Gesunde Städte

Netzwerk für Gesundheit

Bernd Neuendorf12. Juli 2019
Der idyllische Revierpark Gysenberg in Herne bietet seinen Besucherinnen und Besuchern neben dem Genießen der Natur viele weitere Freizeitmöglichkeiten wie etwa Sport.
Herne gehört seit 1990 zum „Netzwerk Gesunde Städte“ – das Thema Gesundheit ist Querschnittsaufgabe im Rathaus.

Über Herne, das weiß Katrin Linthorst leider nur allzu gut, werde häufig eher negativ berichtet. Die Stadt im Ruhrgebiet, einst geprägt vom Steinkohlebergbau, hat wie viele Orte in der Region mit dem Strukturwandel zu kämpfen. Bei Städte­rankings findet sich die 160.000 Einwohner zählende Kommune häufig auf den hinteren Plätzen wieder. Dabei, so die Fachbereichsleiterin Gesundheitsmanagement der Stadt, beruhten diese Rankings häufig auf veralteten Daten. Und überhaupt: Von derartigen Erhebungen lässt sich die promovierte Gesundheits- und Sozialwissenschaftlerin nicht sonderlich beeindrucken.

Katrin Linthorst leitet den Fachbereich Gesundheitsmanagement in Herne. Foto: Frank Dieper/Stadt Herne

„Mehr Lebensqualität“

Sie richtet den Blick nach vorne, will gestalten. „Wir wollen den Menschen in Herne mehr Lebensqualität bieten. Und das bedeutet vor allem, dass wir im Bereich Gesundheitsförderung sehr aktiv sind.“ In der Tat hat es die Stadt geschafft, das „versäulte Denken“ der Verwaltung aufzubrechen und das Thema Gesundheit im Rathaus zu einem echten Querschnittsthema zu machen.

Vor allem aber ist es gelungen, in der Kommune eine regelmäßig stattfindende Präventions- und Gesundheitskonferenz zu etablieren, in der Akteurinnen und Akteure aus Politik, Verwaltung, Hochschulen, Krankenkassen- und -häusern sowie anderen Bereichen sich austauschen und Handlungsempfehlungen erarbeiten. Ziel ist es, das Leben in der Stadt schrittweise gesünder zu machen, insbesondere in sozial benachteiligten Staddtteilen. Diese Plattform habe bundesweit durchaus Vorbildcharakter, sagt Katrin Linthorst.

30 Jahre Gesunde-Städte-Netzwerk

Das Gesunde-Städte-Netzwerk Deutschland, dem Herne seit 1990 und damit fast von Anfang an angehört, hat die Stadt sogar im Jahr 2002 zum deutschlandweiten Kompetenzzentrum für lokale Gesundheitskonferenzen auserkoren. Wer eine solche durchführen möchte, dem steht Herne als Ansprechpartner bereit.
In diesen Tagen hat das Netzwerk seinen 30. Geburtstag gefeiert und kann auf eine wahre Erfolgsgeschichte zurückblicken. Nach den ursprünglich zehn Gründungsmitgliedern sind heute 84 Städte und Gemeinden Mitglied des Verbundes.

Sie wollen mit ihrem frei­wiligen Zusammenschluss einen Beitrag leisten, dass sich vor allem die gesundheitliche Situation ärmerer Menschen nachhaltig verbessert. Fred Beier, Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Nürnberg, schreibt in einem Beitrag anlässlich des Jubiläums des Netzwerkes: „Der Abstand zwischen Arm und Reich, was die Länge des Lebens betrifft, hat in den letzten Jahren eher zugenommen.“ Um so dringender sei es, den politisch teilweise immer noch geringen Stellenwert der Gesundheitsförderung in den Kommunen zu steigern.

„Nein-Punkte-Programm“

Ein sogenanntes „Neun-Punkte-Programm“ umreißt die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft. Unter anderem müssen ein förmlicher Ratsbeschluss existieren und ein Koordinator oder eine Koordinatorin benannt werden, die den Austausch innerhalb der Mitgliedskommunen pflegen, Projekte steuern und den Austausch und die Vernetzung in der jeweiligen Kommune organisieren. In diesen Austausch werden ausdrücklich auch Initiativen und Selbsthilfegruppen einbezogen.

Niederschwellige Angebote

Katrin Linthorst ist überzeugt: „Die Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebenswelten in Herne und in anderen Städten und Landkreisen ist ebenso wichtig, wie die persönliche Gesundheitsvorsorge.“ Man müsse Hilfs- und Unterstützungsangebote transparent machen und bei Bürgerinnen und Bürgern (Gesundheits-)Kompetenzen ausbilden. Aus diesem Grund organisiert Herne in einem besonderen Quartiersprojekt „First Mover“ niedrigschwellige Zugänge zu gesundheitsfördernden Maßnahmen und Angeboten. Die Menschen versucht das städtische Team der Gesundheitsförderung,  über Wohlfahrtsverbände, Schulen und Kitas zu erreichen.

Von Bewegungsangeboten für Kinder über gesundes Essen bis hin zur Zahnpflege reicht die Palette der Angebote. Einmal jährlich wird in Herne auch eine Gesundheitswoche mit jeweils einem besonderen Schwerpunkt durchgeführt. Darüber hinaus ist bei Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) eine Koordinationsgruppe für Präven­tion angesiedelt.
„Unsere Mitgliedschaft im Gesunde- Städte-Netzwerk stellt trotz der vielfältigen Herausforderungen in der Stadt niemand in Frage“, betont Linthorst. Der Mehrwehrt eines strukturierten und planvollen Vorgehens bei der Gesundheit und der Schaffung von mehr Lebensqualität finde bei Politik und Verwaltung breiten Zuspruch. In einem solchen Ranking läge Herne weit vorne.

Ottawa-Charta

Grundlage für die Arbeit des Netzwerkes ist die sogenannte Ottawa Charta der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahre 1986.
Sie reklamierte das Prinzip des „Health in all policies“, also die Berücksichtigung des Aspektes Gesundheit in allen Politikbereichen und bei allen politischen Entscheidungen in den Mittelpunkt stellte.“
Inzwischen bestehen in 29 Ländern Europas Netzwerke mit mehr als tausend Städten und Gemeinden. Die Relevanz kommunaler Lebenswelten für das Wohlbefinden ist seither deutlich gestiegen.