Alte Platte, neu genutzt
In Hoyerswerda gestaltet eine Wohnungsbaugenossenschaft einen 50 Jahre alten Block für Betreutes Wohnen um. Dabei zeigen sich Vorteile der alten Plattenbauweise.
Harald Lachmann
Ein Vorteil der alten Plattenbauweise: Die Gebäudehülle lässt sich vergleichsweise flexibel umgestalten.
Plattenbau Reloaded nennt sich trendgerecht ein soziales Wohnungsprojekt im sächsischen Hoyerswerda, das sich damit bewusst an die ebenso geliebte wie gehasste ostdeutsche „Platte“ anlehnt. Genauso gut oder noch treffender könnte es aber auch Plattenbau Rebuild oder New tailored heißen. Neu zugeschnitten also. Denn anhand eines großen uniformen Fünfgeschossers in der Neustadt, dessen gut 50-jähriges Innenleben vor dem Umbau durchweg aus 60 Quadratmeter kleinen Dreiraumwohnungen bestand, beweist die Wohnungsgenossenschaft LebensRäume, wie „flexibel die Platte doch schon damals war“.
Gebäudehülle lässt sich leicht anpassen
So jedenfalls frohlockt ihr Vorstandsvorsitzender Axel Fietzek. Ohne riesigen Aufwand ließen sich etwa „komplette Treppenhäuser und Badzellen herausnehmen, um das Layout nutzerspezifisch anzupassen – für Einzelpersonen wie für Paare”. Das gebe die Gebäudehülle her. Jede Wohnung sei dennoch komplett, also autark nutzbar, mit eigener Küche und Bad, versichert er. Auf die Gemeinschaftsküche oder andere Gemeinschaftseinrichtungen, die es zusätzlich noch parterre gebe, sei also niemand angewiesen.
Denn jener Plattenblock, der seit Sommer 2024 „reloaded“ wird, soll Älteren oder Menschen mit Behinderung, die über kurz oder lang auf Betreutes Wohnen angewiesen sind und bedarfsgerecht Hilfeleistungen zubuchen möchten, zugutekommen. Vorgesehen ist auch ein professioneller Pflegedienst, der im Erdgeschoss des Hauses spezielle Räumlichkeiten bekommt. Auch eine Tagespflege soll hier Quartier beziehen. Vis-à-vis arbeitet überdies ein Altenzentrum der AWO Lausitz, in der Nähe praktizieren mehrere Hausärzte, und ein Supermarkt ist auch gleich um die Ecke.
Zufall brachte die Partner zusammen
So ist Axel Fietzek noch immer sichtlich froh über eine etwas zurückliegende Begegnung mit einem Chef eines christlich angebundenen ortsansässigen Pflegedienstes. Der damals großenteils bereits leergezogene Block war noch unsaniert, befand sich aber in einem längst modernisierten Wohnumfeld. „So überlegten wir, ob wir das Haus selbst sanieren, für den aktuellen Markt umbauen oder etwas anderes versuchen, speziell für ältere Menschen, von denen es in Hoyerswerda sehr viele gibt. Da brachte uns der Zufall zusammen“, erzählt Fietzek. Denn jener Anbieter für Betreutes Wohnen suchte seinerseits ein Objekt für 50 bis 70 Wohnungen zum Anmieten. „Dafür passte unser Wohnblock in der Gneisenaustraße gut”, sagt Fietzek.
Immerhin neun Millionen Euro lässt sich die LebensRäume-Genossenschaft, die allein in Hoyerswerda 6.200 Wohnungen betreibt, dieses Umbauvorhaben kosten. Eine stolze Summe, zumal es hierfür keinerlei Fördermittel gibt. „Wir haben dafür normale Marktdarlehen aufgenommen“, versichert Fietzek. Dennoch spricht er von einem wirtschaftlich tragfähigen Konzept.
Nachdem klar war, dass die Plattenbauhülle anpassungsfähig genug sei, um die ganze spezielle Technik und Infrastruktur für Betreutes Wohnen aufzunehmen, schloss er mit dem künftigen Betreiber einen Generalvertrag für das Gebäude über 20 Jahre. „Der Pflegedienst kümmert sich also selbst um die Belegung, womit für uns das Vermietungsrisiko entfällt“, so Fietzek. Stellt er damit die Baukosten den langfristigen wirtschaftlichen Erträgen gegenüber, wirkt er sichtlich zufrieden. Und auch wenn die Sozialfirma die Belegung der Wohnungen selbst manage, werde man „schon eine Lösung finden, wenn ein alteingesessenes Genossenschaftsmitglied diesbezüglich Wünsche habe…“, ist er sich sicher.
Ziel: barrierefrei und bezahlbar
Wichtig war beiden Seiten von vornherein eine uneingeschränkte Barrierefreiheit. Jede Wohnung sollte beispielsweise per Fahrstuhl erreichbar sein. Hierzu bekam der Wohnblock inzwischen einen Aufzugturm, von dem aus über innenliegende Laubengänge jede der 58 Wohnungen – alle übrigens mit Balkon – ungehindert erreichbar ist. „Entsprechende Radien ermöglichen es nicht nur, per Rollstuhl, sondern sogar per Krankenbett vom Hausflur in den Lift zu rollen“, fügt Fietzek hinzu.
Dass man derzeit voll im Zeit- wie im Kostenplan liege, sodass wohl im Januar 2026 die ersten Mieter einziehen könnten, führt er darauf zurück, dass nicht nur die LebensRäume e. G. und der künftige Betreiber eng zusammenarbeiten, sondern „ab der ersten Sekunde auch die Planer – ein auf Plattenbaumodernisierung spezialisiertes Büro in Dresden – und die ebenfalls Dresdner Baufirma gemeinsam an einem Tisch sitzen“. Alles verlaufe eng verzahnt, was auch Kosten spare, um damit die künftigen Mieter nicht unnötig hoch zu belasten. So solle die Warmmiete bei 11 bis 13 Euro je Quadratmeter liegen.
Harald Lachmann
ist diplomierter Journalist, arbeitete zunächst als Redakteur bei der Leipziger Volkszeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, und schreibt heute als freier Autor und Korrespondent für Tages-, Fach- sowie Wirtschaftszeitungen. Für die DEMO ist er seit 1994 tätig.