Statistik zu kommunalen Haushalten

Warum Kommunen sich trotz Überschuss um ihre Finanzen sorgen

Carl-Friedrich Höck29. März 2017
Volle Kasse
Volle Kassen, wenn auch nicht überall: Die deutschen Kommunen weisen einen Milliardenüberschuss aus.
Die deutschen Städte, Kreise und Gemeinden weisen für das abgelaufene Jahr einen Überschuss von 5,4 Milliarden Euro aus. Brechen jetzt für die Kämmerer goldene Zeiten an? Mitnichten, warnen kommunale Spitzenverbände – und machen eine eigene Rechnung auf.

Die Kommunen finanziell zu entlasten, das war eines der großen Versprechen der Bundesregierung. Neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes weisen darauf hin, dass die Finanzlage der Städte und Gemeinden sich tatsächlich verbessert hat. Demnach weisen die Kern- und Extrahaushalte der Gemeinden und Gemeindeverbände für 2016 einen Überschuss von 5,4 Milliarden Euro aus. Damit hat sich der Überschuss gegenüber dem Vorjahr noch einmal um 2,2 Milliarden Euro erhöht.

Höhere Ausgaben für Asylbewerber und Sozialleistungen

Grund ist, dass die Einnahmen stärker gestiegen sind als die Ausgaben. Einen Einnahmenzuwachs von sieben Prozent haben die Statistiker errechnet, sie betragen nun insgesamt 247,1 Milliarden Euro. Dem stehen Ausgaben von 241,7 Milliarden gegenüber – ein Plus von 6,1 Prozent.

Prozentual besonders stark gestiegen sind die Ausgaben für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (plus 76,5 Prozent auf 5,5 Milliarden). Noch stärker fallen aber die Ausgaben für soziale Leistungen ins Gewicht – sie sind um fast zehn Prozent auf 59,3 Milliarden Euro gestiegen; das sind 5,3 Milliarden mehr als 2015. Dagegen mussten die Kommunen für die Grundsicherung für Arbeitssuchende sogar weniger Geld aufwenden als im Vorjahr. Wegen guter Arbeitsmarktlage sanken die Ausgaben um 1,9 Prozent.

Mehr Geld von Bund und Ländern – und aus der Gewerbesteuer

Laufende Zuweisungen und Kostenerstattungen von Bund und Ländern machten die steigenden Ausgaben offenbar weitgehend wett: Sie wurden gegenüber 2015 um zwölf Prozent, also 9,6 Milliarden Euro erhöht. Damit beteiligten sich Bund und Länder unter anderem verstärkt an den kommunalen Sozialleistungen. Gestiegen sind auch die Gewerbesteuereinahmen – einerseits wegen der guten Konjunktur, andererseits haben auch viele Kommunen die Steuern erhöht. Das erbrachte ein Plus von 9,7 Prozent auf insgesamt 38,4 Milliarden Euro.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund reagierte erfreut auf die Zahlen. Die Bundespolitik habe die Forderungen nach kommunaler Finanzentlastung vielfältig aufgegriffen, lobt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

Kommunalverbände geben trotz Überschuss keine Entwarnung

„So positiv diese Entwicklung ist, so klar müssen wir aber auch sagen, dass ein solcher Überschuss über längere Zeit verstetigt werden muss“, ergänzt Landsberg. Angesichts eines kommunalen Investitionsrückstands von 136 Milliarden Euro könne keine Entwarnung gegeben werden. Die Sozialausgaben explodierten förmlich. „Zudem belaufen sich alleine die kommunalen Kassenkredite auf rund 50 Milliarden Euro. Wir bräuchten also fast zehn Jahre solcher Überschüsse und diese nur für den Schuldendienst, um den Berg der kommunalen Außenstände abtragen zu können“, rechnet der DStGB-Hauptgeschäftsführer vor.

Mahnend meldet sich auf der Deutsche Städtetag zu Wort. „Bund und Länder haben zwar erkannt, dass die Kommunen den Kraftakt der Integration ohne Finanzierung der Kosten keineswegs leisten können und erste, wichtige Finanzierungsregelungen gefunden“, äußert sich Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy anerkennend. Die Integration der Menschen in die Stadtgesellschaften werde allerdings noch viele Jahre dauern und eine Vielzahl an Maßnahmen erfordern. Die bislang getroffenen  Finanzierungsregelungen genügten dazu nicht.

Städtetag macht Konjunktur für das Plus verantwortlich

Der gestiegene Überschuss in den Kommunalhaushalten sei auf die gute Verfassung der deutsche Wirtschaft zurückzuführen, meint der Städtetag. Dagegen stünden die höheren Zuweisungen im Rahmen der Flüchtlingszuwanderung noch höher gestiegenen Ausgaben gegenüber, „etwa im Bereich der Sozialausgaben, bei Sachaufwendungen und Investitionen“, resümiert Dedy. Der Städtetag rechnet vor, dass die Sozialausgaben im Vergleich zum Jahr 2014 um rund zehn Milliarden Euro gestiegen seien. Berücksichtige man die üblichen Steigerungsraten, könne angenommen werden, dass hiervon sechs Milliarden auf den Anstieg der Flüchtlingszahlen zurückzuführen seien.

Darüber hinaus – darauf weisen alle kommunalen Spitzenverbände hin – sieht die Finanzlage von Kommune zu Kommune ganz unterschiedlich aus. „Während in einigen Regionen kommunale Überschüsse erwirtschaftet werden können, ist die kommunale Finanzsituation zum Beispiel in NRW, Rheinland-Pfalz oder dem Saarland sehr angespannt, mancherorts sogar dramatisch“, ruft der Städte- und Gemeindebund ins Bewusstsein. Und der Landkreistag betont, dass die regionalen Unterschiede zwischen finanzstarken und strukturschwachen Kommunen sich sogar vergrößert hätten.

Landkreistag will Kommunalfinanzen neu ordnen

In einer Stellungnahme schreibt der Landkreistag: „Angesichts dessen machen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes deutlich, dass es einer grundsätzlichen Neuordnung der Kommunalfinanzen bedarf: Weg von ständigen, punktuellen Zuwendungen, hin zu einer grundsätzlichen Lösung.“ So könnten die Kommunen stärker als bisher an der Umsatzsteuer beteiligt werden. Dabei solle das Geld aber nicht nach Wirtschaftskraft, sondern stärker nach Einwohnerzahl verteilt werden. „So werden gerade die Kommunen mit hohen Sozialausgaben von vornherein besser ausgestattet“, meint der Landkreistag.

 

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Statistisches Bundesamt