Stadtvertretung Penzlin

Zählgemeinschaft von CDU und AfD: „Haben drei Minuten vor Sitzungsbeginn davon erfahren”

Carl-Friedrich Höck27. Juni 2019
Blick von der Burg Penzlin auf die historische Ortsmitte
In Penzlin ist die CDU eine Zählgemeinschaft mit dem AfD-Vertreter eingegangen. Was ist da los? Ein Anruf bei Dagmar Kaselitz, Fraktionsvorsitzende der SPD in der Penzliner Stadtvertretung.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer beteuert, die CDU arbeite nicht mit der AfD zusammen. Doch in der mecklenburgischen Kleinstadt Penzlin hat die CDU in der Stadtvertretung eine Zählgemeinschaft mit dem AfD-Vertreter gebildet. Somit konnte die CDU mehr Sitze in Ausschüssen besetzen. Auch der AfD-Vertreter ist nun in zwei Ausschüssen vertreten – ohne die Zählgemeinschaft hätte ihm dort kein Sitz zugestanden. Die DEMO hat darüber mit der Penzliner SPD-Fraktionsvorsitzenden Dagmar Kaselitz gesprochen.

DEMO: Frau Kaselitz, hat sich die Zusammenarbeit von CDU und AfD im Vorfeld angedeutet?

Dagmar Kaselitz: Nein. Für uns alle überhaupt gar nicht. Wir als SPD-Fraktion haben im Vorfeld mit vielen anderen geredet, weil wir das Hare-Niemeyer-Wahlverfahren für die Stadtvertretung anwenden wollten. Das hätte ermöglicht, dass auch Fraktionen mit nur zwei Mitgliedern in vielen Gremien vertreten sind. Auch dem AfD-Vertreter hätte mit diesem Verfahren ein Sitz im Hauptausschuss zugestanden, aber das hätte dann eben den Wählerwillen abgebildet. Der AfD-Mann hätte seine Positionen dort alleine vertreten müssen und wäre relativ isoliert gewesen. Unser Vorschlag wurde abgelehnt. Mein Fraktionskollege hat dann drei Minuten vor Sitzungsbeginn erfahren, dass die CDU eine Zählgemeinschaft mit der AfD eingeht.

Wie haben Sie den AfD-Stadtvertreter Reinhard Gleisberg bisher erlebt und welche Positionen vertritt er?

Er ist ein unbeschriebenes Blatt. Ich lebe seit mehr als 30 Jahren in Penzlin und kenne viele aktive Leute. Aber Herr Gleisberg und seine Frau, die für die AfD angetreten sind, waren mir nicht bekannt. So geht es auch vielen anderen. Durch einen dummen Zufall musste Gleisberg zu Beginn der Stadtvertretersitzung auch noch den Ältesten vertreten und hat die Sitzung geleitet. Er ist nicht besonders selbstsicher aufgetreten. Er hat wohl keine Erfahrung in dem Bereich und ist auch keiner, der schon durch große Reden auf sich aufmerksam macht. Die CDU hat in der Sitzung immerhin gewusst, dass Gleisberg Handwerker ist und mehr, was darauf hindeutet, dass man sich vorher zusammengesetzt hat.

Hat die CDU denn eine Erklärung abgegeben, warum sie sich für eine Zählgemeinschaft entschieden haben?

Nein. Der CDU hat es genützt, sie hatten so mehr Möglichkeiten Ausschüsse zu besetzen. Aber was genau zu der Entscheidung geführt hat, wissen wir nicht.

Der CDU-Generalsekretär in Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Waldmüller, argumentiert: „Es gibt jetzt dort eine Zählgemeinschaft, die unseres Wissens da eher aus der Not geboren ist. Es gibt aber keinerlei Koalition, keine Fraktion und keine Zusammenarbeit.“ Was halten Sie von dieser Aussage?

Dagmar Kaselitz SPD Penzlin
Dagmar Kaselitz ist für die SPD Mitglied der Stadtvertretung Penzlin.

Richtig ist, dass es keine gemeinsame Fraktion gibt. Das war kurzzeitig auf der Internetseite der Stadt falsch dargestellt, der Eintrag ist mittlerweile korrigiert worden. Wo es für die CDU eine Not gegeben haben soll, können wir nicht erkennen. Die CDU hat ja drei Vertreter in unserer kleinen Stadtvertretung mit 15 Mitgliedern, wir als SPD zwei. Die CDU hat also genügend Mitspracherechte.

Natürlich bedeutet eine Zählgemeinschaft eine Zusammenarbeit. Sie hat zum einen bewirkt, dass der AfD-Vertreter in Positionen gekommen ist, die ihm allein aufgrund des Wahlergebnisses nicht zugestanden hätten. Und sie hat dazu geführt, dass Gleisberg im Hauptausschuss und einer stadteigenen Gesellschaft zum Stellvertreter der CDU-Leute gewählt worden ist. Wenn jemand mein Stellvertreter ist, dann muss ich doch auch mit ihm zusammenarbeiten.

Glauben Sie, dass das Penzliner Beispiel in anderen Kommunen Schule macht?

Ich hoffe nicht. Man sagt ja gerne, in einem kleinen Ort wie Penzlin spielen Parteien keine Rolle – da kennt man sich und arbeitet miteinander. Aber wenn wir Themen wie Windkraft oder die Erschließung von Wohnbaugebieten diskutieren, werden eben doch polarisierte Debatten geführt. Was nun in anderen Kommunen passiert, das muss man abwarten.

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