Gesundheit

Suchen Ärzte, bieten Praxisräume

Susanne Dohrn 25. März 2022
Kooperieren für mehr Ärzte in der Stadt: Marie-Kristin Wendt von der Ärztegenossenschaft Nord, der SPD-Stadtverordnete Jan-Uwe Schadendorf und Bürgermeisterin Verena Jeske (v. l.).
Ärzte sind knapp, vor allem auf dem Land. Bad Bramstedt hat deshalb ein Medizinisches Versorgungszentrum gegründet. Das bringt Vorteile.

ein Arzt nach dem anderen geht in den Ruhestand. Niemand findet sich, der die Praxis übernimmt. Um die ärztliche Grundversorgung zu sichern, beschloss die Stadtverordnetenversammlung in Bad Bramstedt deshalb 2020, ein kommunales Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zu gründen. Die Entscheidung war der Stadtpolitik nicht leichtgefallen, erinnert sich ­Verena Jeske, seit 2019 Bürgermeisterin der 15.000-Einwohner-Stadt. Teile der Politik seien zunächst der Ansicht gewesen, die Ärztenachfolge werde sich von allein ­lösen. Zudem hätten Kommunen keine Erfahrung mit der Sicherstellung ärztlicher Versorgung, und auch die hohen Kosten schreckten ab. „Es hat einiger Argumentation bedurft“, sagt die Bürgermeisterin, die schon in ihrem Wahlkampf die medizinische Versorgung in Bad Bramstedt zu ihrem Thema gemacht hatte.

Die Gründungsphase

Ohne fachliche Unterstützung hätte die Kommune es nicht geschafft. Am Anfang stand eine Erstberatung der Ärztegenossenschaft Nord. Die Ärztegenossenschaft unterstützt unter anderem die Gründung von Ärztezentren. In ihr sind knapp die Hälfte der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in Schleswig-Holstein organisiert. Die Ärztegenossenschaft Nord erstellte mithilfe von Fördermitteln der Aktivregion Auenland – einem EU-Projekt zur Entwicklung des ländlichen Raums – eine Machbarkeitsstudie, eine Projektstudie und einen Businessplan, informierte über Erfahrungen mit Gründung und Betrieb von MVZ in anderen Kommunen und organisierte einen Besuch der bundesweit ersten kommunalen Einrichtung dieser Art in Büsum. Die SPD habe dabei von Anfang an fest an ihrer Seite gestanden, sagt die Bürgermeisterin. Jan-Uwe Schadendorf, während der Gründungsphase Fraktionsvorsitzender der SPD in der Stadtverordnetenversammlung unterstreicht: „Wir waren von Anfang an überzeugt, dass wir die ärztliche Versorgung in Bad Bramstedt auf Dauer nur mit einem MVZ in kommunaler Trägerschaft sichern können.“

Die Organisation

Das Ärztezentrum in Büsum ist kurz davor, schwarze Zahlen zu schreiben, sagt Marie-Kristin Wendt von der Ärztegenossenschaft. Sie ist Geschäftsführerin des MVZ in Bad Bramstedt und die „Kümmerin“, wie sie es nennt. Die Stadt ist zwar alleiniger Gesellschafter, wäre aber mit Verwaltung, Abrechnungen und Personalsuche für ein solches Zentrums überfordert. Das übernimmt Geschäftsführerin Wendt. Für die im Zentrum angestellt Arbeitenden heißt das: Um Verwaltung müssen sie sich nicht kümmern. Sie können sich ganz auf ihre Patienten konzentrieren. Die drei freiberuflichen Hausärzte, die dort eingezogen sind, haben ihre Selbstständigkeit aufgegeben. „Sie haben den Gründungsprozess begleitet, weil es ihnen wichtig war, dass ihre Patientinnen und Patienten auch nach ihrem Ruhestand in Bad Bramstedt betreut werden können“, sagt Jeske. Das ließ sich nur mit einem MVZ sicherstellen, denn der Beruf hat sich gewandelt. Zwei Drittel der Studierenden in der Medizin sind Frauen und viele wollen angestellt und mit geregelten Arbeitszeiten tätig sein. Inzwischen arbeiten im MVZ vier Ärztinnen und ein Arzt.

Die Kosten

Gründung und Betrieb haben die Stadt Bad Bramstedt sehr viel Geld gekostet. 650.000 Euro musste der Rat für den Umbau der Räume, Inventar und Geräte bereitstellen. Außerdem muss die Stadt die Gehälter vorfinanzieren, bis die Krankenkassen die Abrechnungen begleichen. Zudem bürgt die Stadt mit 100.000 Euro für jeden angestellten Arzt. Das verlangen die Krankenkassen für eventuelle Regressansprüche, zum Beispiel wegen zu teurer Verordnungen. Die Stadt hofft, dass sich das MVZ nach ein paar Jahren selbst trägt. Da es als gGmbH (gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung) gegründet wurde, können eventuelle Gewinne für gemeinnützige Zwecke genutzt werden, so die Bürgermeisterin.

Die Zukunft

In Schleswig-Holstein sind die kommunalen MVZ ein Erfolgsmodell. Inzwischen gibt es neun, von der Nordseeinsel ­Pellworm bis zur Gemeinde Silberstedt im Norden des Landes mit gut 2.000 Einwohnern. In Bad Bramstedt stehen Veränderungen an. Ein privater Investor will in der Stadt ein großes Gesundheitszentrum bauen. In dem Gebäude wäre Platz für verschiedene Gesundheitsdienstleister, zum Beispiel eine Apotheke, Physiotherapeuten, Kinderarzt, Tagesklinik und einen Anästhesisten. Dann wären kleinere Operationen vor Ort möglich und weite Wege ins Krankenhaus nicht nötig, wünscht sich Bürgermeisterin Jeske. Auch das MVZ könnte dort einziehen, mit mehr Platz und der Möglichkeit, weitere Ärzte hinzu­zugewinnen.