Bezahlbares Wohnen

SPD drängt auf schnelle Neuregelung zum Vorkaufsrecht

Carl-Friedrich Höck28. Januar 2022
Kevin Kühnert im Bundestag
Das Vorkaufsrecht soll Kommunen bald wieder als Instrument zur Verfügung stehen, um Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen. Bauministerin Klara Geywitz plant eine zügige Lösung. Am Freitag diskutierte der Bundestag über das Thema.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) will das kommunale Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten zügig neu regeln. Deshalb will sie das Thema unabhängig von der geplanten Novelle des Baugesetzbuches angehen. Das berichten mehrere Medien. Das Bundesverwaltungsgericht hat die bisher übliche Praxis zur Ausübung des Vorkaufsrechtes im vergangenen Jahr für rechtswidrig erklärt.

SPD will Vorkaufsrecht absichern

Das Thema war am Freitag Gegenstand einer Debatte im Bundestag. „Wir nehmen nicht hin, dass eines der wichtigsten Instrumente des Mieterschutzes entfällt“, stellte die SPD-Abgeordnete Claudia Tausend klar. Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart zu prüfen, ob sich aus der Gerichtsentscheidung „gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt“.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert verwies darauf, dass während der Koalitionsverhandlungen zum Urteil nur eine schmale Pressemitteilung vorgelegen habe. Daher sei nicht klar gewesen, welche Auswirkungen das Urteil über den konkreten Einzelfall hinaus habe. „Heute wissen wir, es ist eine grundsätzliche Entscheidung gewesen.“ Im Bundestagsplenum appellierte Kühnert auch an die FDP, zu einer schnellen Lösung zu kommen. Die Grünen wollen das Vorkaufsrecht ebenfalls wieder für Kommunen anwendbar machen.

FDP will weiter prüfen

Der FDP-Abgeordnete Lars Rainer Semet sagte, die vereinbarte Prüfung des Urteils stehe noch an. Nur sauber ausgearbeitete Gesetze würden Rechtssicherheit bieten. „Auch wir halten es für nötig, den Kommunalen ein weitgehendes Recht zur Gestaltung an die Hand zu geben“, erklärte Semet. Neben dem Erhalt gewachsener Strukturen müsse aber auch der Neubau von Wohnungen in den Blick genommen werden.

Anlass für die Debatte war ein Antrag der Fraktion Die Linke. Er wurde zur Beratung in den Bauausschuss überwiesen. Vertreter*innen von CDU/CSU und AfD lehnten das Vorkaufsrecht ab und kritisieren den Milieuschutz grundsätzlich.

In Berlin hunderte Wohnungen erworben

Das Vorkaufsrecht steht Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen zu, etwa in sogenannten Milieuschutzgebieten (soziale Erhaltungsgebiete). In den vergangenen Jahren wurde es vermehrt in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten genutzt. Allein in Berlin haben die Bezirke im Jahr 2020 mit dem Vorkaufsrecht 576 Wohnungen erworben – in der Regel zugunsten einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft oder einer gemeinnützigen Genossenschaft. Darüber hinaus konnten zahlreiche Käufer*innen mit dem Druckmittel des Vorkaufsrechts dazu gebracht werden, eine Abwendungsvereinbarung zu unterschreiben. Darin verpflichten sie sich zum Beispiel auf Luxussanierungen oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu verzichten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dieser Praxis jedoch einen Riegel vorgeschoben. Am 9. November 2021 urteilten die Richter*innen, dass Kommunen das Vorkaufsrecht nicht aufgrund der Annahme ausüben dürfen „dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde“. Das bedeutet: Die Befürchtung allein, dass Mieter verdrängt werden könnten, genügt als Begründung nicht.

Mieterbund und Großstädte machen Druck

Nach Ansicht des Deutschen Mieterbundes ist das Vorkaufsrecht damit nutzlos. Die Gemeinde dürfe das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten nach der neuen Rechtsprechung nur noch geltend machen, wenn es sich um eine zweckentfremdete Schrottimmobilie handele, erklärt der Mieterbund in einem Statement. Präsident Lukas Siebenkotten sagt: „Wir fordern daher eine zügige Reform des Baugesetzbuches, damit das Zuhause der betroffenen Mieterinnen und Mieter sicher bleibt.“

Auf eine Neuregelung drängen auch die Rathauschef*innen von Berlin, Hamburg und München. Franziska Giffey, Peter Tschentscher und Dieter Reiter (alle SPD) haben eine gemeinsame Initiative zur Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts gestartet. Insbesondere auf angespannten Wohnungsmärkten in Milieuschutzgebieten seien Vorkaufsrechte ein wichtiges Instrument, um gewachsene Strukturen von Bewohnerinnen und Bewohnern vor Verdrängung zu schützen, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Das Vorkaufsrecht helfe bezahlbaren Mietwohnraum zu erhalten und Immobiliengeschäften mit spekulativer Absicht entgegenzuwirken.

weiterführender Artikel