Nach Brandkatastrophe in London

Warum die Stadt Wuppertal ein Hochhaus evakuiert

Carl-Friedrich Höck29. Juni 2017
Skyline Frankfurt
Frankfurter Bankenviertel: Laut Stadtverwaltung gelten hier strenge Brandschutzregeln für Hochhäuser.
Die Stadt Wuppertal hat am Dienstag ein Hochhaus im Quartier Hilgershöhe räumen lassen. Begründet wird das unter anderem mit der Brandkatastrophe von London, bei der 79 Menschen starben. Auch andere Kommunen überprüfen die Gefahrenlage erneut. [Aktualisiert am 30.6..]

Die 72 Bewohner konnten nicht länger in ihrem Zuhause bleiben, einem elfgeschossigen Hochhaus mit hellgrauer Fassade am östlichen Stadtrand von Wuppertal. Die Stadt hat am Dienstag die sofortige Evakuierung angeordnet. „Es ist eine einschneidende Maßnahme für die Menschen, die dort wohnen“, sagte Baudezernent Frank Meyer (SPD) während der Räumung. „Aber in Kenntnis von London wurde eine Neubewertung der Gefahrenlage notwendig.“

Eigentümer beseitigten die Mängel nicht

Begründet wird die Evakuierung unter anderem mit einer brennbaren Fassade an dem Haus. Außerdem führen Rettungswege über Außenbalkone und können „im Brandfall womöglich nicht mehr genutzt werden“, teilt die Stadt mit.

Diese Probleme sind der Stadt bereits seit dem Jahr 2010 bekannt, heißt es auf Nachfrage aus der Stadtverwaltung. Der damalige Eigentümer des Gebäudes sei wie alle folgenden Eigentümer aufgefordert worden, die Mängel zu beseitigen. Da es keine Reaktion gegeben habe, seien mehrfach Zwangsgelder verhängt worden.

Neue Prüfung ergab: Brandmeldeanlage fehlt

Warum hat die Stadt dann erst jetzt die Evakuierung angeordnet? Die Pressestelle verweist darauf, dass beim Wuppertaler Hochhaus mehrere Faktoren zusammenkommen: Zum einen habe der Brand von London die bisherigen Befürchtungen, wie schnell ein Brand sich ausbreiten kann, noch übertroffen. Auch in Wuppertal sei entflammbares Material – eine Art Holzwolle – in der Fassade verbaut worden. „Was die kurzfristige Räumung dann schließlich unumgänglich machte, war die Feststellung, dass zudem keine Brandmeldeanlage installiert ist”, sagt eine Sprecherin.

Die fehlende Brandmeldeanlage war erst im Zuge einer erneuten Prüfung am Montag und Dienstag festgestellt worden. Vor diesem Hintergrund habe die Stadt handeln müssen. Es sei „Gefahr in Verzug“ gewesen. Die Stadt könne aber nur die Evakuierung anordnen und das Haus für unbewohnbar erklären. Veränderungen an der Fassade könne nur der Eigentümer selbst vornehmen – eine rechtliche Grundlage für eine sogenannte „Ersatzvornahme“ durch die Kommune bestehe nicht mehr, da die Bewohner ja nun in Sicherheit seien.

Hilfe für die Bewohner

Die Bewohner sind nun teils bei Freunden und Verwandten untergebracht. Einen Teil der Menschen hat die Stadt in einer ursprünglich für Geflüchtete vorgesehenen Unterkunft einquartiert. „Hilfebedürftige Bewohner bekommen Unterstützung vom Ordnungs- und vom Rettungsdienst der Feuerwehr“, teilte die Stadt während der Räumaktion mit.

Auch die anderen Hochhäuser der Stadt – insgesamt 70 – werden noch einmal überprüft. Dass weitere Evakuierungen notwendig werden, sei aber derzeit nicht anzunehmen, heißt es seitens der Stadt.

Andere Städte reagieren unterschiedlich

Auch andere Städte überprüfen laut Medienberichten erneut ihre Hochhäuser auf Brandgefahr. Das gelt etwa für Bielefeld und Münster, schreibt die Presseagentur dpa. In Köln seien Bauaufsicht, Stadtplanung und Feuerwehr in Beratungen. Auch in Bonn werde die Aktenlage erneut überprüft – Handlungsbedarf bestehe aber derzeit nach Einschätzung der Stadt nicht. In Berlin sind nach Angaben einer Sprecherin keine umfassenden Prüfungen geplant.

In Frankfurt am Main gebe es ebenfalls keinen Anlass, die Akten erneut durchzugehen, sagt ein Sprecher des für Bauaufsicht zuständigen Dezernats auf DEMO-Anfrage zunächst. Es gebe ohnehin „sehr starke Regeln“ in Bezug auf den Brandschutz. Mittlerweile hat sich die Bauaufsicht jedoch darauf verständigt, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, welche Hochhäuser vor 1983 gebaut wurden und brennbare Materialien enthalten könnten. Dazu sollen die Eigentümer angeschrieben und um entsprechende Nachweise gebeten werden. Seit 1983 gelten strengere Brandschutzvorschriften für Neubauten, bestimmte brennbare Baustoffe dürfen seitdem in Fassaden nicht mehr verbaut werden. Viele ältere Gebäude wurden in der Zwischenzeit saniert und damit an die neuen Brandschutzbestimmungen angepasst. Insgesamt gibt es in Frankfurt 540 Hochhäuser.

„Informationen über vergleichbare Hochhäuser sammeln”

Das Bundesbauministerium (BMUB) erklärt, ihm lägen keine Zahlen vor „zur Zahl der Hochhäuser und sonstigen Gebäude in Deutschland, an denen möglicherweise nicht zugelassene brennbare Dämmstoffe angebracht wurden“. Zuständig für Bauordnungsrecht und Brandschutz seien die Bundesländer. Weiter teilt das Ministerium mit: „Nach Bekanntwerden des Vorfalls in Wuppertal hat das Bundesbauministerium unmittelbar Kontakt mit dem Vorsitzenden der Bauministerkonferenz, Bauminister Thomas Webel aus Sachsen-Anhalt, aufgenommen. Das BMUB und Minister Webel haben sich darauf verständigt, dass alle Länder gemeinsam schnell Informationen über vergleichbare Hochhäuser sammeln und zur Verfügung stellen sollen.“

Bundesbauministerin Barbara Hendricks plädiert dafür, die Landesbauordnungen stärker anzugleichen und damit auch die Brandschutzbestimmungen zu vereinheitlichen. „Zugleich ruft die Ministerin alle Eigentümer von potenziell gefährdeten Hochhäusern auf, die kommunalen Bauaufsichten zu informieren, aktiv zu werden und mit den Baubehörden zusammenzuarbeiten“, schreibt das Ministerium.

weiterführender Artikel