Serie: Barrierefreie Gebäude- und Freiraumgestaltung

Was der Planungsansatz „Design für Alle“ bedeutet

Manfred Häpp22. Oktober 2020
Blinde und sehbehinderte Menschen benötigen jedoch taktile und kontrastreiche Leiteinrichtungen, an denen sie sich orientieren können.
Die Lebensqualität von Menschen wird am Standort durch die Bereiche Wohnen, Arbeit und Freizeit bestimmt. Dabei spielen die Mobilität und der Zugang zu Gebäuden eine nicht unerhebliche Rolle. In einer DEMO-Serie sollen verschiedene Aspekte barrierefreier öffentlicher Gebäude und Außenräume beleuchtet werden. Der 3. Teil der Serie erläutert den Planungsansatz „Design for all“ und dem Normentwurf DIN EN 17210.

Der Planungsgrundsatz „Design for all“ mit sozialem Aspekt zielt darauf ab, den Zugang zur Infrastruktur für möglichst alle Menschen so herzustellen, dass sie ohne fremde Hilfe nutzbar ist. Das zentrale Element ist dabei auch die Barrierefreiheit. Dem Konzept liegen fünf Handlungskriterien zugrunde:

  • Gebrauchsfreundlichkeit, d. h. einfach und sicher nutzbare Produkte zu gestalten.
  • Anpassbarkeit in der Produktentwicklung für unterschiedliche Nutzergruppen nach ihren Bedürfnissen.
  • Nutzerorientierung, d. h. Einbeziehen der Nutzerperspektive vom Beginn der Produktentwicklung.
  • Ästhetische Qualität. d. h. keine Stigmatisierung von Personen bei der Produktentwicklung. Das Produkt erlangt so mehr Attraktivität.
  • Marktorientierung, d. h. es soll eine breite Produktpositionierung erreicht werden.

Der Abbau von physischen Barrieren kommt dabei allen Menschen zugute. Bei diesem Planungskonzept geht es bezogen auf ein Gebäude um dessen Gebrauchstauglichkeit. Barrierefreiheit ist für zehn Prozent der Bevölkerung notwendig, für 30 Prozent hilfreich und für alle anderen Menschen komfortabel. Sie schafft langfristig und nachhaltig für alle Bevölkerungs- und Altersgruppen ein hohes Maß an Lebensqualität im öffentlichen Raum. 

Beispielsweise kann ein Haltegriff in einem öffentlich genutzten Bad aus Aluminium oder Edelstahl gefertigt sein (ästhetischer Aspekt) und gleichzeitig unabhängig von der Zielgruppe griffsicher sein (funktionaler Aspekt im Sinne der Gebrauchsfreundlichkeit). Ein einfacher Unfall kann jeden Menschen dauerhaft in seiner Mobilität einschränken.

In vielen Belangen stimmen die Anforderungen der unterschiedlichen Bedürfnisgruppen an barrierefreie Verkehrsanlagen überein, teilweise unterscheiden sie sich aber auch. Blinde Menschen haben baulich andere Bedürfnisse als Rollstuhlfahrer. Großflächige ebene Bereiche sind für Rollstuhlfahrer die optimale Lösung. Blinde und sehbehinderte Menschen benötigen jedoch taktile und kontrastreiche Leiteinrichtungen, an denen sie sich orientieren können.

Daher sind im Planungsprozess stets die Anforderungen aller Bedürfnisgruppen im Sinne des „Designs für Alle“ ein lösungsorientiertes Planungsinstrument. Der Planungsgrundsatz ist daher zielgruppenübergreifend und sucht nach dem gemeinsamen Nutzen, zum Beispiel eine gut lesbare Schrift auf kontrastierendem Hintergrund ohne Blendeffekt oder ein intuitiv bedienbares Display mit eindeutigen Symbolen.

Normentwurf DIN EN 17210

Der Normentwurf DIN EN 17210 „Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umgebung – Funktionale Anforderungen“  wurde bis Frühjahr 2019 erarbeitet und im Mai 2019 für die öffentliche Eingabe bis Mitte Juli 2019 freigegeben. Der Entwurf wird nun abschließend beraten. Mit dieser Norm soll  eine möglichst große Gruppe mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Eigenschaften angesprochen werden. Einbezogen sind Menschen mit einem Handicap und ältere Menschen. Ein Anliegen ist es, den Gesichtspunkt des demografischen Wandels einschließlich der körperlichen Veränderungen und Anforderungen zu berücksichtigen.

Im Entwurf werden überwiegend „Muss-Vorgaben formuliert. Es wurden auch rechtliche Rahmenbedingungen und Gründe für die Formulierung von Anforderungen beschrieben. Mögliche physische und kognitive Einschränkungen mit entsprechenden baulichen Lösungsansätzen werden bildlich beschrieben. Ein Technischer Bericht – CN TR 1 und 2 als Technische Leistungskriterien für die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der gebauten Umgebung – soll noch erarbeitet werden. Die neue verbindliche europäische Norm wird gemeinsam dem Technischen Bericht langfristig die DIN 18040 mit ihren jeweiligen Teilen ersetzen und deren Anforderungen ergänzen.

Sobald die EN-Norm nach der Eingabebearbeitung veröffentlicht worden ist, muss die DIN 18040 innerhalb von weiteren drei Jahren angepasst werden. Auch für die Ausschreibungen auf EU-Ebene wird diese Norm dann verbindlich sein. Deutschland, Belgien, Finnland und die Schweiz lehnen unterdessen die Entwurfsnorm ab. Der Verband der hörbehinderten Menschen hat Eingaben zur Norm geliefert. Die Bundesarchitektenkammer und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienwirtschaft GdW haben den Entwurf ebenfalls abgelehnt.

Teil 1: Rechtliche Grundlagen der barrierefreien Gebäude- und Freiraumgestaltung

Teil 2: Überblick über die maßgeblichen Normen im Kontext der Barrierefreiheit

Teil 4 beschäftigt sich mit Finanzierungsmöglichkeiten und einem Ausblick