Kommunalverbände und Bundesarbeitsagentur warnen

Reform Bürger-Geld: Jobcentern droht Finanznot

Uwe Roth03. Juli 2023
Jobcenter im Landkreis Ludwigsburg
Seit 1. Juli läuft Phase zwei der Bürgergeld-Einführung. Sie verspricht Jobcenter-Kund*innen mehr Service. Die Bundesagentur für Arbeit sowie Landkreis- und Städtetag sehen die Jobcenter darin aber überfordert. Gemeinsam fordern sie mehr Geld.

Die über 400 Jobcenter in Deutschland kennen das Dilemma seit Jahren: Bekommt die Verwaltung mehr Geld für Personal, um Klient*innen besser betreuen zu können, geht das häufig auf Kosten des Etats für die Fort- und Weiterbildung. Das jedoch soll deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern und die Abhängigkeit vom Bürgergeld verkürzen. Fachpersonal für Beratung und Betreuung aber kostet seit Jahren immer mehr. Die Jobcenter-Budgets waren schon zu Hartz IV-Zeiten nicht üppig. Die Ukraine-Geflüchteten bringen zusätzlich zu den Langzeitarbeitslosen eine weitere Belastung.

Nun sollen die Jobcenter mit der zweiten Stufe der Reform, die seit 1. Juli läuft, noch mehr Aufgaben stemmen. Das wird nicht funktionieren, beklagen die Bundesagentur für Arbeit, der Deutsche Städtetag sowie der Deutsche Landkreistag in einem gemeinsamen Positionspapier. Darin fordern sie von der Bundesregierung eine „auskömmlichen Mittelausstattung“ für die anspruchsvolle Arbeit der Mitarbeitenden in den Jobcentern. Vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Ukraine müssten zusätzliche Finanzmittel in Relation zur Anzahl an ukrainischen Flüchtlingen pro Jobcenter verteilt werden. Das Finanzministerium hat diesem Montag angekündigt, in den kommenden Jahren einen strikten Haushaltskurs verfolgen zu wollen.

Mittel zur Eingliederung Langzeitarbeitsloser umgeschichtet

Statt die Verwaltungskosten für die Reform anzuheben, seien diese im Jahr 2023 sogar gekürzt worden, heißt es in dem Dokument. Die sei „nachdrücklich zu kritisieren“: Die Jobcenter treibe die Kürzung „umso stärker in die Notwendigkeit, Mittel zur Eingliederung Langzeitarbeitsloser in den Verwaltungskosten umzuschichten“. In diesem Jahr planen die meisten Jobcenter demnach „mit einer Umschichtung von über einer halben Milliarde Euro, was einer Verdopplung im Vergleich zum letzten Jahr entspricht“. Ziel des Bürgergeld-Gesetzes sei aber, dass die Jobcenter langzeitarbeitslose Menschen besser betreuen und in die Arbeit integrieren zu können. Dafür benötigten sie „sowohl im Verwaltungskosten- als auch im Eingliederungsmittel-Budget entsprechende finanzielle Ressourcen“. Das jeweilige Budget, das den Jobcentern zur Verfügung gestellt werde, müsse für die Erfüllung ihrer anspruchsvollen Aufgaben ausreichend sein.

Die wichtigsten Änderungen seit 1. Juli 2023:

  • Das Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich für die Teilnahme an einer berufsabschlussbezogenen Weiterbildung und der Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro für die Teilnahme an Maßnahmen, die für eine nachhaltige Integration von besonderer Bedeutung sind, motivieren zur Qualifizierung.
  • Umschulungen müssen nicht mehr verkürzt werden, sondern können unter bestimmten Voraussetzungen für die gesamte Dauer gefördert werden.
  • Kundinnen und Kunden erarbeiten gemeinsam mit dem Jobcenter einen Kooperationsplan statt der bisherigen Eingliederungsvereinbarung. Der neue Kooperationsplan ist rechtlich unverbindlich und stellt eine vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit in den Mittelpunkt. Er dient als gemeinsamer Fahrplan und fasst das Ziel am Arbeits- oder Ausbildungsmarkt, und welche Schritte dafür unternommen werden müssen, auf einen Blick und in verständlicher Sprache kompakt zusammen.
  • Bei Meinungsverschiedenheiten in der Erstellung oder Fortschreibung des Kooperationsplans kann ein Schlichtungsverfahren helfen.
  • Bürgergeld-Beziehende mit ergänzendem Einkommen erhalten spürbar höhere Freibeträge.
  • Die Kundinnen und Kunden mit besonderen individuellen Problemlagen (z. B. finanzieller, gesundheitlicher oder familiärer Art) können freiwillig mit einer ganzheitlichen Betreuung unterstützt werden. Dies kann je nach Wunsch und Bedarf auch aufsuchend erfolgen.

weiterführender Artikel