Neustart für Energiewende mit Fokus auf Effizienz
Damit die Klimaneutralität 2045 gelingt, brauchen wir Investitionen und Pragmatismus. Ein Gastbeitrag von Kai Lobo, Verband kommunaler Unternehmen (VKU).
Janine Schmitz/photothek.de
Ein Windrad neben einer Hochspannungsleitung bei Luckau. Kai Lobo meint: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien sollte systemdienlich erfolgen, Überproduktionen dürfen nicht mehr gefördert werden.
Mehr als Zwei Drittel der kommunalen Unternehmen halten das deutsche Klimaziel 2045 unter den geltenden Rahmenbedingungen für unrealistisch. Die Kosten sind aktuell zu hoch, die Finanzierung unklar. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) unter den CEOs von 1.584 kommunalen Unternehmen. Deshalb muss es in der neuen Legislaturperiode darum gehen, durch mehr Effizienz Kosten zu senken und die Finanzierung zu klären.
Wir brauchen einen Neustart für die Energiewende in Deutschland. Um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, die Akzeptanz für die Energiewende zu erhalten und die Klimaziele erreichen zu können, ist eine Nachjustierung mit Fokus auf Kosteneffizienz notwendig. Mit unserem Papier „Neustart für die Energiewende“ wollen wir eine lösungsorientierte Diskussion zur Reduzierung der Kosten der Energiewende anstoßen.
Ambitioniert nicht mit unrealistisch verwechseln
Klar ist: Zur Energiewende gibt es keine vertretbare Alternative. Wir sind es nachkommenden Generationen und auch unserem Wirtschaftsstandort schuldig, klimaneutral zu werden und die Abkehr von fossilen Brennstoffen zu schaffen. Wir müssen die Abhängigkeiten vom Import fossiler Energien aus dem Ausland weiter reduzieren.
Die ambitionierte Energiewende ist und bleibt elementar für Klimaschutz und eine resiliente nationale Versorgungssicherheit. Ambitionierte Ziele sind gut und richtig, aber ambitioniert darf kein Synonym für unrealistisch werden. Klimaneutralität gelingt nur, wenn wir die Kosten senken und die Prozesse der Energiewende besser aufeinander abstimmen. Zudem sollte eine neue Bundesregierung das Fundament für alternative Finanzierungsformen legen, zum Beispiel für einen Energiewendefonds.
Damit das Ziel der Klimaneutralität erreicht wird, gaben bei der VKU-Umfrage 51 Prozent der CEOs an, dass vordringlich die Finanzierung geklärt und durch neue Konzepte erleichtert werden müsse. 47 Prozent plädieren für einen Realitätscheck bei jeder Entscheidung, jedem Gesetz. 44 Prozent der Befragten wünschen sich schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Mit Blick auf das energiepolitische Zieldreieck von Klimaneutralität, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit votieren die meisten Befragten (39 Prozent) für eine klare Priorisierung von Bezahlbarkeit und Wirtschaftlichkeit.
Aktuell befindet sich die Energiewende an einem kritischen Punkt: Ohne entschlossenes und strikt auf die System- und Kosteneffizienz orientiertes politisches Handeln sind die Transformationskosten volkswirtschaftlich nicht aufzubringen. In Summe sehen wir viel Optimierungsbedarf, der die Kosten der Energiewende für alle senken kann:
Netzentgelt-Reform
Als VKU drängen wir jetzt zum Beispiel auf eine Reform der Netzentgelte, um Bürger und Wirtschaft vor weiteren Kostensteigerungen zu schützen. Durch immer mehr Eigenerzeugung sinkt die Stromentnahme aus dem Netz. Steigende Netzentgelte sind die Folge, vor allem für Kundengruppen mit schmalem Geldbeutel und mittelständische Unternehmen. Deshalb sollten Netzentgelte mit den Einnahmen aus dem CO2-Preis abgefedert, auf Verursachungsgerechtigkeit ausgerichtet und der Fokus stärker auf den Grundpreis gerichtet werden. Zudem sollte die Stromsteuer auf das europarechtliche Minimum für alle gesenkt werden.
Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, brauchen wir in Zukunft Kraftwerke, die kurzfristig einspringen können. Für die notwendigen Investitionen ist es wichtig, dass auch die Vorhaltung von Leistungen auskömmlich vergütet wird. Zukünftig muss der systemische Nutzen der Kraft-Wärme-Kopplung für Strom- und Wärmewende stärker zum Tragen kommen und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) grundlegend überarbeitet und bis 2035 verlängert werden.
Bei der Wärmewende spielt der Ausbau der Fernwärme eine zentrale Rolle. Indem sie die Erschließung zusätzlicher erneuerbarer und klimaneutraler Wärmequellen wie Geothermie oder unvermeidbare Abwärme ermöglicht, ist Fernwärme volkswirtschaftlich sehr kosteneffizient. Aus Perspektive der Gebäude-Eigentümer ein weiterer Pluspunkt für die Fernwärme: Gebäude müssen bei Anschluss an Wärmenetze nicht mehr auf höchste energetische Standards saniert werden und können trotzdem klimaneutral gestellt werden. Damit die Wärmewende finanzierbar ist, halten wir es für erforderlich, dass die bestehende Bundesförderung effiziente Wärmenetze auf 3,5 Milliarden Euro pro Jahr aufgestockt und bis Mitte der 30er Jahre verstetigt wird.
Ausbaubedarf lässt sich verringern
Der Ausbaubedarf der Stromnetze kann durch eine bessere Netzausnutzung deutlich reduziert werden. Windenergie- und Solaranlagen an Land sollten hinter dem Netzverknüpfungspunkt mit Stromspeicheranlagen kombiniert werden, um ihre volatile Energie besser nutzen und teures Abregeln vermeiden zu können.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien sollte systemdienlich erfolgen und Überproduktionen dürfen nicht mehr gefördert werden. Solarstrom in der Mittagsspitze ist schon jetzt oft wertlos oder hat sogar einen negativen Wert. Die sogenannten Mittagsspitzen belasten immer häufiger die Stromnetze. Deshalb sollten Solaranlagen, die ihren Strom nicht direkt an der Energiebörse vermarkten, keine staatliche Förderung mehr erhalten. Neue Photovoltaikanlagen auf Dächern sind bereits jetzt ohne garantierte Einspeisevergütung und in Kombination mit Batteriespeichern wirtschaftlich, es braucht keine weitere steuerfinanzierte Förderung.
Das anvisierte Ausbauziel für Offshore-Windenergie ist aufgrund des sogenannten Abschattungseffekts zu hoch. Die Turbinen stehen zu dicht beieinander. Statt 70 Gigawatt installierter elektrischer Leistung sind 50 Gigawatt ausreichend. Zudem sollten vor allem Windenergieanlagen mit niedrigerer Nennleistung und höheren Volllaststunden gebaut werden. Beim Übertragungsnetzausbau können durch diese Maßnahmen Milliardenbeträge eingespart werden. Zudem sollten Erdkabel keinen generellen Vorrang mehr bei den großen Gleichstromleitungen haben, dafür ist die Erdverkabelung zu kosten- und planungsintensiv.
Energiewendefonds mit staatlichen Garantien
Der Investitionsbedarf in die Infrastrukturen und Systeme der kommunalen Unternehmen ist enorm. Den größten Investitionsbedarf sehen kommunale Unternehmen laut unserer Umfrage bei den Strom- und Fernwärmenetzen für die Energiewende und auch bei den Infrastrukturen der Wasserver- und Abwasserentsorgung. Von einer neuen Bundesregierung wünschen sich kommunale Unternehmen mehr Verlässlichkeit, Realitätssinn, aber weniger Bürokratie.
Zur Finanzierung der Energiewende setzt sich der VKU für die Errichtung eines Energiewendefonds ein, der privates Kapital mobilisiert. Um das Chancen- und Risikoprofil für mögliche Investoren zu verbessern, sind staatliche Garantien und Bürgschaften geboten. Dieser Fonds würde privates Kapital für die Energiewende mobilisieren.
Für die Familie der kommunalen Unternehmen steht fest: Die neue Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, dass die Energiewende verlässlich, machbar und bezahlbar wird.
Höck
ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Geschäftsführer der Abteilung Energiewirtschaft im Verband kommunaler Unternehmen (VKU)