Ministerpräsidentenkonferenz

Ukraine-Geflüchtete: Wie der Bund sich an den Kosten beteiligt

Carl-Friedrich Höck08. April 2022
Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Ländern und Kommunen Unterstützung bei den Flüchtlingskosten zugesagt (Archivbild).
Länder und Kommunen erhalten zwei Milliarden Euro für die Kosten, die ihnen bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine entstehen. Diese sollen ab Juni Leistungen nach SGB II und SGB XII beziehen. Das bringt entscheidende Vorteile.

Die Verhandlungen von Olaf Scholz und den Regierungschef*innen der Länder waren offenbar komplizierter als vermutet. Eigentlich sollten die Ergebnisse des Treffens schon am Donnerstagnachmittag präsentiert werden. Als der Bundeskanzler gemeinsam mit Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst vor die Presse trat, war es bereits kurz vor elf Uhr am Abend. Im Mittelpunkt des Gipfels hatte die Frage gestanden, wie der Bund sich an den Kosten beteiligt, die den Ländern und Kommunen bei der Unterbringung, Verpflegung und Betreuung der Geflüchteten aus der Ukraine entstehen.

Arbeitssuche wird erleichtert

Dazu gibt es nun einen gemeinsamen Beschluss. Scholz sprach nach dem Treffen von einem „Schulterschluss“ zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Giffey nannte die vereinbarten Maßnahmen einen „Quantensprung“. Damit bezog sich die SPD-Politikerin insbesondere auf die Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten aus der Ukraine. Diese können in Zukunft schneller auf die Unterstützung der Jobcenter zurückgreifen.

Denn Ukraine-Geflüchtete werden künftig wie anerkannte Asylsuchende unterstützt. Sie sollen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (im Volksmund Hartz IV genannt) und SGB XII (Sozialhilfe) erhalten. Die nötigen Gesetzesanpassungen sollen zum 1. Juni 2022 in Kraft treten. Bisher erhalten Ukraine-Geflüchtete Asylbewerberleistungen. Mit der Neuregelung werden auch die Kommunen finanziell entlastet.

Zwei Milliarden Euro für Länder und Kommunen

Zudem unterstützt der Bund die Länder und Kommunen mit insgesamt zwei Milliarden Euro. Davon sind 500 Millionen Euro für die Kosten vorgesehen, die Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine entstehen. Mit weiteren 500 Millionen will der Bund Ausgaben abgelten, die bisher für die Lebenshaltungskosten angefallen sind. Hinzu kommt eine Milliarde als Beteiligung an den übrigen Kosten der Länder im Zusammenhang mit Ukraine-Geflüchteten, etwa für die Kinderbetreuung, Beschulung und für Gesundheits- und Pflegekosten.

Perspektivisch will der Bund seine Beteiligung an den flüchtlingsbezogenen Kosten verstetigen. Dazu soll noch in diesem Jahr eine einvernehmliche Regelung mit den Ländern gefunden werden, die dann rückwirkend ab dem 1. Januar 2022 gelten soll. Die nächste Bund-Länder-Koordinierungsrunde wird wahrscheinlich am 2. Juni stattfinden. Anfang November soll auch eine Regelung für das Jahr 2023 vereinbart werden.

Schnelle Verteilung auf Länder und Kommunen

Vereinbart wurde außerdem, dass die aus der Ukraine Ankommenden rasch und unkompliziert registriert werden sollen. Erste personenbezogene Daten sollen schon vorher in den Ankunftszentren, Aufnahmeeinrichtungen und Ausländerbehörden erfasst und in die Software „FREE“ eingespeist werden. „FREE ermöglicht damit bereits vor der Registrierung im Ausländerzentralregister eine individualisierte und nachvollziehbare Verteilung auf die Länder und Kommunen“, heißt es im Beschluss der Ministerpräsident*innenkonferenz. Dabei kommt der Königsteiner Schlüssel zur Anwendung.

Die Verteilung wird über drei Drehkreuze organisiert: Berlin, Hannover und Cottbus. Die betreffenden Länder sollen vom Bund eine besondere Kompensation für die entstehenden Mehrkosten erhalten.

Viele Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland kommen, sind gut qualifiziert. Doch nicht alle konnten auf der Flucht „die ganze Zeugnismappe mitnehmen“, wie Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey anmerkt. Trotzdem sollen die Geflüchteten schnell eine Arbeit aufnehmen können. Bei nicht-reglementierten Berufen soll eine Selbsteinschätzung der Geflüchteten zu ihren beruflichen Qualifikationen ausreichen. Bei reglementierten Berufen wollen Bund und Länder sich dafür einsetzen, dass ukrainische Berufs- und Bildungsabschlüsse schnell und einheitlich anerkannt werden.

Weitere Beschlüsse

Der Bundeskanzler und die Länderchefs plädieren dafür, ukrainische Kinder und Jugendliche schnell in die Schulen und Hochschulen aufzunehmen. Auch zu Kinderbetreuungsangeboten sollen sie Zugang erhalten.

Die Länderchef*innen haben sich für ein temporäres Programm für ukrainische Kriegsflüchtlinge ausgesprochen. Denn es gibt zahlreiche Geflüchtete, die sich in Deutschland für ihre Mitbetroffenen engagieren wollen. Das Programm soll sie unterstützen und helfen, die nötigen Strukturen zu schaffen.

Den Geflüchteten sollen schnelle Impfangebote gemacht werden. Der Bund hat zugesagt, seine finanzielle Beteiligung an den Impfzentren und mobilen Impfteams über den 31. Mai 2022 hinaus zu verlängern. Bis zum Jahresende übernimmt der Bund weiterhin 50 Prozent der Kosten.

 

Den kompletten Beschluss finden Sie hier als PDF:

Reaktion des Deutschen Städtetages

Der Präsident des Deutschen Städtetages Markus Lewe hat die Ergebnisse des Bund-Länder-Treffens wie folgt kommentiert:

„Bund und Länder wollen die Registrierung der Geflüchteten beschleunigen und optimieren. Das ist für die Städte sehr wichtig und haben wir immer wieder eingefordert. (...) Die Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten aus der Ukraine ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss daher gemeinsam von Bund und Ländern finanziert werden. Die Einigung enthält wichtige Schritte in diese Richtung. Die Geflüchteten aus der Ukraine werden ab dem 1. Juni 2022 Zugang zur Grundsicherung nach SGB II haben. Das ist gut. Der Bund finanziert damit die Lebenshaltungskosten, einen Großteil der Unterkunftskosten, die Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesundheitsversorgung. (...)

Leider konnte keine dauerhafte und nachhaltige Verabredung mit dem Bund über die Finanzierung getroffen werden, die über 2022 hinausreicht. Und es wurde die Entscheidung vertagt, wie sich der Bund an den Kosten der Integration beteiligt. Das verursacht Planungsunsicherheit in den Kommunen. Es ist klar, dass die Bundesgelder nicht ausreichen werden, die Aufwendungen etwa für Kinderbetreuung, Schule, Pflege oder Menschen mit Behinderungen auszugleichen. Die Länder müssen die Gelder des Bundes ungeschmälert an die Kommunen weiterleiten und dringend aufstocken.“

Quelle: staedtetag.de

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