Kampagne prangert Gewalt gegen Helfer*innen an

Mehr Respekt für Rettungskräfte und Feuerwehrleute

Karin Billanitsch05. Dezember 2023
Einsatzkräfte von Rettungsdiensten und Feuerwehr, Staatssekretärin im BMAS, Lilian Tschan (3.v.re.) und Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer des DGUV (2.v.li.) am 5. Dezember 2023 in Berlin. Am Internationalen Tag des Ehrenamtes startete die Kampagne #GewaltAngehen.
Die Gesetzliche Unfallversicherung ruft zu „Null Toleranz bei Gewalt gegen Einsatzkräfte“ auf. Schirmherr der Kampagne ist Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Auch Kommunen können einen Beitrag zu Gewaltprävention leisten.

Sie bekämpfen Brände, retten Menschen und wollen helfen ­– werden aber zunehmend beleidigt oder bedroht. „Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte hat in den vergangenen Monaten zunehmend öffentliche Aufmerksamkeit erfahren“, sagte Stefan Hussy in Berlin. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) machte am Dienstag, dem 5. Dezember – dem Internationalen Tag des Ehrenamtes – darauf aufmerksam, dass die Selbstverwaltung der gesetzlichen Unfallversicherung sich für „Null Toleranz bei jeder Art von Gewalt“ ausspricht.

14.000 gewaltbedingte Unfälle gemeldet in 2022

In einer neuen Resolution der DGUV heißt es: „Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen, Nötigungen oder tätliche Angriffe auf Beschäftigte und ehrenamtlich engagierte Menschen sind inakzeptabel.“ Gewalt gegen Rettungskräfte und Feuerwehrleute sind immer wieder Thema. Laut Umfragen der Feuerwehr-Unfallkasse Niedersachsen in 2020 und 2023 unter mehr als 2.500 Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr in Niedersachsen haben mehr als ein Drittel angegeben, Erfahrungen mit Gewalt, vor allem mit Beschimpfungen und Beleidigungen, gemacht zu haben. Die Umfrage will der Deutsche Feuerwehrverband nun bundesweit wiederholen.

Den Berufsgenossenschaften und Unfallträgern wurden 2022 insgesamt mehr als 14.000 meldepflichtige gewaltbedingte Unfälle bei der Arbeit oder bei ehrenamtlicher Tätigkeit gemeldet, informierte die DGUV. Beschäftigte aus allen Branchen seien betroffen, hieß es. Meldepflichtig sind solche Unfälle, die behandlungsbedürftig sind. Darüber hinaus verursachen laut Umfrage viele Vorfälle keine Gesundheitsschäden, die unmittelbar behandelt werden müssen. Sie könnten aber trotzdem krank machen, denn die Psyche der Betroffenen leide darunter, heißt es.

Wichtig: Gesicht zeigen

Hussy zitiert die Worte eines Notarztes und Ortsbrandmeisters der Freiwilligen Feuerwehr, Jan-Henrik Büthe: „Wir wissen vorher nie genau, was uns erwartet. Innerhalb von wenigen Sekunden müssen wir Entscheidungen treffen. Die Situation, dass wir angepöbelt und angegriffen werden, belastet uns doppelt. Am Hals oder am Arm gepackt zu werden und gesagt zu bekommen: ‚Ich hau Dir jetzt eine rein‘, das ist eigentlich bereits Standard.“ Büthe ist einer der Menschen, die bei der anlaufenden DGUV-Kampagne #GewaltAngehen Gesicht zeigt. Er ist nicht angereist, aber einige Kollegen sind an diesem Tag nach Berlin gekommen, um über ihre Erfahrungen im Einsatz zu sprechen. Verbale Beleidigungen wie sexistische Äußerungen erlebt die 22-jährige Rettungssanitäterin Sara Schätz fast täglich. Sie versucht, Beleidigungen „nicht an mich herankommen zu lassen“. Auch im Team werde darüber gesprochen.

Rettungsassistent Philipp Rother, der seit 45 Jahren beim Malteser Hilfsdienst ist, hat auch schon einige brenzlige Situationen durchgestanden. Früher habe er Wertschätzung erlebt, sei stolz auf seine Arbeit gewesen. Er findet harte Worte: „Heutzutage versandet das einfach. Ich fühle mich manchmal wie der Fußabtreter der Nation.“ Was er sich wünscht: Mehr Respekt für die geleistete Arbeit und bessere Vorbereitung auf solche Situationen. „Man muss viel mehr den Finger in die Wunde legen und bekannter machen, dass man uns Unrecht tut.“

Was Kommunen tun können

Schirmherr der Kampagne ist Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter stützt die Kampagne #GewaltAngehen aus Überzeugung“, sagte Staatssekretärin Lilian Tschan. Sie betonte auch, Deutschland habe das ILO-Abkommen Nr. 190 ratifiziert und damit unterstrichen, dass jede Person ein Recht auf eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung habe. „Leider wird das Thema oft bagatellisiert“, bedauerte die Staatssekretärin.

Arbeitgeber oder auch die Kommunen als Träger der freiwilligen Feuerwehr können dazu beitragen, ihre Kräfte zu befähigen, deeskalierend mit der Situation umzugehen. „Die Kommune hat in der Qualifizierung ihrer Feuerwehrleute eine Pflicht, das Thema ‚Wie verhalte ich mich in Situationen, in denen ich verbal und körperlich angegangen werde‘ zu behandeln“, führt Hussy aus.

Mehr Informationen zur Kampagne:
dguv.de

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