Die Bauwirtschaft kommt nicht nach
"Bauen, bauen, bauen", so lautet die gängige Formel, um dem Mangel an Wohnraum, vor allem in den großen Städten Deutschlands, zu begegnen. Die damit verbundenen Forderungen sind vielfältig, beziehen sich auf die Bereitstellung von Flächen, über allerlei finanzielle Förderungen bis zu baurechtlichen Erleichterungen. Demgegenüber heizen Mietpreisexplosion und Mietpreisbegrenzung - von der Bremse bis zum Deckel - die Stimmung sowohl auf Mieter- als auch auf Eigentümerseite kräftig an.
Große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage
Rund 1,5 Millionen fehlende Wohnungen werden seit 2018 prognostiziert und genau diese Zahl hat sich die GroKo für diese Legislaturperiode auch vorgenommen. Doch statt der rund 350.000 neuen Wohnungen jährlich, wurden zuletzt nur 287.000 Wohnungen fertig gebaut, eine ordentliche Lücke bleibt bestehen. Bei genauerem Hinsehen steigt die Zahl der Wohnungen in Mehrfamilienhäusern allerdings um 10 Prozent und konnte im 10-Jahres-Vergleich sogar eine Steigerung von 160 Prozent aufweisen.
Ich hatte mich diesbezüglich an das für den Wohnungsbau zuständige Bundesinnenministerium gewandt, um zu erfahren, wie hoch der Überhang an nicht realisierten Baugenehmigungen ist und welche Gründe es dafür gibt. Die Antwort ist durchaus interessant: „Ende 2018 gab es in Deutschland rund 700.000 bereits genehmigte, aber noch nicht fertiggestellte Wohnungen“, heißt es in der Antwort des Ministeriums.
Bauwirtschaft kommt nicht nach
Einen so hohen Bauüberhang gab es offenbar noch nie. Würde auch nur die Hälfte zeitnah abgebaut, entspräche dies der prognostizierten Jahresleistung und würde deutlich zur Entspannung des Wohnungsmarktes beitragen. Das Ministerium verweist darauf, dass bei rund 60 Prozent der Wohnungen bereits mit dem Bau begonnen worden sei. Der große Überhang liegt nicht am fehlenden Grundstück, nicht am fehlenden Baurecht und nicht an überlasteten Bauämtern, die Bauwirtschaft kommt aus unterschiedlichen Gründen nicht nach. Von der Baugenehmigung bis zum Bezug vergehen durchschnittlich zwei bis drei Jahre, der Wohnungsmarkt lässt sich nicht mit einem einzigen Umschalthebel entlasten.
Bauüberhänge sind auf dem Wohnungsmarkt immer da, in Boomphasen erst Recht. Vor allem die Auslastung der Bauwirtschaft führt zu zeitlicher Verzögerung, fehlende Fachkräfte, zu geringe Kapazitäten, Baupreissteigerungen und andere Faktoren tun ihr übriges: Deshalb sind im Wohngipfel und der Bodenkommission viele Maßnahmen beschlossen worden, die sich in der Umsetzung befinden und zur Beschleunigung beitragen. Was die Umsetzung betrifft, fällt Horst Seehofer weitgehend aus und tritt als Bauminister nicht in Erscheinung. Dabei müsste er vor allen anderen endlich die Bremse der Neubauoffensive lösen. Bisher gibt es von ihm als Bauminister nicht einmal einen jährlichen Baufortschrittsbericht. Wir brauchen Transparenz und nachprüfbare Fakten.
Nächstes Mietenpaket ist fällig
Immer wieder spielt auch die Frage eine Rolle, inwieweit Grundstücke mit Baurecht Spekulationsobjekte sind. Ein Indiz dafür können die nicht realisierten Baugenehmigungen sein. Der Wohnungsmarktbericht 2018 der Investitionsbank Berlin rechnet mit rund 5 Prozent der Baugenehmigungen, die vor 2015 erteilt und noch nicht mit dem Bau begonnen wurden, immerhin auch eine Größenordnung von rund 4.800 Wohnungen in Berlin von 2010 bis 2017.
Nach meiner Ansicht muss nicht nur der Überhang zügig abgebaut werden. Solange der Druck so hoch ist wie jetzt, muss auch dafür gesorgt werden, dass die Marktlage nicht zu weiteren Mietsteigerungen führt. Das nächste Mietenpaket ist deshalb überfällig.
Foto: Photothek/SPD-Bundestagsfraktion
ist Mitglied des Deutschen Bundestages und ist Sprecher der AG Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion. Er außerdem seit 2003 Landesgeschäftsführer der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik in NRW (SGK) mit Sitz in Düsseldorf.