleibt jedoch nicht: Die Kindergrundsicherung soll zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Dieser Text wurde zuerst auf vorwaerts.de veröffentlicht.

Landkreistag kritisiert Verwaltungsaufbau

Für Familien soll es mit der neuen Kindergrundsicherung einfacher werden, Leistungen zu beantragen. Auf Verwaltungsseite müssen dafür Strukturen umgebaut werden. Der Deutsche Landkreistag sieht die Pläne der Bundesregierung kritisch.

„Ein zentraler Webfehler des Projektes ist es, bei den Familienkassen eine neue Behördenstruktur aufzubauen, die wir mit den Jobcentern flächendeckend bereits haben”, äußerte sich Landkreistag-Präsident Reinhard Sager am Montag. „Wir haben über 1.000 Jobcenter-Standorte, aber nur gut 100 Familienkassen.“

Sager befürchtet, dass die Reform zu parallelen Behördenstrukturen führen könne. „Die Familienkasse wird zuständig für die Kindergrundsicherung und muss Tausende neuer Mitarbeiter einstellen, für den größten Teil des Bildungspakets sollen die Kommunen zuständig sein und das Bürgergeld bekommen die Eltern vom Jobcenter.” Bislang werde alles aus einer Hand vom Jobcenter gewährt.

„Wenn dann noch die Überlegungen des Bundes dazukommen, die Arbeitsförderung für junge Menschen nicht mehr vom Jobcenter, sondern von den Arbeitsagenturen wahrnehmen zu lassen, müssen die Familien sogar vier Behörden anlaufen”, warnt Sager. Als Alternative schlägt er vor, das Bürgergeld für Kinder zu erhöhen. CFH

weiterführender Artikel