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Wie das Impfen in den Kommunen gemeistert wird

Wiebke Papenbrock12. Juli 2021
Wiebke Papenbrock, Vorstandsmitglied der SGK Brandenburg
Man kennt sich, man hilft sich: In Kommunen wie Walsleben gilt dieses Prinzip auch dann, wenn es ums Impfen geht. Wie diese Aufgabe in kleinen Gemeinden gemeistert wird, schildert Wiebke Papenbrock an einem Beispiel aus Brandenburg.

Wie bringt man Impflinge, Ärzte und Helfer zusammen? Wer kann wann gegen das Coronavirus geimpft werden? Und wie gelingt dies in einem Flächenland wie Brandenburg am besten? Das waren die Fragen, vor denen wir zu Beginn dieses Jahres standen. Schnell war klar: Um hier wirklich gute Lösungen zu finden, müssen auch diejenigen gefragt werden, die direkt vor Ort Verantwortung übernehmen. „Ohne die Kommunen geht es beim Impfen nicht!“, titelte aus diesem Grund auch die SGK Brandenburg zu dieser Zeit. Und forderte in einem offenen Brief dazu auf, die Kommunen dringend in die Impfstrategie des Landes einzubeziehen. Dass die SGK damit richtig lag, zeigt sich nicht nur im Rückblick auf die Ereignisse, sondern auch im Ausblick auf die kommenden Monate.

Ärztinnen, Verwaltung und Feuerwehr arbeiten Hand in Hand

Mein Heimatdorf Walsleben gehört zum Amt Temnitz in Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Zum Amt zählen 17 Dörfer und rund 5.000 Einwohner. Mehr als 300 von ihnen sind über 80 Jahre alt. Es gibt hier eine niedergelassene Hausarztpraxis und jeder kennt die beiden Ärztinnen, die unsere örtliche Gesundheitsversorgung sicherstellen. Wir haben einen engagierten Amtsdirektor, ein hilfsbereites Team der Amtsverwaltung und tatkräftige Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr. Man kennt sich, man hilft sich. Als es zu Beginn des Jahres 2021 darum ging, die ältesten 329 Dorfbewohner gegen das Coronavirus zu impfen, wurde hierfür kurzerhand vor Ort ein Weg gefunden. Denn der Amtsdirektor und die leitende Landärztin entschieden gemeinsam, die Impfung der Älteren in enger Zusammenarbeit in der hiesigen Hausarztpraxis durchzuführen. Weil die Senioren oftmals nicht den Weg ins relativ weit entfernte Impfzentrum schaffen. Und in medizinischen Fragen einer Person am meisten vertrauen, nämlich ihrer Hausärztin.

Die Impfungen wurden also in der Landarztpraxis an mehreren Tagen außerhalb der Sprechzeiten durchgeführt, sodass die reguläre Gesundheitsversorgung gewährleistet blieb. Die Terminvergabe lief praktischerweise über das Amt, das über notwendige Daten verfügte und die Logistik schneller planen konnte. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes halfen zudem in der Arztpraxis mit, damit alles noch reibungsloser ablaufen konnte. Die Freiwillige Feuer­wehr, Helfer des Deutschen Roten Kreuzes, das Praxis­personal und zahlreiche Familien­angehörige übernahmen den Fahrdienst für die Senioren.

Kleine regionale Einheiten funktionieren

Das Amt Temnitz war durch den Einsatz seiner Einwohner die erste Kommune im Landkreis, in dem alle Menschen über 80 Jahren in kürzester Zeit geimpft waren. Die Walslebener Landärztin Karin Harre zog anschließend eine positive Bilanz: „Wir haben hier gezeigt, wie gut kleine regionale Einheiten zusammenarbeiten können. In unserem Fall die Arztpraxis und die Kommune. Allerdings: Wir waren auch froh, als es geschafft war.“ Denn als es an die Impfung der 70- bis 80-Jährigen ging, war ein konzentrierter Einsatz vor Ort nicht mehr notwendig. Hier zeigte sich, dass die unterschiedlichen Angebote im Landkreis genutzt wurden und die Versorgung durch das Impfzentrum, das mobile Impfen und die Hausarzt­praxen voranging – sofern Impfstoff zur Verfügung stand.

Auch ein im Amt Temnitz geplanter Einsatz des Impfbusses konnte an eine andere Kommune abgegeben werden. Der Bus wurde vom Landkreises Ostprignitz-Ruppin ins Leben gerufen, um die ältesten Einwohner der Region zu erreichen. Das hatte man im Amt Temnitz ja bereits selbst erledigt. Das Bus-Projekt ist übrigens auch so ein Gemeinschaftswerk, an dem alle Hand in Hand zusammenarbeiten: der Landkreis, die Gemeinden, die Ärzteschaft, das Rote Kreuz, die Feuerwehren und viele mehr. Weil die Kreisverwaltung in Ostprignitz-Ruppin das Thema Impfen zu Beginn des Jahres zur Priorität erklärt hat, ist er im Einsatz. Auch die Strukturen vor Ort machten dieses Projekt möglich. Ein Beispiel hierfür ist das Fahrzeug selbst. Weil der Bus ein Reservefahrzeug der landkreiseigenen Verkehrsgesellschaft ist, war er schnell zur Hand, als er gebraucht wurde. Die Wege zum Deutschen Roten Kreuz waren ebenso kurz wie zur Sparkasse des Landkreises, die ebenfalls Mit­arbeiter zur Verfügung stellte.

Die nächsten Schritte

Wie geht es weiter mit dem Impfen auf kommunaler Ebene? Erste Kreistage in Brandenburg haben eine Übernahme von Impfzentren auf den Weg gebracht. Die Trägerschaft wird hier vom Land auf die Landkreise übergehen. Dabei wird die Finanzierung der Zentren durch das Land Brandenburg in gleicher Höhe erfolgen, wie es aktuell geltende Verträge, etwa mit der Kassenärztlichen Vereinigung, vorsehen. Auch das Deutsche Rote Kreuz und andere Organisationen unterstützen die Weiterführung der Einrichtungen in kommunaler Verantwortung. Ein Betrieb der Zentren wird so vorerst bis Ende des Sommers sichergestellt.

Das Kontingent an Impfstoffen aus dem Länderbudget ist ebenfalls Bestandteil dieser Überführung der Zentren auf die Landkreise. Für Ostprignitz-Ruppin bedeutet das auch, dass der Impfbus weiter fahren kann. Denn das vom Land bereitgestellte Impfstoffbudget kann bei Übernahme der Zentren vom jeweiligen Landkreis flexibel verwendet werden. Auf diese Weise ist es möglich, neben den mobilen Impfteams auch den Bus zu versorgen. Für den es übrigens gute Ideen gibt, wo er künftig eingesetzt werden könnte. Denkbar wären neben Betrieben, die keinen eigenen Betriebsarzt haben, zum Beispiel auch Schulen. Mit einer ersten Oberschule ist die Kreisverwaltung hierzu bereits in Kontakt.

Impfen: Nicht nur technische, auch emotionale Aufgabe

Diese Entwicklungen in den vergangenen Monaten haben vieles deutlich gemacht. Ja, das Impfen in einem ­Flächenland wie Brandenburg ist ­eine logistische Herausforderung. Das ist die technische Seite dieser großen Aufgabe. Die andere Seite ist die inhaltliche beziehungsweise die emotionale. Und die wurde unterschätzt, als die Impfstrategie vom Land zu Beginn des Jahres auf den Weg gebracht wurde. Dieses ursprüngliche System wurde in wesentlichen Bereichen aus der Perspektive der Kassenärztlichen Vereinigung bestimmt und sah eine ganz pragmatische Abwicklung von Impfungen in wenigen Zentren vor.

Was die Menschen in diesen bewegten und unsicheren Zeiten neben Pragmatismus jedoch auch brauchen, ist Vertrauen – in diejenigen, die Verantwortung übernehmen. Davon berichtet auch Hausärztin Karin Harre aus meinem Dorf ­Walsleben: „Unsere älteren Patienten waren erleichtert darüber, in ihrer Hausarztpraxis geimpft werden zu können. Sie fühlten sich in ihrer bekannten Umgebung viel besser aufgehoben. Was auch den Helferinnen und Helfern zu verdanken ist, denn die waren mit ganzem Herzen ­dabei.“

Wie es nach diesem Sommer mit dem Impfen weitergeht, ist momentan offen. Für alle künftigen Strategien haben wir vor allem eines gelernt: Es sind die Kommunen, die zeigen, wie es mit dem Impfen vorangehen kann. Weil hier diejenigen zusammenarbeiten, die ihre Mitmenschen und die Bedingungen vor Ort kennen. Das ist die große Stärke der Kommunen und sie sind auch weiterhin bereit, hiermit zu unterstützen.

 

Dieser Text stammt aus dem Landes-SGK EXTRA Brandenburg der DEMO (Ausgabe 05/06 2021). Er erscheint hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Brandenburg.

Wiebke Papenbrock ist Vorstandsmitglied der SGK Brandenburg. Die Sozialdemokratin kandidiert bei der Bundestagswahl im Wahlkreis 056 (Prignitz – Ostprignitz-Ruppin – Havelland I).