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Wie wir Verkehrsprobleme in kleinen Gemeinden lösen können

Frank John27. September 2017
Frank John, Bürgermeister der Gemeinde Kirkel
Volle Straßen, nervige Baustellen, belastender Ausweichverkehr durch den Ort – im kommunalpolitischen Alltag kleinerer Städte und Gemeinden ist der Verkehr immer wieder Thema. Der Bürgermeister von Kirkel Frank John schildert typische Probleme am Beispiel seiner Gemeinde.

Fakt ist der zunehmende Indivi­dualverkehr. Gab es früher in einem Haushalt ein oder später zwei Autos, so ist es heute ein Auto pro Haushaltsmitglied über 18 Jahre. Viele Wege, auch kurze, werden nur noch mit dem PKW zurückgelegt. Gerade im Saarland, vor allem im ländlichen Bereich, wurde auch der ÖPNV nicht so ausgebaut, wie es notwendig gewesen wäre. Dazu kommt ein erhöhtes Aufkommen an LKW-Verkehr, das auf manchen Straßenabschnitten dafür sorgt, dass die Instandsetzungs­intervalle immer kleiner werden, sprich Baustellen an verkehrswichtigen Straßen immer öfter eingerechnet werden müssen. Hinzu kommt, dass in Nebenstraßen der Straßenzustand immer schlechter wird. Da diese Straßen häufig Gemeinde- oder Stadtstraßen sind, werden hier Instandsetzungen immer notwendiger.

Zunehmender Ausweichverkehr

Die Gemeinde Kirkel ist eine der ­flächenmäßig kleineren Gemeinden des Saarlandes, muss aber 52 km Gemeindestraßen bewirtschaften und unterhalten, dazu kommt in den drei Ortsteilen ein Netz vielbefahrener Landstraßen und die beiden Autobahnen A6 und A8. Diese ­Autobahnen sind neben der Stadtautobahn A620 in Saarbrücken die meist befahrenen Strecken im Saarland. Die Landesstraßen dienen u.a. als Zubringer zu den Gewerbe- und Industriegebieten in Homburg und den angrenzenden Städten ­Blieskastel, St. Ingbert, Neunkirchen und Bexbach. Hier fahren teilweise bis zu 18.000 PKW und 1.000 LKW täglich unter anderem auch durch die einzelnen Ortslagen.

Diese hohen Belastungen werden auch in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Während der Verkehrsspitzenzeiten am Morgen und am Nachmittag werden deshalb auch Gemeindestraßen zu Ausweichrouten umfunktioniert, die dieses Verkehrsaufkommen teilweise nur schwer fassen können. Die dort liegenden Wohngebiete werden dadurch mit Lärm- und Geruchs­emissionen belastet. Die Wohnqualität sinkt, die Beschwerden bei den Gemeinden steigen. Aber auch das Unfallaufkommen und die Unfall­häufigkeit steigen, weil in den Wohnstraßen auch recht viel geparkt wird.

LKW sparen Maut – zulasten der Anwohnenden

Hinzu kommt, gerade auch für die Gemeinde Kirkel, dass LKW die Landes­straßen zur Mautumgehung nutzen und damit die Belastung der Anwohner in den ­Ortskernen erhöhen. Auch diese Straßen ­kommen damit ­schneller an die Belastungsgrenzen, aber auch die Straßenlebensdauer nimmt weiter ab. Unterhaltungs­maßnahmen müssen deshalb in immer kürzeren Zeit­abständen erfolgen. Die negativen Folgen gesperrter Straßen sind dann vor allem für die Autofahrer auf den Umleitungs­strecken spürbar.

Eine Sperrung der A6 im Bereich ­Neunkircher Kreuz hatte z.B. im vorigen Jahr zu einem mehrstündigen Verkehrskollaps im Bereich ­Homburg/Bexbach/Kirkel geführt.

Lösungsansätze

Wie können diese Probleme nun ­gelöst und der gordische Knoten zerschlagen werden? Zunächst müssen wir den ÖPNV stärken und ihn vor ­allem auch preislich attraktiv machen, damit mehr Menschen umsteigen. Der ÖPNV muss günstiger werden, um die mangelnde Flexibilität wett zu machen. Güterverkehr auf der Schiene muss Vorrang vor LKW-Verkehr auf der Straße haben. Dazu muss das Just-in-Time-Denken der Industrie mit dem LKW als Zwischenlager auf den Prüfstand gestellt werden. Trotzdem werden natürlich alle Konzepte in dieser Richtung nicht zur Folge haben, dass sich der Individual­verkehr spürbar verringert, es kann höchstens gelingen, den Zuwachs zu bremsen.

Deshalb muss das Management des vorhandenen und zukünftigen Verkehrs im Fokus der umzusetzenden Maßnahmen stehen.

Im Großen und Ganzen wird die Anzahl der Straßen gleich bleiben, neue Entlastungen wird es nur noch punktuell geben können, weil auch für die städtische Bevölkerung wohnort­nahe Rückzugsgebiete erhalten bleiben müssen. Einzige spürbare Entlastung kann hier nur die Ortsumgebung Schwarzenbach/Schwarzenacker/­Einöd (B423) bringen. Mit dieser Maßnahme aus dem Bundesverkehrswegeplan wird die Ortsdurchfahrt Limbach L119 (18.000 PKW und 1.000 LKW täglich) mit ­entlastet werden.

Überörtliche Konzepte

Im weiteren sind saarlandweit überörtliche Verkehrskonzepte notwendig. Der Saarpfalz-Kreis geht hier die richtigen Schritte, er möchte kreisweit einen solchen Verkehrsplan etablieren. Dazu ist eine Abstimmung zwischen Bund, Land und Kommunen notwendig. Das funktioniert im Moment noch nicht. Außerdem ist die Definition der Funktion der einzelnen Straßen eminent wichtig. Ist eine überörtliche Straße Zubringer zu Autobahnen, Gewerbe- oder Industriegebieten, werden Wohngebiete betroffen? All das und weitere Sonderfunktionen müssen in einem solchen Verkehrskonzept definiert werden, um örtliche und überörtliche Festlegungen treffen zu können. Kann ich z.B. eine Landesstraße für den überörtlichen LKW-Verkehr über 7,5 t sperren oder ist sie notwendig für die Erschließung eines Industrie- und Gewerbegebietes oder als Autobahnzubringer? Nur in einem überörtlichen Verkehrskonzept können alle diese Dinge gegeneinander abgewogen werden.

Aus den Ergebnissen des Konzeptes können dann auch für die örtlichen Straßen in kommunaler Trägerschaft, aber auch für die Ortsdurchfahrten auf Landesstraßen Maßnahmen abgeleitet werden. Wo macht eine Tempo-30-Zone Sinn, wo können weitere Fußgängerüberwege installiert werden? Wie sieht es mit Park- und Halteverboten aus, wo macht eine stärkere Geschwindigkeitsüberwachung Sinn?

Der Faktor Baustellen

Zum Schluss will ich noch das vielleicht größte Problem ansprechen. Werden Landes- oder Bundesstraßen oder Autobahnen im nördlichen Saarpfalz-Kreis aufgrund von Baustellen oder Unfällen zeitweise gesperrt, können die restlichen qualifizierten Straßen den zusätzlichen Verkehr nicht mehr aufnehmen. Hierzu ist eine detaillierte Abstimmung der Straßenbaulastträger ­untereinander (einschließlich der ­Gemeinden) ­unbedingt notwendig. Der Landesbetrieb für Straßenbau muss die durch Baustellen bedingte Veränderung der Verkehrsströme abschätzen und kommunizieren, ansonsten herrscht zu den Verkehrsspitzenzeiten vor allem in den dichter besiedelten Gebieten das Chaos (siehe zur Zeit die Sperrung der L114 in Altstadt mit Ampelregelung auf der L119 ­zwischen Limbach und Homburg).
 
Insbesondere bei Baustellen auf Landesstraßen, die sich auf den örtlichen Straßenbereich auswirken (Thema: Abkürzungen), muss mit der jeweiligen Kommunalverwaltung lange vorher gesprochen werden, um die genauen Auswirkungen zu verifizieren und notfalls Gegenmaßnahmen treffen zu können. Aktuell gibt es hier wieder ein großes Defizit. Aufgrund von Baumaßnahmen auf der B423 zwischen Webenheim und ­Einöd soll die Umleitung für LKW über die L119 über Kirkel-Neuhäusel und Limbach nach Homburg erfolgen, einer Strecke, auf der zurzeit drei Ampeln wegen Baustellen bestehen. Hier hätte eine Umleitung über die Anschlussstelle Rohrbach und die Autobahn A6 zur Anschlussstelle Homburg mehr Sinn gemacht. So viel zur ­Koordination.

Als Fazit bleibt zu ziehen: Die allumfassende Lösung des Verkehrsproblems gibt es nicht, dazu ist in den Verkehrsspitzenzeiten zu viel Individualverkehr auf der Straße. Das Straßennetz wurde einmal für viel weniger Verkehr geplant und ist schlicht gesagt überlastet. Die Schlüsselwörter sind Zusammenarbeit der Straßenbaulastträger und vorherige Untersuchung von Verkehrsströmen bei Änderungen im Straßennetz, insbesondere bei baustellenbedingten Straßensperrungen. Nur so können mögliche negative Auswirkungen klein gehalten werden. Die Entwicklung überörtlicher Verkehrskonzepte, insbesondere in Ballungszentren, ist das entscheidende Werkzeug, um Funktionen von Straßen zu definieren und dementsprechende Maßnahmen umzusetzen.

 

Dieser Beitrag wird mit freundlicher Genehmigung der Saar-SGK veröffentlicht. Er ist zuerst im Saarland-Split der DEMO erschienen.