Anhörung im Bundestag

Gigabit-Strategie: „Kräfte des Marktes haben beim Ausbau Vorrang“

Uwe Roth19. September 2022
50 Milliarden Euro will die TK-Branche in den Ausbau des Glasfaseranschlüsse investieren. Der Ausschusses für Digitales im Bundestag fragte an diesem Montag Experten nicht nur, ob sie das für realistisch halten. 2030 soll das Netz flächendeckend sein.

Am 13. Juli hat das Kabinett der Bundesregierung die Gigabit-Strategie verabschiedet. Der darin vorgestellte Zeitplan ist ambitioniert: In drei Jahren soll mindestens die Hälfte der Haushalte in Deutschland einen Glasfaser-Anschluss haben. Im besten Fall enden die Glasfaserstränge in mehrgeschossigen Gebäuden nicht im Keller, sondern in jeder einzelnen Wohnungen. Fünf Jahre später, also am Ende des Jahrzehnts, soll der Ausbau abgeschlossen sein.

In der Umsetzung der Strategie schlägt der Bundestag ebenfalls ein hohes Tempo an. Nur zwei Monate nach der Bekanntgabe lud der Ausschuss für Digitales eine Reihe Experten ein, um deren Meinung zu hören. Die hatten lediglich ein paar Tage Zeit, um einen umfangreichen Fragekatalog zu bearbeiten. Neben dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und dem Deutschen Landkreistag beurteilten die Eingeladenen das Vorhaben unter anderem aus juristischer und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht. Die Meinungen gingen in der zweistündigen Anhörung nur unwesentlich auseinander.

Thorsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen nannte die 50 Prozent bis zum Jahr 2025 „nicht sonderlich ehrgeizig“. Die 100 Prozent bis 2030 beurteilt er dagegen „als sehr ehrgeizig“. Jürgen Grützner, Geschäftsführer des VATM e.V., bestätigte diese Einschätzung. Die am Ende des Zeitraums verbleibenden Lücken, in denen die Unternehmen wegen zu geringer Möglichkeiten, Anschlüsse „zu verkaufen“, keine Option zum Geldverdienen sehen, seien nur mit einem großen Aufwand zu schließen.

„Am eigenwirtschaftlichen Ausbau ist festzuhalten“

Die Fachleute waren sich einig, dass vom Grundprinzip diejenigen die Investitionskosten tragen sollen, die langfristig von der Nutzung des Glasfasernetzes finanziell profitieren: die IT-Branche, allen voran die Telekom, Vodafone und deren großen Wettbewerber. Thomas Abel, beim VKU Geschäftsführer der Abteilung „Wasser, Abwasser und Telekommunikation“, sagte: „Um das Ziel des flächendeckenden Glasfaserausbaus in Deutschland bis zum Jahre 2030 erreichen zu können, ist am Vorrang des eigenwirtschaftlichen Ausbaus festzuhalten.“ Dies entspreche nicht nur dem gebotenen Umgang mit öffentlichen Mitteln; die Praxis habe ebenso gezeigt, dass der eigenwirtschaftliche Ausbau „aufgrund weniger starrer Vorgaben häufig schneller und flexibler auf die vor Ort bestehenden Rahmenbedingungen eingehen kann“.

Gleichwohl hält der VKU die staatliche Förderung des flächendeckenden Glasfaserausbaus für unentbehrlich, „um insbesondere den ländlichen Raum möglichst in Gänze mit zukunftsfähigem Internet zu erschließen und so die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu gewährleisten.“ Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag stellte fest: Eine hoch leistungsfähige Breitbandversorgung sei „essenzieller Bestandteile der Daseinsvorsorge“. Das schließe aber nicht aus, dass die Dienstleistungen „vorrangig privatwirtschaftlich erbracht werden“.

Landkreistag: Im Zweifel muss der Staat lenkend eingreifen

Dem Staat dürfe es trotz dieses Ansatzes „nicht gleichgültig sein, so Ritgen, wenn ganze Landstriche oder Bevölkerungsgruppen keinen Zugang zu einer solchen Versorgung haben“. Deshalb müsse der Staat dort, wo der Markt versage, eingreifen. Der Spitzenverband sieht dafür zwei Möglichkeiten: Entweder der Staat gibt Geld, wo der Ausbau ins Stocken gerät, oder er gibt den Bürger*innen das Recht, juristisch den Zugriff aufs schnelle Internet einzufordern.

Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, begrüßte das Ziel der Gigabitstrategie ebenfalls, „die Förderung auf Regionen zu fokussieren, die geringe Chancen auf einen eigenwirtschaftlichen Ausbau haben.“ Im Verhältnis zwischen eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau gelte: „Der private Ausbau durch die Kräfte des Marktes hat Vorrang“. Es müsse verhindert werden, dass der geförderte Ausbau private Investitionen verdränge.

Schriftliche Zusage der 50 Milliarden Euro steht aus

Fedor Ruhose aus dem Ministerium für Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz schilderte die seitherigen Erfahrungen: „Wir sehen sowohl beim Mobilfunk als auch beim Glasfaserausbau eine hohe eigenwirtschaftliche Ausbaudynamik.“ Das sei aus Sicht des Landes zu begrüßen. „Zum Teil sind Kommunen mit zwei ausbauwilligen Unternehmen konfrontiert. Wir werten das als ein Funktionieren des Marktes.“ Vor diesem Hintergrund begrüße das Land die Investitionszusage der TK-Branche in Höhe von 50 Milliarden Euro. Das taten die übrigen Experten in der Anhörung des Ausschusses ebenfalls. Eine schriftliche Zusage der Unternehmen wäre aus ihrer Sicht aber eine gute Absicherung.

Deutscher Bundestag - Ausschuss berät Gigabit-Strategie der Bundesregierung

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