Stichwahl um den SPD-Vorsitz

Zusammenhalt gibt es nicht zum Nulltarif

Klara GeywitzOlaf Scholz11. November 2019
Olaf Scholz und Klara Geywitz
Für die DEMO beschreiben Klara Geywitz und Olaf Scholz, welche Ideen, Konzepte und Forderungen sie für die Kommunen haben.

Kaum etwas prägt uns so stark wie unser Wohnort. Es ist der Ort, mit dem wir uns oft identifizieren, wo Nachbarn leben und Freunde, wo wir gemeinsame Erlebnisse teilen. Es ist der Ort, der eine integrative Kraft ausstrahlt, die wir in unserer Gesellschaft brauchen. Denn hier haben wir die Chance, unseren Alltag sehr konkret mitzugestalten. Diese lokale Partizipation schafft Zugehörigkeit, Verantwortungsgefühl, Solidarität – oder anders gesagt: Sie schafft gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Zusammenhalt gibt es aber nicht zum Nulltarif. Funktionierende Kommunen benötigen ausreichend finanzielle Mittel, um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können – um Schulen zu bauen und Spielplätze, um Straßen zu sanieren und Bürgersteige anzulegen, um Stadtbüchereien zu öffnen und Bürgerservice anzubieten.

Aus unserer politischen Zeit in Potsdam und in Hamburg wissen wir beide sehr genau, dass Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker als erstes zu spüren bekommen, wenn irgendwo der Schuh drückt. Sie sind auch diejenigen, die vor Ort für politische Beschlüsse geradestehen müssen – seien sie im Bund, auf Länderebene oder in den Städten und Gemeinden selbst getroffen worden. Denn die Bürgerinnen und Bürger unterscheiden nicht zwischen den unterschiedlichen föderalen Ebenen. Deshalb sind die Impulse und Beiträge aus den Kommunen unverzichtbar für die Programmatik unserer Partei. Deshalb gilt diesen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unser großer Dank für ihr Engagement.

Die finanzielle Grundausstattung der Kommunen ist originäre Aufgabe der Länder – so soll es auch bleiben. Der Bund trägt aber Verantwortung für gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet, in Nord wie Süd, in West wie Ost. Die SPD hat durchgesetzt, dass der Bund in den vergangenen Jahren den Kommunen mehr Gestaltungsspielraum verschafft hat. Wir haben den Kommunen bei den Sozialausgaben und der kommunalen Finanzkraft im Bund-Länder-Finanzausgleich mehr Gewicht gegeben. Wir haben kommunale Investitionsprogramme aufgelegt und unterstützen sie bei der Flüchtlingshilfe. Wir haben das Grundgesetz geändert, damit Bundesgeld in Schulen und den sozialen Wohnungsbau fließen kann. Und wir haben gerade die Neuregelung der Grundsteuer durchgesetzt, damit die Städte und Gemeinden sich auch künftig auf ihre oft wichtigste Einnahmequelle stützen können – verfassungsfest und zukunftssicher.

Viele Kommunen in Deutschland stehen jetzt finanziell besser da. Allerdings gilt das längst nicht für alle. Gerade dort, wo es schon früher Strukturbrüche gegeben hat und hohe Arbeitslosigkeit herrscht, ist es zum Teil nicht möglich, sich aus eigener Kraft aus der Verschuldung zu befreien, die meist mit hohen Sozialausgaben einhergeht. Manche Länder sind das Problem angegangen, anderen fehlt dazu die Kraft. Als Bundesfinanzminister habe ich deshalb den Vorschlag gemacht, dass der Bund den besonders betroffenen Kommunen bei den Altschulden einmalig gezielt helfen soll. Der Vorschlag hat eine Voraussetzung – wir brauchen einen breiten politischen Konsens und müssen sicherstellen, dass das Problem hoher Kassenkredite damit auch ein für alle Mal gelöst ist. Daran arbeiten wir gerade. Der breite politische Konsens ist nötig, weil es nur funktionieren wird, wenn wir unsere Unterstützung auf die besonders betroffenen Kommunen konzentrieren – anders ist es finanziell nicht zu stemmen. Es geht also nicht zuletzt um die Einsicht, dass Hilfe für einige zum Nutzen aller ist. Das ist Solidarität.

Neben den nötigen Finanzmitteln brauchen Städte und Gemeinden auch die Freiheit und die rechtlichen Instrumente, um kommunale Selbstverwaltung zu verwirklichen. Wir wollen mehr Steuerungsmöglichkeiten für Kommunen, z. B. auf dem Wohnungsmarkt. Die Kommunen sollen eingreifen können, wenn die Mietenspirale sich nach oben dreht und Verdrängung droht. Dazu wollen wir ihnen starke Instrumente geben und z. B. das Baugebot und das Vorkaufsrecht ausweiten und die Eingriffsschwellen senken.

Für Investitionen in Straßenbau, Schulen, Wirtschaftsförderung, Breitbandausbau und vieles mehr werden Mittel bereitgestellt – aber Kommunen benötigen auch das Personal und das Know-how, um Fördermittel zu verwenden. Ohne dies lässt sich kein vernünftiges Entwicklungskonzept für eine Region erarbeiten, kein Bebauungsplan entwerfen und kein Glasfasernetz ausbauen. Das gilt auch, wenn es darum geht, andere wichtige Aufgaben der kommunalen Ebene zu managen, z. B. einen sozialen Arbeitsmarkt zu organisieren, zugezogene Menschen zu integrieren oder eine gute Nahverkehrsanbindung sicherzustellen.

Wir müssen ein solidarisches Miteinander und einen fairen Ausgleich zwischen den Regionen organisieren. Es bringt nichts, die Regionen in einen Wettbewerb zu entlassen, in dem die Starken gewinnen und die Schwachen verlieren. Wenn Solidarität für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar und spürbar wird, gewinnt sozialdemokratische Politik neue Glaubwürdigkeit. Darum muss es uns jetzt gehen.

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