DEMO-Kommunalkongress 2016

Steigende Mietpreise: Wie bleibt Wohnraum bezahlbar?

Carl-Friedrich Höck03. November 2016
Olaf Scholz
Olaf Scholz auf dem DEMO-Kommunalkongress
Auf dem 11. Demo-Kommunalkongress in Berlin war eines der wichtigsten Themen der enorme Anstieg der Mietpreise in den deutschen Großstädten. Welche Möglichkeiten haben Städte und Kommunen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?

Prominenter Besucher der Veranstaltung: Olaf Scholz, Erster Bürgermeister Hamburgs. Der Hanseat machte die Problemlage auf dem Wohnungsmarkt zum Thema seiner Rede. Gebraucht werde ein Wohnraum für alle Einkommensschichten, „gemischte Quartiere“ müssten ermöglicht werden. „Diese Mischung macht einen Teil der Lebensqualität unserer Städte aus,“ so Scholz.

Baurechtliche Regulierungen abbauen

Der Bürgermeister berichtete aus Hamburg: „Wir haben uns 2011 das Ziel gesetzt, 6000 Wohnungen pro Jahr zu bauen. Wir haben es geschafft, letztes Jahr haben wir uns mit 8000 Wohnungen sogar übertroffen.“ Mit Mietrechtsregeln allein könne die Preissteigerung auf dem Wohnungsmarkt nicht begrenzt werden. Scholz Forderung: „Wir müssen den Sozialen Wohnungsbau wieder fördern.“

Als ein großes Hindernis sieht Scholz die baurechtlichen Regulierungen innerhalb Deutschlands an. Es gebe strenge Vorschriften, etwa zur erlaubten Gebäudehöhe. Auch die Einhaltung des Lärmschutzes sei häufig ein Problem für Bauvorhaben. Die über Jahrzehnte immer wieder verschärften Auflagen hält Scholz für eine Fehlentwicklung. Wer sich entschieden habe, in einer Stadt zu wohnen, müsse auch eine höhere Lärmbelästigung in Kauf nehmen als auf dem Land, „wo der Nächste 1000 Meter entfernt wohnt“.

Reihensiedlungen zur Kostenminimierung

Es sei auch kein Drama, wenn die gleichen Gebäudekomplexe an mehreren Stellen innerhalb der Stadt errichtet würden. „Wenn etwas in Serie produziert wird, dann wird es billiger“, sagte Scholz. „Ich bin in einer Reihenhaussiedlung aufgewachsen, und ich kann sagen: Ich hatte trotzdem eine glückliche Kindheit.“

Kein Stadtbewohner dürfe durch hohe Mieten gezwungen werden, in den städtischen Randbereich zu ziehen. „Wer gezwungen wird, lange Wege auf sich zu nehmen, der darf die Politik zu Recht beschuldigen, nichts gemacht zu haben.“ Ein zügiger Neubau von bezahlbaren Wohnungen sei auch wegen der Flüchtlinge notwendig. „Sollen wir den Flüchtlingen sagen: ‚Hier ist eure Wohnberechtigung, in fünf Jahren könnt ihr einziehen?’“, fragte Scholz.

„Wir laufen den Entwicklungen hinterher“

Die Teilnehmer des Kongresses diskutierten auch in verschiedenen Workshops engagiert über die gegenwärtige Schieflage auf dem städtischen Wohnungsmarkt. Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt in Berlin, kennt die Probleme im urbanen Wohnungsbau nur zu gut. Grundsätzlich gebe es zwei Möglichkeiten, um bezahlbare Mieten zu ermöglichen: Einerseits könne der Mietpreis gedämpft, andererseits der Wohnungsbau gefördert werden.

„Die kommunalen Möglichkeiten, um die Mietpreisentwicklung zu stoppen, haben wir bereits ausgereizt,“ sagte Geisel. Also bleibe nur der Neubau von Wohnungen. Doch die Gebäude, die gebaut würden, seinen meist keine Miets-, sondern Eigentumswohnungen ­– und somit Investitionsobjekte. „Wir laufen den Entwicklungen hinterher,“ so Geisel.

„Privatisierung war ein Fehler“

Klaus Mindrup, Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, machte als einen großen Fehler die Privatisierung des Sozialen Wohnungsbaus aus. „In den 90er Jahren wurden viele Gebäude aus dem Bestand des kommunalen Wohnungsbaus verkauft. Das war ein gigantischer Fehler, den man jetzt nicht mehr rückgängig machen kann.“

Heute gelte es, langfristig zu planen ­– also im Zeitraum von Jahrzehnten. Es müssten die Anbieter bevorzugt werden, die sich für bezahlbare Mieten einsetzen: städtische Baugesellschaften und Genossenschaften. Doch wo sollen die neuen Häuser innerhalb der Städte hin? „Flächen haben wir eigentlich genug,“ meinte Bausenator Geisel. Doch die Bevölkerung sei häufig gegen die Bebauung freier Flächen. „Wir müssen ein Instrument finden, das die Menschen verbindlich in die Stadtplanung miteinbezieht“, so Geisel. Außerdem müssten höhere Gebäude gebaut werden dürfen als bisher.

„Gebraucht wird umfassende Mietrechtsreform“

Als positives Beispiel im Sozialen Wohnungsbau gilt Wien. 50 Prozent der dortigen Bevölkerung leben in städtisch geförderten Wohnungen. Thomas Ritt, Abteilungsleiter in der Wiener Kommunalpolitik, dämpfte allerdings die Hoffnungen, Wien könne ein klares Vorbild sein. „Wir haben die gleichen Probleme.“ Für einen Platz in einer Sozialwohnung müsse man heute bis zu drei Jahre warten. Besonders schwierig sei es für die Stadt, an bezahlbares Bauland zu gelangen.

Auch die Mietpreisbremse fiel im Urteil der Redner nicht allzu positiv aus. „Das beste daran ist der Name“, meinte Bundestagsmitglied Mindrup. Das Gesetz löse das Problem nicht, da es zu leicht umgangen werden könne. Nach einer Sanierung etwa könne der Vermieter die Mieten kräftig erhöhen. „Was gebraucht wird, ist eine umfassende Mitrechtsreform,“ so Mindrup. Mit Mieten solle man weiterhin Geld verdienen können, aber nicht mit Wohnungen, die als Spekulationsobjekte genutzt würden.

weiterführender Artikel