Kommunale Schuldenbremse durch Nachhaltigkeitssatzung

Nachhaltigkeitssatzungen im Kommen

Uwe Roth10. Mai 2016
Wie Nachhaltigkeitssatzungen erfolgreich eingesetzt werden können, um Schulden im kommunalen Haushalt in den Griff zu bekommen oder für künftige Generationen vorzusorgen. Sie sind zunehmend verbreitet – aber nicht überall unumstritten. Das zeigt das Beispiel der Stadt Freudenberg.

Nachhaltigkeitssatzungen können selbst selbst ausgeworfene Rettungsringe hoch verschuldeter Kommunen sein. Oder auch ein Zeichen der Wohlhabenheit schuldenfreier Kommunen, die mit den strengen Vorgaben kaum ins Gehege kommen. Jene Gemeinden, die mit ihren Finanzen irgendwo zwischen diesen Extremen stehen, wissen oft nicht so recht, ob eine in Satzung gegossene Zwangsdisziplinierung ­wirklich nachhaltige Erfolge für den Haushalt bringt.

Die niedersächsische Stadt Twistringen, 30 Kilometer südwestlich von Bremen, ist mit 19 Millionen Euro die am höchsten verschuldete Kommune im Landkreis Diepolz. „Die ­Haushaltssituation ist durchaus als prekär zu bezeichnen“, ließ Bürgermeister Martin Schlake im ­Februar über die Lokalzeitung verlauten. Im März lehnte die Kommunalaufsicht den mit ­heißer Nadel gestrickten Haushalt ab. Nun soll eine Schuldenbremse installiert werden. „Ich möchte über die nächste Wahl­ periode hinaus Pflöcke einschlagen“, so der parteilose Bürgermeister. „Das wollen wir durch eine generationengerechte Nachhaltigkeitssatzung und Haushaltsplanung ermöglichen.“

Keine gesetzliche Pflicht zum Beschluss einer Nachhaltigkeitssatzung

In keinem der 13 Flächenländer besteht eine gesetzliche Pflicht zum Beschluss einer ­ Nachhaltigkeitssatzung. Sie werden freiwillig beschlossen. Die Regelungen sind strenger als die entsprechenden im Haushaltsrecht. Unterschieden wird zwischen Satzungen der ersten und der zweiten Generation. Die erste besteht primär aus Vorschriften, die den Charakter einer kameralen Geldschuldenbremse haben, erläutert Andreas Burth, Betreiber des Onlineportals Haushaltssteuerung.de.

Meistens ist der Fokus auf die Begrenzung der Kredit- und Kassenkreditschulden in Form eines Neuverschuldungs- oder eines generellen Verschuldungsverbots gelegt. Die zweite Generation hat einen doppi- schen Charakter und legt den Fokus auf die ortsrechtliche Verankerung des Modells einer doppischen Kommunalschuldenbremse mit „Generationenbeitrag“. Diese Sonderabgabe soll sicherstellen, dass das ordentliche Ergebnis dauerhaft ausgeglichen ist.

Freudenberg hebt Nachhaltigkeitssatzung auf

Diesen ehrgeizigeren Weg zum soliden Haushalt ist ursprünglich die 18.500-Ein wohner-Stadt Freudenberg im Landkreis Siegen-Wittgenstein gegangen. Dort wurde im Jahr 2014 eine Satzung verabschiedet. Schon damals gegen den Willen der SPD im Rat. Nach der Kommunalwahl haben sich die Machtverhältnisse geändert. Gemeinsam mit der Alternativen Liste setzte die SPD gegen den Widerstand von CDU, Grüne und FDP die Satzung außer Kraft. Die im September 2015 gewählte Bürgermeisterin Nicole Reschke (SPD) erklärt wieso: Das Vorziehen der Haushaltskonsolidierung von 2020 auf 2017 wäre nur mit einer Erhöhung der Grundsteuer B für bebaute sukzessive von 480 auf knapp unter 1000 Punkte möglich gewesen. Dagegen habe die Bürgerschaft rebelliert. Die Grundsteuer B besteuert den Grund und Boden einschließlich der Gebäude.

Reschke zeigt dafür Verständnis. Sparen geht ohne Zwangsfesseln, ist sie überzeugt. So seien ein Hallenbad geschlossen und kommunale Gebäude verkauft worden. Das Konsolidierungsziel liegt wieder im Jahr 2020. Im vergangenen Jahr beliefen sich die Kassenkredite auf rund eine Million Euro. Überschaubar, sagt die 37-Jährige. „Ich habe daher nicht die große Sorge, dass wir das Ziel verfehlen. Aber eine Kraftanstrengung ist es schon.“

Overath will Schulden abbauen

Im 250 Kilometer entfernten Overath hat man sich hingegen an die Nachhaltigkeitssatzung gewöhnt. „Alle Fraktionen haben sich parteiübergreifend auch im Jahr 2016 zu den Erfordernissen der Nachhaltigkeitssatzung bekannt. Das Hauptziel  eines ausgeglichenen Haushaltes wird von den Mitgliedern des Rates getragen und konsequent verfolgt“, teilt Bürgermeister Jörg Weigt (SPD) mit. Für das laufende Jahr mussten keine neuen Kredite aufgenommen, von 2017 an sollen Schulden abgebaut werden. Wegen der Anhebung der Grundsteuer B habe es jedoch Unmut in der Bevölkerung gegeben.

Ingelheim am Rhein sorgt für künftige Generationen vor

In Ingelheim am Rhein (Rheinland-Pfalz) kann man sich hingegen eine Nachhaltigkeitssatzung leisten, die keine kommunalpolitischen Umstände macht. Oberbürgermeister Ralf Claus (SPD) sagt: „Die Stadt verfügt über eine komfortable Finanzausstattung. Wir sind schuldenfrei und unsere Rücklagen sind nicht unerheblich.“ Dennoch habe sich der Stadtrat auf seine Initiative hin entschlossen, für künf-
tige Generationen vorzusorgen. „Wir haben uns über die Satzung unter anderem selbst verpflichtet, eine Mindestreserve nicht zu unterschreiten. Auf diese Weise wollen wir dafür sorgen, dass auch in Zukunft wichtige Investitionen realisiertwerden können.“