Präsident des Feuerwehr-Verbandes: „Wir stehen sehr gut da”
Deutschland hat mehr als 30.000 Feuerwehr-Standorte. Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehr-Verbandes, erklärt im Interview die größten Herausforderungen der Feuerwehren – und was den Brandschutz hierzulande stark macht.
Katrin Neuhauser/DFV
Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV)
DEMO: Wie gut sind die deutschen Feuerwehren für ihre Aufgaben aufgestellt, was Ausstattung und Personal betrifft? Stehen wir international eher gut oder schlecht da?
Karl-Heinz Banse: Wir stehen sehr gut da. Alle beneiden uns um den flächendeckenden Brandschutz, den wir in Deutschland haben. Wir haben in jeder Gemeinde mindestens eine Feuerwehr. Insgesamt haben wir mehr als 30.000 Standorte und über eine Million Einsatzkräfte. Auch der Mitgliederrückgang konnte abgefedert werden. Die demografische Entwicklung hat uns nicht so hart erwischt, wie ursprünglich befürchtet wurde. Auch, weil die Länder Werbeaktionen für die Feuerwehr gemacht haben.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Arbeit der Feuerwehren aus?
Die Häufigkeit von Waldbränden und Hochwasserlagen hat in letzter Zeit zugenommen. Das bedeutet für die Feuerwehren eine Mehrbelastung, auf die wir uns vorbereiten müssen.
Die Feuerwehren müssen mit der Zeit gehen. Was braucht eine moderne Feuerwehr und welche technischen Entwicklungen beschäftigen die Branche aktuell?
In der Technik tut sich im Augenblick sehr viel. Das Thema Robotik wird immer interessanter bei den Feuerwehren. Es gibt einige Firmen, auch in Deutschland, die Löschroboter herstellen, die bereits erfolgreich eingesetzt wurden. Zum Beispiel beim Brand im Berliner Grunewald, wo ein Munitionslager Feuer gefangen hatte. Da konnte man keine Menschen reinschicken. Das ist auch ein Thema bei vielen Vegetationsbränden auf munitionsbelastetem Gebiet. Außerdem werden immer mehr Drohnen eingesetzt. Sogar Satelliten sind in der Lage, Waldbrände zu orten. Das ist eine Kostenfrage, aber da tut sich in der Entwicklung unglaublich viel. Und auch Künstliche Intelligenz wird teilweise schon in den Leitstellen eingesetzt. Aber keine Sorge: Wenn Sie die 112 rufen, wird immer auch ein Mensch drangehen.
Sie haben den flächendeckenden Brandschutz in Deutschland gelobt. Hat unsere dezentrale Organisationsstruktur mit kommunalen Zuständigkeiten und vielen Freiwilligen Feuerwehren auch Nachteile?
Jede Medaille hat immer zwei Seiten. Die positive ist: Wir haben eine unheimlich große Vielfalt an Feuerwehren mit unterschiedlichen Spezialisierungen. Das macht uns stark. Ein Nachteil ist, dass es bei länderübergreifenden großen Schadenslagen zu Führungsproblemen kommen könnte. Da ist uns der Föderalismus ein bisschen im Weg. Wir sind aber im Gespräch mit den Ländern, um einen Modus zu entwickeln, der auch in solchen Fällen eine einheitliche Führung gewährleistet.
Wie sieht es auf kommunaler Ebene aus? Es sind immer mal wieder Klagen zu hören, dass Freiwillige Feuerwehren lange warten müssen, wenn sie zum Beispiel eine neue Drehleiter brauchen.
Das ist oft so. Ich war selbst acht Jahre lang Leiter einer Schwerpunktfeuerwehr in Bad Lauterberg im Harz. Jedes Mal, wenn ich ein neues Fahrzeug kaufen wollte, ging die Debatte los: Warum ist das denn schon wieder fällig und braucht man das unbedingt? Solche Fragen zu stellen, wenn das alte Fahrzeug schon 30 Jahre im Einsatz war, kann ich nicht nachvollziehen. Schließlich gibt es Bedarfsplanungen, in vielen Ländern sind sie gesetzlich festgeschrieben. Da steht mit Blick auf die Zukunft drin, wie die Feuerwehr aufgestellt sein muss, um die Aufgaben der Gemeinde zu erfüllen. Im besten Fall hat der Rat den Plan beschlossen und dann ist klar geregelt: In fünf Jahren muss die Drehleiter ersetzt werden. Wenn es dann so weit ist, braucht die Verwaltung das nur noch umzusetzen.
Stattdessen führen wir immer wieder leidige Diskussionen. Was dabei gerne übersehen wird: Feuerwehr ist Daseinsvorsorge! Das ist eine Pflichtaufgabe der Gemeinde. Natürlich sind auch gute Spiel- und Sportplätze wichtig, aber als Allererstes müssen Trinkwasser- und Stromversorgung, Rettungsdienst und eben auch die Feuerwehr funktionieren.
Wo sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf für die Feuerwehren?
Wir haben drei große Themenfelder. Erstens. Wir müssen unsere Einsatzfähigkeit aufrechterhalten. Statistisch stehen wir gut da, aber Zahlen sagen nicht alles. Wenn ich bei der freiwilligen Feuerwehr 100 Aktive habe, von denen aber 80 außerorts arbeiten, dann habe ich ein Problem, wenn wir morgens um zehn einen Alarm haben. Darauf reagieren wir mit Alarmierungsplänen, mit denen gleich mehrere Feuerwehren gerufen werden. Bisher funktioniert das gut.
Zweitens: Wir müssen die Akzeptanz der Arbeitgeber aufrechterhalten. Es ist wichtig, dass die Menschen auch vom Arbeitsplatz zur Feuerwehr eilen können, wenn diese gebraucht wird. Und drittens müssen wir unsere Mitgliederzahl hochhalten. Wir haben Kindergruppen in den Feuerwehren gegründet. Wir wollen mehr Frauen in die Feuerwehren bekommen, die sind bisher nur mit elf Prozent vertreten. Und auch unsere Mitbürger mit Migrationsgeschichte wollen wir weiterhin verstärkt für die Feuerwehr gewinnen. Das ist nicht immer einfach, weil die Feuerwehren in manchen Ländern zum Militär gehören und dort in der Gesellschaft weniger beliebt sind als bei uns.
Wo sehen Sie da die Aufgabe der Kommunalpolitik?
Unser System funktioniert nur deshalb so gut, weil wir das Ehrenamt haben. 97 Prozent aller Feuerwehrangehörigen sind ehrenamtlich. Das muss hochgehalten werden, und da sind auch Kommunalpolitiker gefragt. Sie müssen die Ehrenamtlichen unterstützen und vernünftig ausstatten. Sie können aber auch mit Ehrenamtskarten, Rabatten und anderen Vorteilen dazu beitragen, das Ehrenamt zu stärken. Die Einführung einer speziellen „Feuerwehr-Rente“, die bevorzugte Einstellung von Feuerwehrangehörigen sowie die priorisierte Vergabe von Wohnungen in der Nähe des Feuerwehrstandortes sind weitere Möglichkeiten.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.