Konferenz der SPD-Bundestagsfraktion

Kleingärten: kleine Parzellen für den Artenschutz

Karin Billanitsch11. September 2023
Grüne Oasen: Kleingärten sind nicht nur zur Erholung da, sondern tragen auch zu mehr Stadtnatur und Artenvielfalt bei.
Ihr Spießer-Image haben Kleingärten längst abgelegt. Doch was sie für Biodiversität, Klima und gesellschaftliches Zusammenleben leisten, wird oft unterschätzt. Das wurde auf einer Veranstaltung der SPD-Fraktion deutlich.

Schrebergärten in Deutschland sind grüne Oasen, besonders in verdichteten Stadtgebieten. Die kleinen Parzellen halten nicht nur die Kultur des Gärtnerns lebendig, sondern sind wichtig für die Biodiversität in den Kommunen und fördern nicht zuletzt das gesellschaftliche Miteinander. Während der Corona-Zeit erwiesen sie sich als Rückzuzugsorte an der frischen Luft als unverzichtbar. Damit senden sie positive Impulse über die Zäune der Gartenanlage hinaus in das Wohnumfeld. Doch die Kleingärtner*innen haben mit vielen Problemen zu kämpfen wie schrumpfende Flächen oder auch Leerstand ­– und auch mangelnde Wertschätzung.

Beitrag für grüne Städte

Dass die Kleingärten bis heute einen wichtigen Beitrag für grüne Städte und die Gesellschaft leisten, machte die SPD-Bundestagsfraktion mit einem eigenen Fachkongress zum Thema in Berlin bewusst. Gemeinsam mit Elisabeth Kaiser, der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Wohnungsbau, Stadtentwicklung und Bauwesen, dem Bundestagsabgeordneten Brian Nickholz und Dirk Sielmann, dem Präsidenten des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde (BDG), diskutierten Gartenfreunde aus ganz Deutschland kürzlich über die Zukunft des Kleingartenwesens.

„Beim Thema Biodiversität und generell der Frage, wie wir Grün in die Stadt zurückbringen, erfüllen Kleingärten jetzt schon eine sehr wichtige Funktion“, betonte der SPD-Abgeordnete Brian Nickholz, zuständig für Kleingärten in der AG Wohnen, Stadtentwicklung, Wohnungsbau und Kommunen. Für die Artenvielfalt würde ein großer Beitrag geleistet, viele Insekten fänden dort Nahrung. „Je nachdem, in welcher Region der Kleingarten liegt, gibt es oft nicht so viele ähnliche Flächen, die so einen hohen ökologischen Wert in der Stadt haben“, so Nickholz.

Vom Armen- zum Freizeitgarten

Als Anfang des 19. Jahrhunderts in Kappeln an der Schlei in Schleswig-Holstein der erste Schrebergarten angelegt wurde, ging es darum, armen Familien auf selbst bestelltem Boden den Anbau von Obst und Gemüse zum eigenen Verzehr zu ermöglichen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg konnten viele Menschen ihre Ernährung aufbessern. Mittlerweile überwiegt der Freizeitwert des umzäunten Mini-Naherholungsgebietes für die rund 14.000 Kleingärtner*innen und die Grünflächen sind eben immens wichtig für die Umwelt geworden.

Es gibt aber auch Konkurrenz um die knappen Flächen im urbanen Raum. So müssen Anlagen nicht selten Wohnungsbau weichen. In anderen Regionen dagegen verwildern Parzellen mangels Nachfrage. Man denkt im Bauministerium intensiv darüber nach, wie in Kleingärten mit Leerstand und Rückbau umgegangen werden kann, wie Elisabeth Kaiser aus dem Bundesbauministerium betonte.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) würdigte außerdem die Leistungen der Gartenliebhaber*innen und dankte allen Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern herzlich für ihr großes ehrenamtliche Engagement. „Dieses Engagement ist die Grundlage für das Kleingartenwesen und gibt einer Million Menschen die Möglichkeit, auf ihrer Kleingartenparzelle zu gärtnern. Kleingärtnerinnen und Kleingärtner leiten einen großen Beitrag zur Biodiversität, Klimaschutz und Klimaanpassung, Integration und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten. Das möchte ich besonders hervorheben, weil es oft viel zu wenig wahrgenommen wird in der Gesellschaft.“

Die Ministerin betonte außerdem: „Wir haben mit dem Bundeskleingartengesetz seit 40 Jahren eine gute Grundlage, die die Existenz von Kleingärten schützt durch seine Höchstpachtzinsbindung und den Kündigungsschutz. Dieses Gesetz bedarf in seiner derzeitigen Form keiner Änderungen."

Kleingarten höher bewerten als Park

Allerdings ist vielen Bürger*innen und Politiker*innen vor Ort gar nicht voll bewusst, was die traditionellen Schrebergärten heute so alles leisten. Dirk Sielmann fordert im öffentlichen Diskurs mehr Wertschätzung. Der Präsident des Bundes Deutscher Gartenfreunde sagt: „Was ich mir wünsche ist, dass das, was Kleingärten jetzt schon ausmacht, auch seinen Wert erhält. Das wird derzeit praktisch nicht gemacht.” Zum Beispiel werde etwa ein Programm aufgelegt mit dem Titel „Neue Flächen finden für mehr biologische Vielfalt“. Darin kämen Kleingärten gar nicht vor, kritisierte er.  „Dabei sind die doch da!“ Er forderte, eine richtige Relation im Vergleich zum „normalen öffentlichen Grün“ herzustellen, wo eher Rasen und Bäume dominierten. Das müsse besser öffentlich wahrgenommen werden.

Elisabeth Kaiser aus dem Bauministerium schlägt in dieselbe Bresche: „Die Gesamtgesellschaft nimmt gar nicht wahr, welchen Mehrwert die Kleingartenanlage für den gesamten öffentlichen Raum hat, was Erholungsfaktor, Klima und gesellschaftliches Zusammenleben angeht.“ Das müsse mehr in das gesellschaftliche Bewusstsein getragen werden.

„In der Stadtentwicklung mitdenken“

Kaiser verweist auf das Beispiel Großbrittanien, wo die Kleingärtner*innen und die Verbände einbezogen werden in die Stadtentwicklung. Aber auch bei Strategien gegen Hitze in Großstädten spielten sie eine Rolle, Stichwort Entsiegelung. „Wir novellieren gerade das Bundesbaugesetzbuch, wo es um Themen wie Klimaanpassung, klimaresiliente Stadt, mehr Wasser und Grün in der Stadt geht. Ich glaube, da die Kleingärten mitzudenken, ist ganz wichtig. Und auch, in Austausch zu gehen und über den Tellerrand in andere Länder zu kucken.“

Das spießige Image des Kleingärtners verblasst, bei jungen Familien liegt Gärtnern im Trend. Doch wie Beiträge aus dem Publikum zeigen, kommen zwar Junge hinzu, aber im Verein engagieren sich wenige. Es gebe Nachwuchsprobleme im ehrenamtlichen Bereich, sagte eine Aktive: „Es ist eine große Herausforderung, Vorstände zu finden, die sich mit Pachtrecht, Steuerrecht und Finanzen auskennen müssen.“ Dirk Siel räumt ein, dass jüngere Vorstände Unterstützung benötigten. So gebe es zum Beispiel ein neues Verwaltungsprogramm vom Landesverband. Aber „das kostet Geld“. Die Vereine müssten bereit sein die Kosten zu tragen. Nicht zuletzt gibt es auch Förderungen für die Vereine. Die Stiftung zur Stärkung des Engagements und Ehrenamtes hat einige Möglichkeiten vorgestellt.

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