Dossiers

Wie Bremen mit Zwischennutzungen Leerstand verringert

Ein etabliertes Instrument gegen Leerstand: Die Bremer ZwischenZeitZentrale ist europaweit vernetzt und ermöglicht einen Geschäfts- oder Kulturbetrieb auf Probe.

von Ulf Buschmann · 2. Juni 2025
Glasfront eines Ladengeschäftes

Leerstände machen kleinen und großen Städten zu schaffen. Zwischennutzung ist eine Möglichkeit, wieder Leben in die Ladengeschäfte zu bringen.

 

Das ältere Ehepaar, das durch eine Fußgängerzone in Bremen-Vegesack geht, ist schon ein wenig frustriert. „Was hatten wir hier so schöne Geschäfte“, sagt die Frau. Ihr Mann nickt zustimmend. Tatsächlich reiht sich ein leer stehendes Ladengeschäft ans nächste. Zwar hat es schon mehrere Anläufe in Sachen Wiederbelebung seitens der Kommune gegeben, doch die Besitzer der Immobilien wollten bislang nicht mitziehen. Für sie sei dieser Leerstand steuerlich günstiger, argumentieren manche – wenn auch oft nur hinter vorgehaltener Hand.

Dabei gibt es Möglichkeiten, die Innenstädte wieder zum Leben zu erwecken. Das Stichwort: Zwischennutzung. Für einen begrenzten Zeitraum ziehen Interessenten in ein leer stehendes Ladengeschäft ein. Dies können Menschen mit einer Geschäftsidee oder auch kulturelle  beziehungsweise soziale Organisationen sein. Sie sollen austesten, welche Möglichkeiten es für eine längerfristige Nutzung gibt – ob zum Beispiel bestimmte Kulturangebote hier funktionieren oder sich ein Ladenkonzept in einem derartigen Umfeld realisieren lässt.

Bremen Vorreiter

Wegweisend in Sachen Zwischennutzung ist die 2009 gegründete ZwischenZeitZentrale, kurz ZZZ, in Bremen. Bereits damals gab es an der Unterweser die Einsicht, dass sich die Innenstadt und die Stadtteilzentren verändern: Immer mehr Geschäfte schließen. Als erstes derartiges Stadtprojekt im Westen der Bundesrepublik haben sich deshalb mehrere Senatsressorts zusammengetan. Finanziert wird die ZwischenZeitZentrale vom Wirtschafts-, Bau- und Finanzressort. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Bremen (WfB) und der Eigenbetrieb Immobilien Bremen (IB) stellen Grundstücke aus dem Sondervermögen der Stadt sowie kommunale Gewerbeflächen zur Zwischennutzung zur Verfügung.

Daniel Schnier, neben Oliver Hasemann Geschäftsführer der ZwischenZeitZentrale, spricht von einem „Freibrief“ seitens der Stadtgemeinde. Es gehe darum, „Leerstand mit experimentierfreudigen Menschen zu beleben“. Wenn die Interessenten und Macher in ein Ladengeschäft einziehen, fällt für diese keine Pacht an. Nur die Nebenkosten werden fällig. Gerade während und nach der Corona-Pandemie rückte die Zwischennutzung in den öffentlichen Fokus. „Wir haben alleine in den vergangenen vier Jahren rund 50 Projekte angestoßen und ermöglicht“, sagt Schnier.

Dabei sind allerdings nicht nur die Bremer, im Gegenteil. „Zwischennutzung war schon vor der Pandemie ein EU-Thema“, erklärt Schnier. Deshalb haben sich die Hansestädter im Rahmen mehrerer Projekte mit Akteuren vernetzt.

Zwischennutzungsansatz erobert Europa

Dies begann schon 2013 mit dem Projekt „Temporary Use as a Tool for Urban Regeneration“, kurz TUTUR. Bis zum Ende der Förderperiode im Jahr 2015 gab es zwischen den beteiligten Kommunen Rom, Alba lulia in Rumänien und Bremen einen umfangreichen Wissenstransfer. Italiener, Rumänen und Deutsche bauten überdies ein kommunales Zwischennutzungs-Netzwerk auf. „Ziel des TUTUR-Projekts war es, die Methode der Zwischennutzung in der Stadterneuerung in den am Netzwerk beteiligten Städten einzuführen“, heißt es hierzu auf der Internetseite www.urbact.eu. TUTUR gehörte zu ­URBACT – dieses Programm fördert nachhaltige Stadtentwicklung in den 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie in Norwegen und der Schweiz.

Die guten Erfahrungen von TUTUR flossen in das Nachfolgeprojekt namens „Refill“ mit ein. Von 2017 bis 2019 tauschten sich gleich zehn Städte über ihre Erfahrungen aus und mehrten gegenseitig ihr Wissen. Die Projektführung hatte das belgische Gent inne. Neben Bremen waren Amersfoort, Athen, Cluj-Napoca, ­Helsinki, Nantes, Ostrava, Poznań und Riga dabei. 

Die jeweiligen Verantwortlichen haben mehr oder weniger die gleichen Erfahrungen gemacht, die ZZZ-Geschäftsführer Schnier beschreibt. Erfolgreiche Zwischennutzung heiße erst einmal Akquise zu betreiben, sprich: Es müssen interessierte Menschen her. Erfahrung Nummer zwei: Die Interessierten benötigen Betreuung. Erfahrung Nummer drei: Menschen, denen Zwischennutzung gar nichts sagt, muss das Prinzip erklärt werden. Und am Ende heißt es, bestehende Strukturen aufzubrechen. Schniers Fazit: „Zwischennutzung ist ­Erprobung für die Demokratie.“

Weiterführende Informationen:
www.zzz-bremen.de

Dieser Artikel stammt aus der DEMO-Heftausgabe 2/2025. Hier können Sie das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik abonnieren.

Schlagwörter
Autor*in
Ulf Buschmann

Ulf Buschmann ist freier Journalist in Bremen. Für die DEMOKRATISCHE GEMEINDE ist er seit 1998 als Autor tätig.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare