Lukas Siebenkotten

Mieterbund: „Wir brauchen jetzt einen Wumms für mehr Sozialwohnungen.“

Carl-Friedrich Höck04. August 2023
Lukas Siebenkotten ist Präsident des Deutschen Mieterbundes.
Wohnraum in Deutschland wird immer knapper und teurer. Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbunds, fordert deshalb ein „Sondervermögen für den bezahlbaren Wohnungsbau“ in Höhe von 50 Milliarden Euro. Lob hat er für das Heizungsgesetz.

Über Monate gab es ein Hin und Her beim Gebäudeenergiegesetz, Falschmeldungen inklusive. Kurz vor der geplanten Abstimmung im Juli griff dann noch das Bundesverfassungsgericht ein und verbot dem Bundestag die Befassung. Wie groß ist die Verunsicherung bei den Mieter*innen?

Die Mieterinnen und Mieter sind stark verunsichert und wissen oft gar nicht, was da auf sie zukommt. Das merken wir täglich in unseren Beratungen. Bei den Vermietern ist es – soweit ich weiß – ganz ähnlich. So etwas sollte nicht wieder passieren, zumal viele Diskussionen und Zwischenstände vor aller Öffentlichkeit ausgebreitet wurden. Das hat nicht gerade zur Vertrauensbildung beigetragen. Mit dem Beschluss des Gesetzes im September wird hoffentlich Klarheit herrschen.

Mit der Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sollen Vermieter*innen Anreize bekommen, Öl- und Gasheizungen auszutauschen. Gleichzeitig sollen Mieter*innen nicht zu stark belastet werden. Ist das mit dem Gesetzentwurf gelungen?

Der Gesetzesentwurf hat Höhen und Tiefen. Gut ist die geplante Kappungsgrenze: Vermieter dürfen für einen Heizungsaustausch die Miete maximal um 50 Cent pro Quadratmeter und Monat erhöhen. Nimmt der Vermieter noch andere Modernisierungen in der Wohnung vor, darf er wie bislang auch die Miete um maximal drei Euro pro Quadratmeter und Monat erhöhen, inklusive der 50 Cent für den Heizungsaustausch. Das ist ein guter Schritt, wir fordern aber außerdem eine Reduzierung der Mieterhöhungsmöglichkeit von jetzt drei auf maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter, damit Mieterinnen und Mieter nicht über die Maßen belastet werden. Verwunderlich finde ich, dass die Vermieter mit dem Gesetzentwurf schlechter gestellt werden als Eigentümer, die ihre Wohnung oder ihr Haus selbst bewohnen.

Inwiefern?

30 Prozent Förderung soll jeder beim Umstieg auf eine klimafreundliche Heizung erhalten. Da sind Eigentümer und Vermieter gleichgestellt. Den „Speed-Bonus“ von anfangs 20 Prozent sollen aber nur Selbstnutzer erhalten, wenn sie ihre Heizung möglichst schnell austauschen. Warum das so ist, erschließt sich mir nicht. In der Summe würde eine Ausweitung der Förderung auf die Vermieter auch die Kosten für die Mieter reduzieren.

Für Mieter*innen, die die Mietsteigerung für den Heizungsaustausch um maximal 50 Cent pro Quadratmeter und Monat nicht schultern können, sind im Gesetzentwurf zudem Härtefallregelungen vorgesehen. Reicht das aus?

Es wird immer Mieterinnen und Mieter geben, die neue Belastungen nicht schultern können. Härtefallregelungen sind deshalb wichtig. Der Entwurf für die GEG-Reform hat hier eine substanzielle Verbesserung: Mieterinnen und Mieter können künftig einen Härtefall auch dann geltend machen, wenn die Miete dadurch steigt, dass der Vermieter etwas macht, das gesetzlich vorgeschrieben ist. Bisher wird nur als Härtefall anerkannt, wenn der Vermieter aus freien Stücken etwas am Haus verändert, das zu einer Mietsteigerung führt. Und das auch nur in Ausnahmefällen. Die neue Regelung stärkt die Position der Mieterinnen und Mieter deutlich.

Vorgesehen ist auch eine zweite Modernisierungsumlage, mit der Mieter*innen an den Kosten für die neue Heizung beteiligt werden sollen. Ist das der richtige Weg?

Die Einführung einer weiteren Modernisierungsumlage ist aus Sicht des Mieterbundes falsch und überflüssig. Es gibt ja bereits eine Umlage, die auch im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist und seit Jahrzehnten angewendet wird. Diese würde den Vermietern auch alle Möglichkeiten geben, die Kosten für einen Heizungsumtausch anteilmäßig weiterzugeben. Wie ich höre, ist die zweite Modernisierungsumlage wohl auf Druck der FDP ins neue Gesetz gekommen. Letztlich ist entscheidend, was auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden darf und was nicht. Dabei gilt die Grundregel, dass Vermieter alles, was sie an öffentlicher Förderung erhalten können, von den Investitionskosten abziehen müssen, bevor sie sie auf die Mieter umlegen können. Im Übrigen fordern wir als Mieterbund schon länger, dass die Modernisierungsumlage abgeschafft wird. Sie wurde ja seinerzeit eingeführt, um die Toiletten im Treppenhaus von Mietshäusern durch Toiletten in den Wohnungen zu ersetzen.

Schon jetzt geben mehr als drei Millionen Mieter*innen 40 Prozent oder mehr ihres Einkommens für die Miete aus. Sie warnen deshalb davor, dass steigende Mieten sozialer Sprengstoff seien. Was befürchten Sie konkret?

Deutschland wächst, aber leider gelingt es nicht, schnell ausreichend Wohnraum zu schaffen. Das hat mit der gesamtwirtschaftlichen Lage zu tun und nicht zuletzt mit dem Mangel an Arbeitskräften. Das führt dazu, dass zurzeit 700.000 Wohnungen fehlen, vor allem im bezahlbaren Bereich. Inzwischen haben auch weite Teile der Mittelschicht große Schwierigkeiten, ihre Miete zu bezahlen bzw. überhaupt erstmal eine bezahlbare Wohnung zu finden. Ohne zu sehr schwarzmalen zu wollen, müssen wir damit rechnen, dass das irgendwann zu erheblichen sozialen Verwerfungen führt, wenn diese Entwicklung nicht umgekehrt wird.

Wo sollte die Politik dafür ansetzen?

Wir hoffen, dass sich bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus erheblich etwas tut. Von den 100.000 geförderten neuen Wohnungen, die im Koalitionsvertrag der Ampel pro Jahr vorgesehen sind, werden im Moment nur 25.000 gebaut. Das ist viel zu wenig – zumal gleichzeitig jedes Jahr mehr Wohnungen aus der Sozialbindung fallen als neue hinzukommen. Die Zahl der Sozialwohnungen schmilzt damit immer weiter ab. Wir brauchen jetzt einen Wumms, eine Offensive für mehr Sozialwohnungen, die von der Bundesregierung initiiert wird und eine Aufbruchstimmung beim Sozialen Wohnungsbau erzeugt. Der Deutsche Mieterbund schlägt daher die Bildung eines Sondervermögens für den bezahlbaren Wohnungsbau in Höhe von 50 Milliarden Euro vor, damit in unserem reichen Land jeder ein ordentliches Dach über dem Kopf hat.

Bei nicht geförderten Wohnungen steigen die Mieten inzwischen schneller als die Kaufpreise. Ist diese Entwicklung überhaupt noch aufzuhalten?

Mit dem entsprechenden politischen Willen schon. Wir fordern deshalb einen Mietenstopp oder zumindest eine erhebliche Begrenzung der Möglichkeiten, die Miete zu erhöhen. In Gegenden, in denen die Nachfrage besonders groß ist, sollten Mieterhöhungen für sechs Jahre komplett ausgeschlossen sein. In Gebieten mit weniger angespannter Lage sollten die Mieten um nicht mehr als zwei Prozent pro Jahr erhöht werden dürfen bzw. sechs Prozent in drei Jahren. Im Moment sind 15 Prozent in drei Jahren erlaubt.

Und gleichzeitig steigen die Nebenkosten, die von vielen bereits als „zweite Miete“ bezeichnet werden.

Auch das ist ein zunehmendes Problem. Leider ist bei den Betriebskosten bislang überhaupt keine Begrenzung vorgesehen. In einem früheren Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz stand sie drin, ist aber im letzten Moment rausgenommen worden. Auch da muss es weitere Entlastungen geben, damit die Mieterinnen und Mieter am Ende nicht deutlich mehr zahlen, auch wenn ihre Kaltmiete vielleicht gar nicht steigt.

 

Dieses Interview wurde zuerst auf vorwaerts.de veröffentlicht.

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