Bürgermeisterin Sina Best im Interview

Ukraine-Hilfe in Gudensberg: „Freunde stehen zueinander“

Uwe Roth24. Februar 2023
Sina Best, aufgenommen beim DEMO-Kommunalkongress 2022. Stellvertretend für das Engagement der Stadt Gudensberg hat sie die Auszeichnung DEMO-Kommunalfuchs erhalten.
Am 24. Februar 2022 griffen Putins Truppen die Ukraine an. Am nächsten Tag trat Sina Best ihr neues Amt als Bürgermeisterin von Gudensberg an. Wie die Stadt Hilfe organisierte und warum der Krieg ihre Rathaus-Arbeit auch ein Jahr später noch prägt, erzählt sie im Interview.

Frau Best, Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine und kein Ende in Sicht: Wie geht es Ihnen bei diesem Gedanken?

Furchtbar. Meinen Amtskollegen Oleh Vasylyshyn aus der Partnerstadt Schtschyrez im Videochat zu sehen und zu erfahren, wie viele unserer ukrainischen Freunde bereits an der Front kämpfen, teilweise gefallen, verletzt oder verschleppt sind, ist hoch emotional. Beeindruckt bin ich immer wieder, wenn ich spüre, wie wichtig den Freunden die gemeinsam geteilten Werte wie Frieden, Freiheit und Demokratie sind.  

Woher kommt die Kraft, nicht nachzulassen, sondern immer wieder weiterzumachen?

Freunde stehen in guten wie in schlechten Zeiten zueinander. Viele gute Jahre liegen hinter unserer Partnerschaft, nun haben wir schlechte Zeiten und stehen unseren Freunden selbstverständlich bei. Bis es wieder bessere Zeiten sind.

Ein Jahr Krieg gegen die Ukraine: Wie sehr prägen die Unterbringung und Betreuung der Geflüchteten Ihren Arbeitsalltag?

Die Großsporthalle in Gudensberg war als Notunterkunft vorgesehen. Die haben wir bisher nicht belegen müssen, auch weil sich im Ort und im Landkreis viele private Quartiergeber gefunden haben. So kann die Halle weiterhin durch Schule und Vereine genutzt werden. Diese hätten wenig Ausweichmöglichkeiten gehabt. Bei der Betreuung engagieren sich neben dem Integrationsbeauftragten zahlreiche Ehrenamtliche. Die Fäden laufen bei dem Verein Mach Mit zusammen. Ohne diese Strukturen würde die Betreuung nicht funktionieren.

Haben Sie das Gefühl, dass irgendwas in Ihrer Arbeit zu kurz kommt?

Sicher hat die Unterstützung unserer Partnerstadt zu Beginn meiner Amtszeit, die mit dem Kriegsbeginn zusammenfiel, Zeit und Kapazitäten gebunden und andere wichtige Bürgermeisterinnen-Aufgaben kamen etwas kurz. Ich versuche jetzt, dies nachzuholen und mich stärker den Bürger*innen und den Mitarbeiter*innen zu widmen.

Wie hat sich Ihr Engagement und das der Bevölkerung übers Jahr entwickelt?

Die Solidarität hält unvermindert an. Dank unseres Partnerschaftsvereins konnten mehr 50 Hilfslieferungen auf den Weg in die Ukraine gebracht werden. Dabei haben uns Personen, Gruppen, Vereine und Unternehmen nicht nur aus Gudensberg, sondern aus der ganzen Region unterstützt, nachdem das Gudensberger Netzwerk bekannt wurde, sogar darüber hinaus.

Beobachten Sie Ermüdungserscheinungen bei den Freiwilligen?

Die Ehrenamtlichen gelangen des Öfteren an ihre Grenzen, manchmal auch gesundheitlich. Hier könnten wir sicher Verstärkung gebrauchen. Mitunter ist dies dringender als die Spende weiterer Hilfegüter, denn eine funktionierende Logistik ist elementar.   

Das Erdbeben in der Türkei und in Syrien fordert die Kommunen nun zusätzlich. Auch hier hilft Ihre Stadt?

Da müssen wir noch ausloten, in welchen Bereichen wir als kleine Kommune mit etwa 10.000 Einwohnern helfen können. Auch in Gudensberg sind bereits private Initiativen aktiv. Wichtig ist mir das Signal, dass es nicht um ein „Entweder oder“, sondern um ein „Sowohl als auch“ geht. Die Menschen im Katastrophengebiet haben schreckliche Schicksalsschläge erlitten. Ihnen gilt unser Mitgefühl, ihnen möchten wir helfen, wo und wie es Sinn macht. 

Welche Unterstützung wünschen Sie sich von der Landes- und der Bundesregierung?

Bei unseren Projekten zur kommunalen Entwicklungspolitik haben wir viel Unterstützung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und deren Tochter Engagement Global erhalten. Die Kooperation würden wir in Friedenszeiten gern fortsetzen. Bei der Organisation der Flüchtlingshilfe in den Gemeinden und Kreisen wünsche ich mir mitunter, dass Bund und Länder stärker auf die kommunalen Bedürfnisse eingeht und erkennen, dass die Kommunen zur Zeit an den Grenzen ihrer Möglichkeiten angekommen sind. 

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