Neue Studie

Warum es in Kommunen eine Brandmauer gegen rechts braucht

Karin Billanitsch20. März 2024
Maja Wallstein, SPD Bundestagsabgeordnete in Cottbus auf einer Demo gegen Rechts.
Eine neue Studie mit dem Titel „Hält die Brandmauer?“ hat Kooperationen mit der extremen Rechten in ostdeutschen Kommunen untersucht. Die Autoren haben mehr als 120 dokumentierte Fälle der Zusammenarbeit gefunden.

Auf kommunalpolitischer Ebene stehen die Vertreter*innen in den Stadtparlamenten und Kreistagen in manchen Fällen vor der Frage, wie mit der extremen Rechten umzugehen ist. Im Verhältnis zwischen demokratischen Parteien und extrem rechten Parteien ist im Diskurs oft von der „Brandmauer“ die Rede. Das bedeutet, dass die Zusammenarbeit zwischen demokratischen Parteien beziehungsweise Fraktionen und extrem rechten Parteien und Fraktionen ausgeschlossen wird. Nach einer neuen Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die die Zusammenarbeit mit der extremen Rechten in ostdeutschen Kommunen untersucht, kommt es aber zu Kooperationen in der Kommunalpolitik. Die Studie konnte in 121 Fällen nachweisen, dass es Fälle solcher Kooperationen in Ostdeutschland im Zeitraum Sommer 2019 bis Ende 2023 gab.

Sachsen führt Liste an

„Die verbreitete Erzählung, dass extrem rechten Anträgen nicht zugestimmt wird, ist also empirisch nicht zutreffend“, folgert einer der Autoren, der Politikwissenschaftler Steven Hummel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, aus den Ergebnissen. In der Studie wurden eigenen Angaben zufolge nur Kooperationen, die dokumentiert sind, etwa durch Protokolle oder Abstimmungen, gezählt. Außerdem waren nur formelle Kooperationen, wie etwa ein gemeinsamer Antrag, gemeinsames Abstimmungsverhalten oder gemeinsame Personenwahl sowie Zählgemeinschaften und Absprachen Gegenstand der Untersuchung. Die Autoren gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch wesentlich höher ist.

Laut den Ergebnissen ging es am häufigsten (93 Fälle) um ein gemeinsames Abstimmungsverhalten. Ordnet man die Zahlen nach Bundesländern, so führt Sachsen mit rund einem Drittel der Fälle die Liste an, gefolgt von Thüringen und Brandenburg. Nach Parteien ausgewertet war die CDU demnach mit Abstand am häufigsten vertreten, danach fogten mit großem Abstand FDP, SPD, Die Linke, und Bündnis 90/Die Grünen.

SPD: „Keine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten“

Zur Beschlusslage bei der SPD sagt Maja Wallstein, die Mitglied des Bundestags und Sprecherin der Arbeitsgruppe „Strategien gegen Rechtsextremismus“ der SPD-Bundestagsfraktion ist: „Die Linie des Parteivorstandes ist klar. Keine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten. Das hat der Parteivorstand zuletzt noch einmal in einem Positionspapier bekräftigt.“

Maja Wallstein auf Zuhörtour. Vor Ort sein und jede*r Bürger*in zuhören – das ist für sie eine Maßnahme gegen die extremen Rechten. Foto: Maja Wallstein

Vorfälle wie die, die in der Studie erwähnt werden, bei denen demokratische Parteien mit der AfD gemeinsame Sache machen, müssten Konsequenzen haben, fordert Wallstein. Mitglieder demokratischer Parteien, insbesondere der SPD, sollten das nicht trivialisieren. Wallstein: „Parteiordnungsverfahren und parteiinterne Aufarbeitung sind dabei aus meiner Sicht zwingend für die Partei, die Erbe von Otto Wels und Willy Brandt ist.“

Handlungsempfehlungen für Kommunalpolitiker*innen

Gefragt nach Handlungsempfehlungen für Kommunalpolitiker*innen antwortet Wallstein: „Es muss eine vielschichtige Antwort geben. Wir müssen konkret Bürgerinnen und Bürger an Demokratie beteiligen, um Politikverdrossenheit entgegenzuwirken.“ Dabei helfen nach Wallsteins Meinung Bürgerhaushalte, Bürgerdeputierte, Runde Tische und ein transparentes einfaches Eingabenwesen. „Außerdem sollten Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker bei demokratiefreundlichen Demonstrationen in der ersten Reihe und damit als Vorbild für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen“, so Wallstein.

„Haltung braucht es auch in der kommunalen Verwaltung“, stellt Wallstein weiter fest. Hier heiße es häufig, die Verwaltung müsse neutral sein. „Aber: Neutrale Behörde heißt nicht, dass kein Bekenntnis gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit möglich ist“, stellt Wallstein klar. Es sei falsch zu glauben, dass man mit Parteien der extremen Rechten inhaltlich zusammenarbeiten könne, oder dass es einem gelingen könne, sie zu „entzaubern“, wenn man ihnen Verantwortung übertrage.

Auch die Autoren der Studie beobachteten, dass bei Kollaborationen auf kommunaler Ebene oft argumentiert werde, es ginge um neutrale Sachpolitik. Mitautorin Anika Taschke hält dagegen: „Anträge und Entscheidungen – auch der kommunalen Ebene – sind immer vor dem Horizont politischer Wertorientierungen zu sehen.“

„Der extremen Rechten geht es nicht um Inhalte“

Außerdem führt Wallstein aus, der extremen Rechten ginge es nie um Inhalte, auch wenn sie sich gerade im kommunalen Bereich als „die Kümmerer“ darstellten, indem sie auf jede Unzufriedenheit, jede Bürgerinitiative aufspringen oder indem sie die meisten Anfragen und Anträge stellten. „Das erkennt man auch daran, dass sie im Kommunalwahlkampf gern auch nur Themen ansprechen, die gar nicht auf ihrer Ebene bearbeitet werden.“

Als Beispiel führt sie an: „Der AfD-Landratskandidat in Sonneberg hat Wahlkampf mit Bundesthemen gemacht. Wo die extreme Rechte Verantwortung übernimmt – wie der Landrat in Sonneberg – wird zwar dann sichtbar, dass sie nichts Gutes bewirken, aber das war ja nie ihr Anspruch.“ Die extreme Rechte setze auf Machterschleichung (im demokratischen System) und bei Erfolg auf Machterhalt gegen die Demokratie. Ihr sei es egal, wenn man ihr später vorhält, dass sie nicht geliefert habe, weil das Setzen-auf-Machterhalt Stück für Stück dafür sorge, dass man sie nicht mehr zur Verantwortung ziehen könne. Wallstein warnt: „Das können wir bereits von unseren europäischen Nachbarn lernen.“

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