Kommunen vom neuen Gebühren-Modell überrascht

Streit um GEMA-Geld für Weihnachtsmarkt-Musik

Uwe Roth26. Oktober 2023
Barock-Weihnachtsmarkt in Ludwigsburg: Als Reaktion auf hohe GEMA-Gebühren sollen hier lizenzfreie Weihnachtslied-Klassiker erklingen.
Einige Städte kommt die Musik auf dem Weihnachtsmarkt teuer zu stehen. Die GEMA zog die Gebühren schon im Jahr 2020 kräftig an. Mancher Kommune scheint das entgangen zu sein. Nun stimmt die Kalkulation nicht mehr. Die Empörung ist groß.

Die Stadt Braunschweig hat es mit ihrer Empörung bis in die TV-Nachrichten geschafft und damit bundesweite Aufmerksamkeit erzielt. Das Stadtmarketing könne wegen der gestiegenen GEMA-Gebühren „bis auf weiteres keine Auftritte regionaler Chöre und Musikgruppen planen“, sprach Geschäftsführer Gerold Leppa in die Kamera. Die Drohung, den Weihnachtsmarkt notfalls ohne Weihnachtsmusik stattfinden zu lassen, begründete er mit einem Schreiben der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte). Diese habe angekündigt, als Schlüssel für die Tarifanwendung die gesamte Fläche des Marktes zu betrachten. Bislang zählte im Wesentlichen der Platz vor der Veranstaltungsbühne.

Die neue Berechnung bedeutet nach seinen Angaben eine Steigerung der Kosten um das 15-Fache. „Das wären rund 18.000 Euro zusätzliche Kosten“, hat er ausgerechnet. Das sei weit mehr als die Musikgruppen selbst bekämen. „Auch ist völlig unverständlich, warum für unverstärkte Darbietungen die gesamte Fläche angesetzt werden soll, der Weihnachtsmarkt ist ja kein Open-Air-Konzert. Die GEMA überschreitet aus meiner Sicht hier jedes Maß“, zürnte er. Nun hofft er auf den Deutsche Städtetag, „der das auch so sieht.“ Eine Sprecherin sieht den kommunalen Spitzenverband hingegen nicht als einen Verbündeten in dieser Angelegenheit. Die Neuberechnung sei bereits seit 2018 bekannt, erklärte sie auf Anfrage. Seit 2020 gelte die aktualisierte Gebührenordnung.

Ursprung des Konflikts liegt zwölf Jahre zurück

Während der Corona-Pandemie, in der die Kommunen keine Weihnachtsmärkte abhalten durften, müsse die Nachricht wohl untergegangen sein, so ihre Vermutung.  Die Zahl der Städte und Gemeinden, die sich in dieser Angelegenheit beim Städtetag gemeldet hätten, sei „im niederen zweistelligen Bereich“, teilte sie mit und verwies auf die Gesamtzahl der Mitglieder von 3.200. Der Städtetag habe sich nicht positioniert, lediglich vermittelt. „Damit ist unsere Rolle beendet.“

Die GEMA steht nach eigenen Angaben zur neuen Ausrichtung ihrer Preise. Von den insgesamt 3.350 Rechnungen, die in diesem Jahr bisher verschickt wurden, hätten 75 Prozent keine Steigerung enthalten, heißt es. Die GEMA verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2011. Darin hat das Gericht eine Berechnung „nach der Größe der Veranstaltungsfläche – gerechnet vom ersten bis zum letzten Stand und von Häuserwand zu Häuserwand“ für rechtens erklärt. Damals hatte eine Tochtergesellschaft der Stadt Bochum Klage eingereicht.

Ob die Kommunen aus dem Urteil Konsequenzen gezogen haben, ist in den vergangenen Jahren von der GEMA geprüft worden. Eine Sprecherin erklärte gegenüber der DEMO-Redaktion: „In der Vergangenheit haben wir auf Basis der von den Kundinnen und Kunden gemeldeten Nutzungsflächen lizenziert. Wir haben uns auf korrekte Angaben der Veranstalterinnen und Veranstalter verlassen und keine Prüfung vorgenommen.” Nach der Corona-Pandemie habe die GEMA begonnen, die Flächen über Tools wie „Planimeter“ und „Google Maps“ zu messen. „Wir haben dabei deutliche Diskrepanzen festgestellt. Schon aufgrund der Gleichbehandlung aller Kundinnen und Kunden haben wir diese Diskrepanz bei der Berechnung der Lizenzhöhe berücksichtigt”, so die Sprecherin. Daher sei es in Einzelfällen zu solchen Steigerungen der Lizenzkosten gekommen. 

2,5 Cent pro Besuch des Striezel-Markts

Unmittelbar nach dem Spruch von 2011 erklärten Medien Weihnachtsmärkte zu einer aussterbenden Veranstaltungsart („Dank GEMA stille Nacht auf dem Weihnachtsmarkt?“ – „Stiller Weihnachtsmarkt: BGH-Urteil treibt Gema-Gebühren in unbezahlbare Höhen“). Nun wiederholen sich nach zwölf Jahren die Überschriften. Die Sächsische Zeitung schreibt an diesem Mittwoch: „Weihnachtsmärkte in Dresden: Händler befürchten Verdreifachung der GEMA-Kosten“. Die Stadt versuche, den Preis noch zu drücken. Auf der Internetseite der GEMA ist für den Dresdener Striezel-Markt eine Beispielrechnung veröffentlicht. Nach der kommen bei 32 Öffnungstagen 50.688 Euro zusammen. Das seien umgerechnet etwa 2,5 Cent pro Besuch.

Kommunen achten nun darauf, vermehrt lizenzfreie Weihnachtsmusik auf die Bühne zu bringen. In der Stadt Ludwigsburg, die nun an jedem der insgesamt 29 Markttage bis zu 2.000 Euro zahlen soll, hat man eine Liste mit 25 Klassikern wie „Stille Nacht“ und „O Tannenbaum“ zusammengestellt, die laut dem Tourismuschef Mario Kreh vom Urheberrecht befreit sind. Dennoch müssten viele Vereine auf einen Auftritt verzichten. Statt 60 gäbe es nur noch halb so viele Auftritte. Die GEMA hat ebenfalls eine Liste mit freiem Liedgut zusammengestellt.

weiterführender Artikel