Krisenfestes Funknetz: Wie Energieversorger die Kommunikation sichert
Der kommunale Energieversorger WEMAG in Schwerin hat 20 Millionen Euro in ein krisenfestes Funknetz investiert. So soll die Notfallversorgung gesichert werden, auch wenn der Strom ausfällt.
WEMAG, Stephan Ruldoph-Kramer
In Schwerin hat die WEMAG im Jahr 2020 den ersten Funkmast errichtet, über den die sichere Notfallkommunikation ablaufen soll. Mittlerweile gibt es 34 Funktürme.
Im April erlebte Spanien einen stundenlangen Blackout. Nicht nur der Strom fiel aus, auch der Mobilfunk funktionierte nur eingeschränkt, Ampeln und Bahnverbindungen waren ebenfalls betroffen. Der beispiellose „Schwarzfall“, wie ein großflächiger, lang andauernder Stromausfall auch heißt, sorgte europaweit für Aufsehen.
Auch in Deutschland fragten sich viele Menschen, ob ein solcher Stromausfall hierzulande möglich wäre. Die zuständige Aufsichtsbehörde, die Bundesnetzagentur, gab jedoch Entwarnung: Ihr Präsident Klaus Müller hält das für „sehr unwahrscheinlich“, wie er öffentlich sagte.
Gleichwohl hat der Vorfall ein Schlaglicht auf die mögliche Verletzlichkeit kritischer Infrastruktur wie der Energieversorgung geworfen. „Das Ereignis hat allen in und außerhalb der Branche deutlich gemacht, dass ein großflächiger Stromausfall kein theoretisches Gedankenspiel ist“, sagte Frederik Giessing in einem Interview mit dem Fachmedium „Energie & Management” kurz nach dem Vorfall. Giessing ist Geschäftsführer von 450connect, einer Firma, die derzeit ein spezielles 450-Megahertz-Funknetz aufbaut.
Für den Krisenfall gedacht
Gerade für Krisensituationen wie jüngst in Spanien ist ein solches 450-MHz-Funknetz gedacht. Denn kommt es zu einem Blackout, wollen sich die Betreiber nicht auf das vorhandene öffentliche Mobilfunknetz verlassen. Bereits im Jahr 2021 hat 450connect von der Bundesnetzagentur die Frequenz-Nutzungsrechte bei 450 MHz erhalten, „vorrangig für Anwendungen kritischer Infrastrukturen“, wie es in der Entscheidung der Netzagentur heißt. Insbesondere Engpässe in der Wasser- und Energieversorgung stellten realistische Krisenszenarien dar, die erhebliche Auswirkungen auf das öffentliche und private Leben haben könnten, heißt es weiter.
Die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur beschreibt mögliche Bedrohungen genauer: „Bei einem Ausfall der Versorgungsnetze könnte durch den Ausfall von Verkehrsleitsystemen (wie z. B. Ampeln) ein Verkehrskollaps drohen. Neben dem Zusammenbruch des Straßenverkehrs könnten auch öffentliche Verkehrsmittel, beispielsweise Züge und Bahnen, den Dienst einstellen und auf der Strecke oder im Bahnhof stillstehen. Zudem könnten auch Heizungen, Klimaanlagen und Wasserpumpen ausfallen, Produktionsstätten stillstehen und auch im Gesundheitswesen könnten notwendige Operationen nicht durchgeführt werden.“
Umso wichtiger ist es, die Infrastruktur zu sichern. Dabei spielen auch die Kommunen eine Rolle. Ein Beispiel für einen Energieversorger (WEMAG AG) und Netzbetreiber (WEMAG Netz GmbH), der in ein solches krisenfestes Funknetz investiert hat, ist die Schweriner WEMAG-Unternehmensgruppe. Hinter dem Unternehmen stehen mit 74,76 Prozent Kommunen der Region, die im Kommunalen Anteilseignerverband (KAV) zusammengeschlossen sind. Weitere 25,1 Prozent hält die Thüga AG und 0,14 Prozent die Stadt Grabow. Die WEMAG war vor rund 15 Jahren kommunalisiert worden, nachdem Vattenfall Europe sich von seinen Anteilen getrennt hatte. Insgesamt gibt es rund 200 kommunale Anteilseigner in Westmecklenburg und der Prignitz.
Neues Funknetz in Betrieb
Die WEMAG Netz GmbH hat im Juli in ihrem Netzgebiet ein neues 450-MHz-Funknetz in Betrieb genommen. In den Netzausbau hat das Unternehmen fast 20 Millionen Euro gesteckt. 34 Funktürme wurden dafür errichtet. Betreiber der aktiven Technik ist 450connect. Frederik Giessing nannte das Projekt am Tag der Inbetriebnahme „einen wichtigen Schritt bei der gemeinsamen Überwindung der großen Herausforderungen, vor denen Betreiber kritischer Infrastrukturen in Zukunft stehen werden“.
Für Thomas Murche, den technischen Vorstand der WEMAG AG, ist das „mehr als nur eine Innovation“. „Dieses hochmoderne Funknetz ist ein wichtiger strategischer Baustein für die Versorgungssicherheit unserer Region.“ Im Krisenfall, etwa bei Naturkatastrophen und technischen Störungen, sei eine stabile Kommunikation lebenswichtig. Konkret heißt das etwa, dass Einsatzkräfte, Behörden und Energieversorger Informationen untereinander austauschen können. Dabei sei das Kommunikationsnetz auch bei Stromausfällen „für mehrere Tage funktionsfähig“, so Murche. Damit werde gewährleistet, dass alle relevanten Stellen schnell reagieren können, betonte der WEMAG-Vorstand.
Die WEMAG ist nur eine der Gesellschaften, die in den Aufbau und die Nutzung des Netzes investieren. Laut 450connect ist das Ziel, bis Ende 2025 mit rund 1.700 Funkstandorten ganz Deutschland abzudecken. Dass das Netz funktioniert, demonstrierte Thomas Murche, indem er der WEMAG-Netzleitstelle in Schwerin Anweisungen für das Herunterregeln und anschließende Hochfahren einer Windkraftanlage im Windpark Sülte 1 gab. In einem echten Krisenfall muss sich das System – zum Glück – erst noch bewähren.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.