Kritik am Gebühren-Ranking von Haus & Grund

Komplexität der Entsorgung von Abwasser wird unterschätzt

Uwe Roth30. Juni 2023
Abwasser wird zur wertvollen Ressource. Die Anpassung der Systeme an den Klimawandel wird teuer. Kommunen wegen hoher Gebühren an den Pranger zu stellen, werde dem Thema nicht gerecht, sagt ein Branchenverband zum Ranking von Haus & Grund.

In der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) kam das Gebührenranking von Haus & Grund in dieser Woche nicht so gut an. „Ich halte das Ranking für oberflächlich und nicht haltbar“, urteilt Harald Breitenbach kurz und knapp. Der Wirtschaftsprüfer aus Koblenz ist bei der DWA Sprecher der Arbeitsgruppe „Kalkulation von Entgelten“. Er muss es also wissen, wenn er feststellt, dass die Beschreibung eines Musterhaushaltes „methodische Schwachstellen“ enthalte. Er kritisiert, dass ein ausschließlicher Vergleich der Gebühren „suggeriert, dass die Kommunen machen können, was sie wollen.“ Dem sei bekanntlich nicht so: Kommunen dürfen nach den gesetzlichen Vorgaben mit der Entsorgung der Abwässer keine Gewinne machen.

Die Kalkulation sei komplex und hänge von Faktoren ab, die von Kommune zu Kommune unterschiedlich seien, sagt Breitenbach. Haus & Grund hält dagegen: „Die großen Preisdifferenzen lassen sich nicht allein auf Strukturunterschiede zurückführen.“ Fehlende Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung treibt nach Auffassung von Haus & Grund die Gebühren und damit die Wohnnebenkosten zusätzlich in die Höhe. Präsident Kai H. Warnecke stellt fest: „Wo Preise und Gebührenordnungen transparent, nachvollziehbar und vergleichbar sind, kann ein Wettbewerb entstehen, der die Preise für viele Verbraucher sinken lässt.“ Wie bei der Trinkwasserversorgung können sich die Verbraucher*innen ihren Ver- beziehungsweise Entsorger allerdings nicht aussuchen, wie man aus der Aussage des Präsidenten schlussfolgern könnte. Einen Wettbewerb wie in der Stromversorgung gibt es nicht.

Schwankung zwischen 300 und 900 Euro im Jahr

Der Eigentümerverband hatte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Consult) beauftragt, ein Ranking der Abwassergebühren der 100 größten Städten in Deutschland zu erstellen. Dabei bestätigte sich, was bereits in den vorangegangenen Untersuchungen offensichtlich war: Die Preise, die Verbraucher für die Entsorgung ihrer Abwässer zahlen müssen, variieren je nach Wohnort um mehrere Hundert Euro jährlich. Laut der am Mittwoch vorgestellten Rangliste zahlt ein Haushalt mit vier Personen in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) oder Worms (Rheinland-Pfalz) im Durchschnitt weniger als 300 Euro im Jahr, während es in Mönchengladbach (Nordrhein-Westfalen) oder Potsdam (Brandenburg) mehr als 900 Euro sind.

Bei den Berechnungen ging das Institut von einer Musterfamilie aus, die 125 Liter Frischwasser pro Person und Tag verbraucht. Das entspricht dem bundesdeutschen Durchschnittswert. Die Familie bewohnt ein 120 Quadratmeter großes Haus auf einem 200 Quadratmeter großen Grundstück ohne Brunnen oder Regenwasserversickerung. So konnten die Autor*innen der Studie den Frischwasserverbrauch als Abwassermenge annehmen und das Niederschlagswasser hinzurechnen.

Über Abwasser spricht man nicht - das verschwindet einfach so

Trinkwasser ist ein öffentliches Gut. Es wird wertgeschätzt. „Das ist bei Abwasser nicht so. Man sieht es nicht. Man nimmt es nicht wahr“, sagt DWA-Experte Brinkmann. Dabei kostet die Reinigung der Abwässer in den Kläranlagen immer mehr Geld. Das sei vor allem auf die zunehmende Verschmutzung durch Mikroteile zurückzuführen. Im Abwasser steckt aber auch Potential, das erst mit dem Klimawandel deutlich wird. Die Trockenheit in den Sommermonaten wiederholt sich inzwischen beinahe jährlich. Wiesen und Äcker vertrocknen. „Wir können gereinigtes Abwasser zwar nicht als Trinkwasser nutzen, aber für die Bewässerung“, überlegt Brinkmann. Dazu müssen allerdings Zisternen und andere Wasserspeicher angelegt werden. Das wird viel Geld kosten. Eine Strategie dazu gibt es nicht. „Bislang gibt es Überlegungen dazu“, weiß er. Aber schon jetzt schädigt die wochenlange Trockenheit das Abwassersystem. Wenn durch die Abwasserrohre lange kein Wasser fließt, steigen die Instandhaltungskosten. Das Kanalsystem muss, wenn kein Regen fällt, mit Brauchwasser kontinuierlich gesäubert werden.

Der Umgang mit dem Abwasser ändert sich. Kommunen legen Quartiere nach dem Prinzip Sponge City an, um Trockenperioden zu überstehen. Das heißt, Regenwasser kommt nicht länger in die Kanalisation, sondern wird im Quartier auf unterschidliche Weise gespeichert, bis es gebraucht wird. Das verlangt von einer Kommune Investitionen in Millionenhöhe. Nach und nach werden Zisternen und Grünflächen als natürliche Speichermedien die Entsorgung über Kläranlagen entlasten. Die Gebühren könnten langfristig sinken, so Brinkmann. Theoretisch. Denn gleichzeitig werden die Ausgaben für das Wassermanagement Klima-bedingt steigen.

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