Reform der Grundsteuer

Kritik und Zustimmung für die Pläne zur Grundsteuerreform

Karin Billanitsch12. September 2019
Olaf Scholz während einer Pressekonferenz zur Reform der Grundsteuer im Bundesfinanzministerium in Berlin im März 2019.
Die Grundsteuer soll auf eine rechtssichere Basis gestellt werden. Im Bundestag fand eine Anhörung von Sachverständigen zum Gesetzesentwurf der Regierungskoalition statt. Die Steuer, die den Kommunen jährlich fast 15 Milliarden Euro bringt, kann nur weiter erhoben werden, wenn es gelingt, sie bis Ende Dezember zu reformieren.

Der von der Regierungskoalition CDU/CSU und SPD vorgelegte Gesetzentwurf zur Reform der Grundsteuer ist in Fachkreisen nach wie vor stark umstritten. Das wurde gestern bei der Anhörung von Sachverständigen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags deutlich. Während die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und der Gewerkschaft Verdi die Reform begrüßten, kam von Wissenschaftlern und der Wohnungswirtschaft zum Teil deutliche Kritik.

„Nach dieser langen Hängepartie – das BVerfG hat 2018 im April entschieden – müssen wir alle Beteiligten wie Kommunen, Länder und Bund das gemeinsame Ziel haben, dass das Gesetz bis zum Jahresende im Gesetzblatt steht“, stellte Verena Göppert, Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers und Leiterin des Dezernats Finanzen des Deutschen Städtetages fest. „Der Entwurf selbst entspricht in seiner Intention dem, was der Kommunalverband als Anforderung für eine Reform formuliert hat. Wir haben immer für eine Wertorientierung plädiert. Wir brauchen eine verfassungsfeste Regelung, die gerecht und dem Bürger vermittelbar ist. Der Entwurf würde diesem Anliegen gerecht, so Göppert. Die Mitglieder des Deutschen Städtetages bekennen sich nach ihren Worten zur Aufkommensneutralität und würden ihre Hebesätze anpassen.

„Die Kommunen sehen ihre politische Verpflichtung zur Aufkommensneutralität“

Bedenken, dass die Reform nicht aufkommensneutral werden wird, teilte auch Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund nicht: „Die Aufkommensneutralität ist eine politische Verpflichtung, die in den Stadt- und Gemeinderäten gesehen wird.“  Es gebe keine bessere Kontrollinstanz für die Steuerung als die Gemeinderäte, die kommunalpolitisch verantwortlich seien. Am Tag vor der Anhörung hatte Gerd Landsberg gefordert: „Die Grundsteuerreform muss jetzt auf die Zielgerade und zum Erfolg gebracht werden.“ Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sagte mit Blick auf die geplanten Öffnungsklauseln für die Länder weiter: „Der DStGB hätte auch zukünftig eine bundeseinheitliche Immobilienbewertung und Grundbesteuerung präferiert, akzeptiert dafür aber die vorgeschlagenen Länderöffnungsklauseln als politisch nötigen Kompromiss.“ Landsberg mahnte allerdings an, dass diese nicht zu einem unfairen Steuerwettbewerb führen dürften.

Hintergrund: Der Gesetzesentwurf stellt – vereinfacht gesagt – auf den Bodenwert und auch Erträge, wie Mieteinnahmen, ab. Für die Bundesländer ist eine Öffnungsklausel vereinbart, damit sie andere Bewertungsverfahren einführen können. Die Gemeinden können die Höhe der Grundsteuer weiterhin über ihre Hebesätze steuern. Die Bundesregierung will keine Erhöhung des Gesamtaufkommens der Grundsteuer und appelliert deshalb an die Gemeinden, die Veränderungen mit einer Anpassung des aktuellen Hebesatzes anzugleichen. Das heißt, es ist in die Hände der Kommunalpolitiker in den Städten, Gemeinden und Landkreisen gelegt worden, wie hoch das Aufkommen aus der Grundsteuer tatsächlich wird.

DIW: „Vernünftiger Kompromiss“

Die Gewerkschaft Verdi sah den Vorschlag zur Grundsteuerreform positiv. Auch die neue Grundsteuer C werde begrüßt, „weil es den Kommunen die Möglichkeit einräumt, den Kommunen einen Hebesatz einzurichten für baureife Grundstücke“. Auch, dass die Grundstücksbewertung alle sieben Jahre neu vorgenommen werden kann, hielt Catharina Schmalstieg von Verdi für richtig.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bewertete das Gesetz grundsätzlich für einen vernünftigen Kompromiss zwischen den verschiedenen Anforderungen bei der Reform. Natürlich müsse man bei der Bewertung von 35 Millionen Grundstücken vereinfachen; darunter leide die Einzelfallgerechtigkeit, hieß es.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Professor Gregor Kirchhof von der Universität Augsburg hielt den Entwurf in der jetzigen Form für verfassungswidrig. Es sei ein „seltsames Mischsystem“. „Entweder ich bewerte Immobilien punktgenau, dann brauche ich ein aufwendiges Verfahren mit vielen Parametern; oder ich nutze die Vereinfachungskompetenz des Gesetzebers und vereinfache gleichheitsgerecht.“ Aber einen Mittelwert zu bilden, das hält er für gleichheitsrechtlich nicht richtig. Kirchhof führte auch weiter aus, es müsse ein Belastungsgrund und eine folgerichtige Bewertung erkennbar sein – dies sei nicht gegeben.

Professorin Johanna Hey von der Universität Köln stellte fest, dass das geplante Bewertungssystem systematisch dazu führt, dass manche Grundstücke über- andere unterbewertet werden. „Das ist gleichheitsrechtlich bedenklich.“ Vermietete Immobilien in teuren Lagen würden unterbewertet, während solche in schlechteren Lagen zu hoch angesetzt werden. Das Problem könne auch nicht über den Hebesatz gelöst werden, denn der sei gemeindeeinheitlich. Professor Dirk Löhr von der Hochschule Trier schlug vor,  wbei Mieten stärker differenziert würde.

Kritik an „hohem Aufwand“

Professor Clemens Fuest vom ifo-Institut in München meldete im Verlauf der Anhörung Zweifel an und nannte es „müßig“, Aufkommensneutralität zu verlangen – denn die Entscheidung liegt am Ende bei den Gemeinderäten. Außerdem kritisierte er den erheblichen Aufwand zur Wertbestimmung der Gebäude. Der Bewertungsaufwand bürde den Steuerzahlern und der Finanzverwaltung hohe Kosten auf. Außerdem würden bei der Grundsteuer die persönlichen Verhältnisse des Steuerzahlers nach seiner Ansicht keine Rolle spielen, denn es handele sich um eine „reine Objektsteuer“. Ob ein Objekt einem Multimillionär oder einem Rentner gehöre, spiele überhaupt keine Rolle.

Professor Lorenz Jarass von der Hochschule Rhein-Main plädierte dafür, darüber nachzudenken, auch für Wohngebäude ein vereinfachtes Sachwertverfahren zu wählen, etwa den Bodenwert plus aufstehende Gebäudefläche. Auch er plädiert dafür, die Erhöhungen über Jahre hinweg zu strecken um sprunghafte Erhöhungen abzumildern.

Diskussion über Umlage auf den Mieter

Diskutiert wurde auch die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Mieter. Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten hat erneut gefordert, dass die Grundsteuer aus dem Katalog der Betriebskosten gestrichen werden soll. Vermieter müssten die Grundsteuer zahlen. Die Grundsteuer sei keine Infrastruktursteuer. Er plädierte in seiner Stellungnahme darüber hinaus für eine reine Bodensteuer: Sie „würde zu Investitionen anregen und somit dazu beitragen, dass mehr dringend benötigter Wohnraum entsteht.“

Der Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen hatte sich in der Vergangenheit immer für ein Flächenmodell als Bewertungsverfahren ausgesprochen. Andernfalls würden Wohnungsunternehmen, darunter auch kommunale Wohnungsunternehmen, massiv belastet, da die Bestandsmieten recht niedrig sind – aber das Gesetzentwurf von Durchschnittsmieten ausgeht, die oftmals höher sind. Er sah auch Probleme in der unterschiedlichen Behandlung von gewerblichen Immobilien und Wohnungsimmobilien. Christian Lieberknecht erläuterte das Problem: „Unsere Wohnungsunternehmen haben häufig beides: im Erdgeschoss Gewerbemieter, darüber Wohnungen.“ Er plädierte dafür, auf die Ist-Miete abzustellen, nicht auf eine schwer zu ermittelnde Durchschnittmiete.

Für gewerblich genutzte Grundstücke soll sich die Grundsteuer – anders als bei Wohnungen – an den gewöhnlichen Herstellungskosten für die jeweilige Gebäudeart und dem Bodenrichtwert orientieren. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, befürchtet Nachteile für Unternehmen. Er kritisierte die Orientierung an Bodenrichtwerten; Die Werte würden zwar in Gutachterausschüssen festgelegt, seien aber ungeeignet für ein steuerliches Massenverfahren und nicht justiziabel. Der Deutsche Steuerberaterverband stellte fest, dass derzeit nicht bekannt ist, wie sich die Bodenrichtwerte, die in Gutachterausschüssen festgesetzt werden, überhaupt zusammensetzen. Das müsse man transparent machen.

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