DEMO-Kommunalkongress 2020

Wie die Mobilität von morgen aussehen kann

Carl-Friedrich Höck02. November 2020
Mehr Linienbusse oder On-Demand-Systeme? Unter anderem darüber wurde beim DEMO-Kommunalkongress diskutiert.
Über die Zukunft von Verkehr und Mobilität diskutierte eine Workshop-Runde auf dem DEMO-Kommunalkongress. Der Tenor: Das Auto werde auch in Zukunft benötigt, aber die Politik müsse Alternativen aufzeigen.

Mit den „Anforderungen an die Mobilität von morgen“ befasste sich ein Diskussionsforum auf dem digitalen DEMO-Kommunalkongress am 30. Oktober. Auf dem virtuellen Podium saßen Stefan Heimlich, Vorsitzender des Auto-Clubs Europa (ACE), und Maximilian Rohs, Mobilitäts-Experte bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC).

„Mobilität nicht einschränken”

Dass Handlungsbedarf besteht, machte Rohs anhand einiger Zahlen deutlich: Ein Pkw stehe im Durchschnitt 23 Stunden am Tag ungenutzt herum und werde bei Fahren von nur 1,5 Personen genutzt. Es gebe viele Staus. Der ACE-Chef Heimlich griff das auf: In der Vergangenheit habe ein eindimensional auf Autos reduziertes Verkehrsbild vorgeherrscht. So sei die Teilhabe der Menschen in Zukunft nicht mehr sicherzustellen.

Heimlich sprache sich zugleich dafür aus, weiterhin jedem einzelnen zu überlassen, welches Verkehrsmittel er oder sie nutzen will. Er wolle Mobilität nicht einschränken. Die Politik müsse Leitplanken setzen, Möglichkeiten und Alternativen aufzeigen. Damit bezog er sich auch auf die Kommunen. „Nicht dogmatisch werden“, forderte auch sein Mitdiskutant Rohs. Jedes Verkehrsmittel habe seine Vorteile.

Kommunen sollen mehr steuern

Die Kommunen, so Rohs, müssten künftig eine andere Rolle spielen, indem sie die Spielregeln bestimmen und orchestrieren, wie sich der Verkehr bewegt. „Wir haben kein Infrastrukturproblem, wir haben ein Auslastungsproblem“, meint der PwC-Experte. Da müssten die Kommunen mehr Steuern, dafür könnten sie die Verkehrsdaten nutzen.

Heimlich stimmte zu: Die Verkehrsnetze seien ausgelegt auf Verkehrsspitzen. Diese könne man kappen. Da werde die Diskussion geführt, man müsste das nur mit einer Maut belegen, so wie in London: Je stärker die Verkehrswege ausgelastet seien, desto mehr koste es, in die Stadt hineinzufahren. In Deutschland greife dieser Ansatz aber zu kurz, denn das Land sei geprägt durch viele Zentren. Und derzeit könnten sich viele Arbeitnehmer*innen gar nicht aussuchen, wann sie zur Arbeit in die Stadt fahren, da die Arbeitszeiten zu starr seien. Das ändere sich nun vielleicht mit der Corona-Pandemie. Und mit schnellen Internetverbindungen werde auch Fernarbeit (Remote Work) möglich.

Rohs kommentierte: „Jeder, der sagt, wir brauchen kein Auto mehr, ist vielleicht ein Stück weit auch an der Realität vorbei“. Zugleich sprachen die Diskussionsteilnehmenden aber auch über Alternativen zum eigenen Pkw. So plädierte Rohs für On-Demand- oder Plus-Bus-Systeme, um die Fläche besser an die attraktiven Hauptverbindungen anzuschließen. Auch hier lag Heimlich mit seiner Meinung nicht weit von Rohs entfernt: Das Denken im ländlichen Raum sei noch zu sehr von Standard-Omnibus bestimmt, der auf einer festen Linie alle zehn Minuten kommen solle und dann seien die Probleme gelöst. Tatsächlich brauche es diese Standard-Busse aber nur noch auf wenigen Linien, weil mittlerweile die Datengrundlagen vorhanden seien, um funktionierende On-Demand-Systeme aufzubauen.

ÖPNV verbessern

Moderatorin Katharina Gerlach verwies noch auf einen weiteren Aspekt: Manche Fahrten im ländlichen Raum könne man auch überflüssig machen, wenn die Nahversorgung verbessert wird. In Schleswig-Holstein bekomme zum Beispiel jede Gemeinde einen „Markttreff“. Ein weiterer Diskussionsteilnehmer bemängelte, dass man nicht überall ein Fahrrad im Nahverkehr mitnehmen könne.

Ohnehin sahen die Diskutant*innen Verbesserungsbedarf beim Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV). „Zu viel klein-klein“ kritisierte ACE-Chef Stefan Heimlich. Man müsse den Nahverkehr großflächiger betrachten, weil Nahverkehr nicht an der Gemeindegrenze ende. Rohs bemängelte, dass die Takte der Verkehrsmittel zu wenig aufeinander abgestimmt seien. „Man braucht in vielen Regionen ein Diplom, um den ÖPNV zu nutzen“, sagte er. In der Schweiz gebe es ein landesweites Taktsystem. Zwar werde von der Politik auch schon über den Deutschlandtakt gesprochen, doch es werde wohl noch eine Dekade dauern, bis das umgesetzt sei.

Einig waren sich Rohs und Heimlich, dass das Nahverkehrs-Angebot verbessert werden müsse, wenn mehr Menschen vom Auto auf den ÖPNV umsteigen sollen. Rohs wies darauf hin, weine Preissenkung könne dann erst der zweite Schritt sein. Heimlich erwiderte: Auch die Preise spielten eine Rolle bei der Entscheidung für ein Verkehrsmittel. Ein Problem sei die „Spaghetti-Finanzierung“ des Öffentlichen Nahverkehrs. Es gebe 42 Finanzierungstöpfe. Das durchblicke niemand mehr.

 

Anmerkung: Eine frühere Version dieses Textes hat den Schluss nahegelegt, Stefan Heimlich habe sich für eine Maut ausgesprochen. Dies ist nicht der Fall. Wir haben den Artikel entsprechend geändert.

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