Bauen und Wohnen

Tiny-Häuser: Grundstücke dringend gesucht

Uwe Roth25. Oktober 2022
Drei von fünf Tiny-Häusern stehen in der Stadt Schorndorf bereits. Das Interesse war riesig.
Überall in Deutschland entstehen derzeit Tiny-Haus-Siedlungen. Uneinigkeit in der Kommunalpolitik gefährdet oftmals die Pläne.

Sie sind klein, praktisch und Wohnraum sparend: Tiny-Häuser. Das sind Kleinstimmobilien mit Flächen zwischen zehn und 60 Quadratmetern. Auf denen leben selbstbestimmt bis zu vier Menschen, zum Beispiel Familien mit kleinen Kindern. Meistens sind Tiny-Häuser jedoch von Paaren bewohnt, deren Kinder das elterliche Heim verlassen haben und die aus eigenem Entschluss ihr Heim auf das Notwendigste verkleinern wollten. Ihre große Wohnung haben sie denjenigen überlassen, die mit Kindern auf Wohnungssuche waren.

Dem Beispiel folgen immer mehr Menschen: Allein die Facebook-­Gruppe „Tiny House Deutschland“ hat knapp 70.000 Mitglieder. Deren Problem ist nicht, einen Hersteller zu finden: Inzwischen haben zahlreiche Holzbau-Firmen Tiny-Häuser in ihre Produktpalette aufgenommen. Der Verkauf der zwischen 40.000 und 100.000 Euro teuren Heime ist ein gutes Zusatzgeschäft. Die Kundschaft legt Wert auf natürliche Baustoffe in Bioqualität. Die Teile werden in der Werkhalle schlüsselfertig zusammengebaut, Innenausstattung inklusive. Die mobilen Heime sind problemlos zu transportieren und werden vor Ort auf dem Grundstück abgestellt.

Baurechtlich ein normales Gebäude

Aber darin liegt das Problem der Interessenten: eine Kommune zu finden, die eine solche Wohnform zulässt. ­Tiny-Häuser werden baurechtlich wie im Boden fest verankerte Eigenheime behandelt. Ob Kleinsthäuser gut für den angespannten Wohnungsmarkt sind oder Flächen für den Geschosswohnungsbau blockieren, dazu gehen die Meinungen in den Rathäusern weit auseinander. Das ist innerhalb der Partei nicht anders. In Schwerte (Landkreis Unna) treibt die SPD ein Projekt voran: „Gerade in Städten mit Wohnraumknappheit und der damit verbundenen Wohnraumverteuerung kann das Wohnen und Leben in Minihäusern, in Tiny-Houses, eine preiswerte, nachhaltige Alternative darstellen“, erklärt Ratsherr Simon Lehmann-Hangebrock. In Karlsfeld (Landkreis Dachau) argumentiert SPD-Rat Franz Trinkl dagegen. Eine Tiny-Haus-Siedlung sei Flächenverschwendung, inner­örtliche Nachverdichtung besser.

Thomas Knapp ist ein umtriebiger SPD-Kommunalpolitiker in Mühlacker (Enzkreis). Er hat sich vorgenommen, Deutschlands größte Tiny-Haus-Siedlung zu schaffen. Auf dem 1,3 Hektar großen Gelände stand früher ein weithin sichtbarer Sendemast. Der Unternehmer hat es mit einigen Mitstreitern gekauft. 60 jeweils 150 Quadratmeter große Parzellen sollen entstehen, die in Erbpacht vergeben werden. Sie werden mit Wasser, Abwasser und Strom erschlossen. Der Gemeinderat hat grünes Licht gegeben. Knapp rechnet in diesem Herbst mit der Genehmigung des Bebauungsplans. 2023 soll die Siedlung fertiggestellt sein. Einzugswillige gibt es mehr als genug.

Wie lebt es sich auf engstem Raum?

In der 60 Kilometer entfernten Stadt Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) ist die Verwaltung schon einige Schritte weiter. Denn dort sind die ersten, voll erschlossenen Minihäuser schon aufgebaut. Allerdings ist die Siedlung mit fünf Parzellen (zwischen 121 und 144 Quadratmeter groß) überschaubar. Drei Häuser stehen bereits auf dem städtischen Grundstück, sieben Personen leben darin. Etwa 250 Euro Pacht zahlen sie monatlich. Die kleine Gemeinschaft löste ein großes Medienecho aus. Tiny-Haus-Bewohner werfen Fragen auf: Wie lebt man auf so kleinem Raum zusammen, ohne sich auf die Nerven zu gehen? Was ist mit der Privatsphäre? Mehr als 500 Interessenten wollten nach dem ersten Aufruf das Risiko eingehen.

Gabriele Koch ist im Rathaus die Wirtschaftsförderin und für den Grundstücksverkehr zuständig. Solche Fragen habe sie sich auch gestellt, sagt sie. „Ich war am Anfang nicht so sehr ein Fan davon“, gesteht sie. Alles in allem sei eine solche Bebauung „nicht so ganz günstig“. Doch die Kommunalpolitik, allen voran die SPD, blieb hartnäckig: „Gemeinderäte haben uns angetrieben.“ Gabriele Kochs Einstellung änderte sich: „Wenn ich durch die Stadt gehe und eine Baulücke sehe, mache ich mir automatisch Gedanken, ob dort Tiny-Häuser hinpassen könnten.“ Noch bleibt das Ganze ein Experiment. Die Pachtverträge sind auf zehn Jahre begrenzt. Denn ansonsten hätte die Stadt den Bebauungsplan ändern müssen.

Der Beschluss im Gemeinderat ist unter dem damaligen Oberbürgermeister ­Matthias Klopfer zustande gekommen. Inzwischen ist der SPD-Politiker ins Esslinger Rathaus gewechselt. Dort ist eine örtliche Initiative ebenfalls verzweifelt auf Standortsuche. Alle ebenerdigen Flächen werden untersucht. Sogar Garagen-­Dächer bezog sie in die Suche ein. Doch da zieht der Rathauschef Klopfer eine Grenze. „Flachdächer als Tiny-Haus-Grund­stücke sind wirklich keine gute Idee.“